(Oslo / Norwegen) – Der norwegische Anbieter von Kreuzfahrten und Fjord-Reisen, Hurtigruten, arbeitet an einem Konzept für emissionsfreie Schifffahrt. Das Unternehmen stellte nun erste Entwürfe der im März 2022 unter dem Namen „Sea Zero“ angekündigten Initiative vor.

„Wir standen vor der Herausforderung, dass wir nicht wussten, welche Technologien uns im Jahr 2030 zur Verfügung stehen würden“, sagt Hedda Felin, Geschäftsführerin von Hurtigruten Norway. Nach einer Machbarkeitsstudie habe man sich nunmehr für elektrisch betriebene Schiffe entschieden. Die Batterien hätten eine Kapazität von 60 Megawattstunden und würden im Hafen aufgeladen. Den Plänen zufolge sei das neue emissionsfreie Schiff 135 Meter lang und verfüge über 270 Kabinen, die Platz für 500 Gäste und 99 Besatzungsmitglieder böten.

Der Energiebedarf werde durch „innovative Rumpf- und Antriebslösungen“ reduziert, sagte Henrik Burvang, Forschungs- und Innovationsmanager der Vard Group, dem Design- und Schiffbauunternehmen, das hinter dem visuellen Konzept steht. Dazu gehöre unter anderem eine Kombination aus Windkraft und Photovoltaik, außerdem eine verbesserte Manövrierfähigkeit durch künstliche Intelligenz (KI) sowie einziehbare Strahlruder. Die Reederei wolle KI auch dafür nutzen, um Daten für die effizientesten An- und Ablegeverfahren in den Häfen zu sammeln. So lasse sich der Betrieb bei schwierigem Wetter optimieren.

Für die Dauer von zwei Jahren würden nun die vorgeschlagenen Technologien erprobt. Die aktuelle Forschungs- und Entwicklungsphase konzentriere sich auf die Batterieproduktion, die Antriebstechnologie, das Design des Schiffsrumpfes und Weiteres, um den Energieverbrauch „auf ein absolutes Minimum“ zu reduzieren und im Vergleich zu den derzeitigen Schiffen von Hurtigruten Norway um 50 Prozent zu senken.

Die Batterien des neu geplanten Wasserfahrzeug werden in den Häfen mit Ökostrom geladen. Im Jahr 2022 lag der Anteil erneuerbarer Energien an der gesamten norwegischen Nettostromerzeugung bei knapp 99 Prozent. Davon stammten gut 88 Prozent aus Pumpspeicher- und Laufwasserkraftwerken sowie mehr als zehn Prozent aus Onshore-Windenergie.

An dem Hurtigruten-Konsortium sind zwölf Firmen sowie das norwegische Forschungsinstitut SINTEF (Stiftelsen for industriell og teknisk forskning) beteiligt. Wenn das erste Schiff im Jahr 2030 fertig ist, will das Unternehmen seine gesamte Flotte umrüsten.

Reedereien erproben auch Wasserstoff, Ammoniak und Methanol

Bis 2025 will Maersk 19 mit grünem Methanol betriebene Schiffe in Betrieb nehmen. © A.P. Moller-Maersk

Auch andere arbeiten daran, die Emissionen ihrer Flotten zu reduzieren. So setzt beispielsweise die dänische Großreederei A.P. Moller-Maersk auf grünes Methanol. Das Unternehmen, mit 691 Schiffen weltweit die Nummer 2 bei den Containertransporten, hat sowohl eine Reihe neuer Schiffe mit Methanolantrieb bestellt als auch etliche Unternehmen weltweit mit der Produktion von grünem Methanol beauftragt.

Ørsted und Esvagt lassen ein mit Methanol angetriebenes Serviceschiff bauen. © Ørsted AS

Der dänische Energiekonzern Ørsted A/S und der dänische Anbieter von Services für Offshore-Windkraftanlagen Esvagt A/S investieren in ein Serviceschiff (service operation vessel, SOV), das mit umweltfreundlichen Kraftstoffen betrieben werden kann. Die Motoren laufen ebenfalls mit E-Methanol, das aus Windenergie und biogenem Kohlenstoff hergestellt wird. Das neue SOV wird 93 Meter lang, 19,60 Meter breit und hat einen Tiefgang von maximal 6,50 Meter. Es ist für 124 Personen ausgelegt und verfügt über einen Hubschrauberlandeplatz. Esvagt werde das Schiff für den Offshore-Windpark „Hornsea 2“ von Ørsted einsetzen.

Hy-Ekotank: Teco 2030 plant die Nachrüstung eines Ektank-Schiffes mit Brennstoffzellen und Wasserstoffspeicher. © Teco 2030

Das norwegische Unternehmen Teco 2030 soll einen Produktentanker der schwedischen Reederei Ektank AB mit Wasserstoffantrieb ausrüsten. Ein solches Schiff verfügt über mehrere unabhängig voneinander zu befüllende Tanks für den Transport von ausschließlich aus Erdöl gewonnenen Produkten, etwa Benzin, Kerosin, Naphtha oder Gasöl. Das Schiff werde am Liegeplatz emissionsfrei betrieben und während der Fahrt die Treibhausgasemissionen um 60 Prozent reduzieren.

Torghatten Nord hat die Norwegian Ship Design Company mit dem Design von Wasserstoffschiffen beauftragt. © Norwegian Ship Design Company

Die norwegische Reederei Torghatten Nord SA hat die Norwegian Ship Design Company mit dem Design für zwei Wasserstoffschiffe beauftragt. Die Auslieferung ist für das vierte Quartal 2024 geplant, die Inbetriebnahme für das darauf folgende Jahr. Die Investitionen werden auf 19,2 Millionen Euro beziffert. Die norwegische Regierung hat zur Auflage gemacht, dass die neuen Fähren über den Vestfjord zwischen den Lofoten und Bodø emissionsfrei fahren müssen. Die Kapazität jedes Schiffes liege bei 599 Passagieren, 120 Pkw und 12 Lkw.

SINTEF will die Verwendung von Ammoniak als emissionsfreien Treibstoff für die Schifffahrt untersuchen. Demnach soll ein Bunkernetz entwickelt werden. Azane Fuel Solutions, ein Joint Venture zwischen Econnect Energy und Amon Maritime, werde den Angaben zufolge das erste Terminal für grünen Ammoniak in einem norwegischen Hafen unter realen Bedingungen entwickeln, bauen und betreiben. Das norwegische Umweltministerium fördert das Projekt „Ammonia Fuel Bunkering Network“ mit 89 Millionen norwegischen Kronen (8,7 Millionen Euro).

2,6 Prozent der globalen ⁠CO2⁠-Emissionen von Schiffen

Nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) erfolgen etwa 90 Prozent des Welthandels auf dem Seeweg. Der Schiffsverkehr sei für circa 2,6 Prozent der klimaschädlichen globalen ⁠CO2⁠-Emissionen verantwortlich; nach letzten Zahlen des International Council on Clean Transportation (ICCT) waren dies 2015 annähernd eine Milliarde Tonnen. „Das sind mehr als die gesamten Emissionen Deutschlands im Jahre 2019 in Höhe von 810 Millionen Tonnen CO2-Equivalente“, so das Umweltbundesamt. „Ohne politische Gegenmaßnahmen“ könnten die CO2-Emissionen des Seeverkehrs bis 2050 gar auf bis zu 2.345 Millionen Tonnen ansteigen, schätzt die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (International Maritime Organisation, IMO).

Bei rund einem Drittel der weltweiten Schiffsbewegungen liege der Ziel- oder Ausgangshafen in der Europäischen Union, so das UBA. Die am häufigsten befahrenen Meere seien die Nord- und Ostsee. So durchquerten jährlich mehr als 30.000 Schiffe den Nord-Ostsee-Kanal, und etwa 2.000 Schiffe fahren täglich auf der Ostsee.

Ein 2021 veröffentlichter gemeinsamer Bericht der Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) und der Europäische Umweltagentur (EEA) kommt zu dem Ergebnis, dass 2018 im EU-Verkehrssektor 13,5 Prozent aller Treibhausgasemissionen durch Schiffe verursacht wurden (Straßenverkehr 71 Prozent, Luftverkehr 14,4 Prozent). Demgegenüber würden laut Hurtigruten Norway derzeit nur 0,1 Prozent der Schiffe weltweit emissionsfrei fahren.

Den EMSA-Report „European Maritime Transport Environmental Report 2021“ gibt es auf Englisch kostenfrei als PDF (212 Seiten).

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Visualisierung des geplanten emissionsfreien „Sea Zero“-Schiffes für Hurtigruten Norway im Hjørundfjord. © Vard Design