(Essen / Lingen) – Der Essener Energiekonzern RWE Generation SE und der japanische Turbinenhersteller Kawasaki Heavy Industries planen im niedersächsischen Lingen den Bau einer wasserstoffbetriebenen Gasturbine. Damit soll im RWE Gaskraftwerk Emsland die Rückverstromung von Wasserstoff erprobt werden. Das Vorhaben ist nach Unternehmensangaben „eines der ersten weltweit“, bei dem eine Gasturbine 100 Prozent Wasserstoff in industriellem Maßstab in Strom umwandelt. Die Anlage mit einer Leistung von 34 Megawatt könnte Mitte 2024 in Betrieb gehen.

Ein technischer Aspekt allerdings relativiert vorerst dieses ambitionierte Vorhaben: Die Gasturbine von Kawasaki könne „mit jeder beliebigen Kombination aus Erdgas und Wasserstoff betrieben“ werden, erklärt RWE. „Die zur Rückverstromung verfügbare Menge an grünem Gas“ werde während des Hochlaufs der Wasserstoffwirtschaft „häufig schwanken, bevor ein durchgängiger Betrieb damit möglich ist“.

Testlauf in Lastbereichen von 30 bis 100 Prozent

Während der Pilotphase solle die Turbine vor allem in Betriebslastbereichen zwischen 30 und 100 Prozent getestet werden. „Das entspricht Lastverläufen von Gasturbinen, wie sie in einem Stromnetz mit hohem Anteil an wetterbedingt schwankenden erneuerbaren Energien zu erwarten sind.“

Im Projektverlauf sollen zwei von Kawasaki entwickelte und bereits im japanischen Kobe in 1-Megawatt-Varianten getestete Verbrennungssysteme eingesetzt werden. In Lingen würde diese Technologie nun „erstmals auf industriellen Maßstab skaliert“.

Elektrolyse mit 100 Megawatt in Lingen geplant

Der Standort Lingen spielt laut RWE eine Schlüsselrolle in der Wasserstoffstrategie des Konzerns: Im Rahmen des Projekts „GET H2″ plant das Unternehmen, dort bis 2024 eine 100-Megawatt-Elektrolyseanlage zu errichten, die unter Einsatz von Offshore-Windstrom aus der Nordsee grünen Wasserstoff erzeugen wird (wir berichteten). Die Kapazität soll bis 2026 auf 300 Megawatt und bis 2030 auf zwei Gigawatt ausgebaut werden.

Mit GET H2 wollen die Konzerne nach RWE-Angaben „die kritische Masse“ schaffen, die erforderlich sei, „um den Aufbau einer überregionalen europäischen Wasserstoffinfrastruktur in Gang zu setzen und einen starken europäischen Wasserstoff-Markt zu entwickeln“. RWE ist in über 30 Wasserstoffprojekten aktiv.

Im März 2020 hatten BP Europa SE, die Evonik Industries AG, die Fernleitungsnetzbetreiber Nowega GmbH und OGE GmbH sowie RWE Generation SE in der gemeinsamen Initiative „GET H2 Nukleus“ eine Absichtserklärung für die Entwicklung eines Wasserstoffnetzes von Lingen bis Gelsenkirchen unterzeichnet. Es soll mit einer Länge von rund 130 Kilometern die Erzeuger von grünem Wasserstoff mit industriellen Abnehmern in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verbinden. Seinerzeit war von der Inbetriebnahme des Elektrolyseurs bis Ende 2022 die Rede.

Gaskraftwerke mit zwei Gigawatt

RWE hatte im November angekündigt, mindestens zwei Gigawatt Gaskraftwerkskapazität zuzubauen. Für bestehende Anlagen entwickele RWE einen Fahrplan, um sie grün umzurüsten. Das Gas und  Dampf (GuD)-Erdgaskraftwerk Emsland besteht aus mehreren Blöcken zur Stromerzeugung für die Bereiche Mittel- und Spitzenlast.

Die Anlagen befinden sich in der Nähe des seit 1977 stillgelegten RWE-Kernkraftwerks Lingen, das seit 2015 rückgebaut wird, sowie nördlich des noch bestehenden Kernkraftwerks Emsland, das Ende 2022 vom Netz geht. Die 2018 gegründete RWE Nuclear GmbH habe den Angaben zufolge Ende November bereits Aufträge für den Rückbau vergeben. Der Abschluss der Arbeiten wird nach derzeitigem Stand auf „Mitte/Ende der 2030er Jahre“ prognostiziert.

Deep Link
https://www.rwe.com/presse/rwe-generation/2021-12-09-rwe-und-kawasaki-planen-errichtung-von-wasserstofffaehigen-gasturbinen

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So könnte es am Standort des Wasserstoffkraftwerks in Lingen dereinst aussehen. © RWE