(Brüssel / Belgien) – Die EU-Kommission hat mehr als 3,6 Milliarden Euro für 41 Großprojekte im Bereich der sauberen Technologien vergeben. Der Förderschwerpunkt liegt auf dem REPowerEU-Plan und dem schrittweisen Ausstieg aus der Einfuhr russischer fossiler Brennstoffe nach Europa.

Die ausgewählten Projekte befinden sich in 15 EU-Mitgliedstaaten und decken ein breites Spektrum von Branchen ab, darunter Zement- und Stahlindustrie, Biokraftstoffe, nachhaltige Flugkraftstoffe, Wind- und Solarenergie sowie erneuerbaren Wasserstoff und seine Derivate. Sämtliche geförderte Projekte sollen vor 2030 in Betrieb gehen und haben den Angaben zufolge „das Potenzial, in den ersten zehn Betriebsjahren 221 Millionen Tonnen CO2-Emissionen zu vermeiden“.

Projekte in vier Themenbereichen

Die Vorhaben decken vier Themenbereiche ab: Im Bereich „Allgemeine Dekarbonisierung“ erhalten acht Projekte Fördermittel in Höhe von 1,4 Milliarden Euro, dazu gehören drei Vorhaben in Raffinerien und fünf Projekte im Zement- und Kalksektor.

Im Segment „Elektrifizierung der Industrie und Wasserstoff“ werden 13 Projekte im Wert von fast 1,2 Milliarden Euro gefördert. Darunter befinden sich sechs Projekte zur Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff und sieben zur Nutzung von Wasserstoff in verschiedenen Sektoren.

Unter dem Titel „eClean Tech Manufacturing“ werden elf Projekte im Wert von fast 800 Millionen Euro finanziell unterstützt. Dazu gehören die Herstellung von Elektrolyseuren (vier), Batterien (vier) sowie Solarzellen und -modulen (drei).

Bei den „Mittelgroßen Pilotprojekten“ erhalten neun Vorhaben eine Förderung im Wert von 250 Millionen Euro. Dies umfasst unter anderem die Bereiche Windenergie, Meeresenergie und Glasindustrie.

Geförderte Wasserstoff- und PtX-Projekte

Zu den mit Finanzmitteln im Bereich Wasserstoff und Power-to-X bedachten Vorhaben im Segment Allgemeine Dekarbonisierung gehören:

  • Die Bioraffinerie Östrand AB (Schweden) plant die großtechnische Herstellung von erneuerbaren nachhaltigen Flugkraftstoffen (SAF) sowie den Einsatz eines „Anything-to-Liquid“ (XTL) genannten Verfahrens mittels Vergasung fester Biomasse unter Verwendung von 100 Prozent erneuerbarer Energie.

Wasserstoffprojekt H2Sines.Rdam von G.D.F. International SA © Engie

  • Das Projekt „H2Sines.Rdam“ (Portugal, Niederlande) von G.D.F. International SA wird das Potenzial der Nutzung von Flüssigwasserstoff (LH2) für den Transport kostengünstiger erneuerbarer Energie von Portugal in die Niederlande per LH2-Schiff demonstrieren. Es werden ein 400-Megawatt-Elektrolyseur, eine groß angelegte Verflüssigungsanlage, eine Exportanlagen sowie ein LH2-Speicher im Hafen von Sines gebaut, um Flüssigwasserstoff per Brennstoffzellenschiff zum Importterminal in Rotterdam zu liefern.
  • Das „IRIS“-Projekt des griechischen Ölkonzerns Motor Oil Corinth Refineries S.A. will eine kohlenstoffarme Wasserstoff- und Methanolproduktion durch großtechnische Kohlenstoffabscheidung voranbringen. Dies soll den CO2-Fußabdruck der Raffinerie drastisch reduzieren und gleichzeitig ein industrielles Ökosystem für die Produktion von kohlenstoffarmem Wasserstoff und dessen Nutzung als saubere Energiequelle demonstrieren.

Mit Finanzmitteln im Bereich Wasserstoff und Power-to-X bedachte Vorhaben im Segment Elektrifizierung der Industrie und Wasserstoff:

  • „Boden Phase 1″ von H2 Green Steel AB (Schweden) zielt darauf ab, in Nordschweden ein grünes Stahlwerk im industriellen Maßstab zu errichten. Es wird die wasserstoffbasierte Direktreduktionstechnologie (DRI) nutzen, um die traditionelle koksbefeuerte Hochofenmethode zur Eisenerzeugung zu ersetzen.

  • Hafen von Sines, Portugal. © Green H2 Atlantic

    Ein Konsortium von 13 Unternehmen plant im Rahmen eines Green H2 Atlantic genannten Projekts in Sines, Portugal, die Entwicklung eines skalierbaren und flexiblen System zur Erzeugung von grünem Wasserstoff mit einer Leistung von 96 Megawatt, basierend auf alkalischer Drucktechnologie. Der für die Wasserstoffproduktion benötigte Strom wird durch zusätzliche Solar- und Windkraftkapazitäten bereitgestellt, geliefert per Stromabnahmeverträge (PPA) durch das Stromnetz.

  • Elyse Energy (Frankreich) bekommt Fördermittel für das Projekt „Electro Methanol-Rhône“ zur Herstellung von E-Methanol durch die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff und die Abscheidung und Nutzung von Kohlenstoff. Der Kohlenstoff stammt aus einem Zementwerk. Elyse will in Frankreich in vier Fabriken einst 500.000 Tonen E-Methanol produzieren, auf der iberischen Halbinsel ist die Herstellung von einer weiteren Million Tonnen geplant.
  • SHYNE-Gründung im Jahr 2022 auf dem Campus Repsol. © Robert Bosch España, S.L.U.

    Die spanischen Unternehmen Repsol S.A. und Circular Solutions S.A. wollen mit „T-Hynet“ unter Einsatz eines 150 Megawatt leistenden alkalischen Druckelektrolyseurs im Industriegebiet von Tarragona in Südspanien erneuerbaren Wasserstoff und Sauerstoff herstellen und an lokale Abnehmer verkaufen. Ein digitaler Zwilling soll eine, wie es heißt, „flexible und optimierte Betriebsplattform“ ermöglichen. Das T-Hynet-Projekt ist Teil des Konsortiums „Spanish Hydrogen Network“ (SHYNE).

  • Der belgische Stromversorger Engie Electrabel S.A. will mit dem „Columbus“-Projekt eine skalierbare Lösung zur Dekarbonisierung der Industrie durch die Kombination von abgetrenntem CO2 aus der Kalkproduktion mit grünem Wasserstoff finden, um kohlenstoffneutrales synthetisches E-Methan zu erzeugen, das in das nationale Erdgasnetz eingespeist, aber auch von industriellen Nutzern oder als alternativer Kraftstoff im Verkehrssektor verwendet werden kann.
  • Der spanische Stromerzeuger Iberdrola S.A. bekommt Fördermittel zur Produktion von grünem E-Methanol in Galicien. Das Projekt besteht aus einer integrierten Anlage mit einem hybriden H2-Produktionssystem, das alkalische, Protonenaustauschmembran- (PEM), Festoxidelektrolysezellen (SOEC) und SOEC-Ko-Elektrolysesysteme umfasst, außerdem aus einem integrierten E-Methanol-Produktionssystem sowie einem CO2-Abscheidungssystem.
  • Künftiger Standort der Uniper-Elektrolyseure an der Maasvlakte, einem großen Industrie- und Hafenareal in Rotterdam. © Uniper SE

    Uniper Hydrogen Netherlands B.V. (Niederlande) will in der Region Maasvlakte im Gebiet des Rotterdamer Hafens grünen Wasserstoff produzieren. Der Elektrolyseur wird auf dem Gelände eines bestehenden Kohlekraftwerks installiert und verwendet vorhandene Versorgungsinfrastrukturen. Die Anlage nutzt demineralisiertes Wasser. Der Ertrag ist für die Abnahme in Raffinerien im Rotterdamer Hafen vorgesehen, zum Beispiel für die Herstellung von synthetischem Biokraftstoff.

  • Das Kohlekraftwerk Aboño von EDP geht bald vom Netz, künftig soll hier grüner Wasserstoff erzeugt werden. © EDP

    Das „Asturien H2 Valley“ genannte Projekt von H2 Aboño, SA (Spanien) ist ein Power-to-Hydrogen-Hub zur Herstellung und Lieferung von Wasserstoff mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonne. Die Produktionsstätte wird innerhalb der Anlagen des bereits bestehenden konventionellen Kohlekraftwerks nordöstlich von Gijón an der spanischen Atlantikküste angesiedelt, das 2025 vom Netz geht. Hinter dem Projekt steht EDP Renewables, Tochter des Energieversorgers EDP Energias de Portugal.

  • „EnergHys“ von Total Energies (Niederlande) zielt darauf ab, eine vollständige Wertschöpfungskette für die Erzeugung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien bis hin zum Endverbraucher aufzubauen. Das Projekt profitiere von der Nähe zum Nordseehafen sowie vom künftigen Anschluss an das lokale Wasserstoffnetz.
  • Forestal del Atlántico, S.A. (Spain) hat sich mit „Triskelion“ zum Ziel gesetzt, aus Wasserstoff und CO2 grünes Methanol herzustellen. Der Strom für die Elektrolyse stammt aus einem Windpark in unmittelbarer Nähe der Projektanlagen. Das CO2 wird aus einer bestehenden Kraft-Wärme-Kopplungsanlage abgeschieden.
  • Die Iqony GmbH (Deutschland) wird einen PEM-Elektrolyseur in Duisburg-Walsum entwickeln, bauen und betreiben. Die Anlage wird in ein bestehendes Kraftwerk für erneuerbare Energien integriert und durch eine Batterie unterstützt. Die erste Ausbaustufe umfasst 157 Megawatt, die Inbetriebnahme von „HydrOxy“ ist für 2027 geplant. Der erneuerbare Wasserstoff wird, wie es heißt, „größtenteils an ein örtliches Stahlunternehmen geliefert“, daneben auch an den Verkehrssektor und andere Industriezweige. Die erzeugte Wärme wird in ein Fernwärmesystem eingespeist. Die Maximalleistung von 520 Megawatt ist nach drei Ausbaustufen erreicht.

Standort des geplanten Holmaneset-Projekts in der Gemeinde Bremanger, Norwegen. © FFI

  • Das in Norwegen geplante 300 Megawatt leistende Projekt „Holmaneset“ des australischen Unternehmen Fortescue Future Industries (FFI) soll grünen Wasserstoff und grünes Ammoniak erzeugen. Der Elektrolyseur arbeitet mit überschüssiger erneuerbarer Energie aus dem Stromnetz. Das Ammoniak wird per Schiff an die heimischen und europäischen Märkte geliefert.
  • Die Verbund AG (Österreich) will im Rahmen des „Gramli“-Projekts erneuerbares Ammoniak erzeugen, das zur Herstellung von Melamin, Düngemitteln und technischen Stickstoffprodukten geeignet ist. Der PEM-Elektrolyseur zur Wasserstoffproduktion wird in Linz errichtet und mit erneuerbarer Energie aus dem Stromnetz betrieben. Der Betrieb werde so gesteuert wird, dass mehr Strom verbraucht wird, wenn der Anteil an erneuerbarem Strom hoch ist.

Mit Finanzmitteln im Bereich Wasserstoff und Power-to-X bedachte Vorhaben im Segment eClean Tech Manufacturing:

  • Das „Topsoe SOEC“-Projekt von Topsoe AS (Dänemark) umfasst den Bau und den Betrieb einer Fabrik für innovative SOEC-Stapelmodule (Solid Oxide Electrolyser Cell), die für die Elektrolyse in der grünen Wasserstoffproduktion verwendet werden. Die Technologie ermögliche im Vergleich zur konventionellen Elektrolyse einen höheren elektrischen Wirkungsgrad.
  • Die Robert Bosch AG (Deutschland) will mit dem „Smart ELectrolYsis Module Manufacturing“ (Ely) genannten Vorhaben neuartige „Smart Electrolysis Module“ (SEM) industrialisieren, das den „Ely-Stack“ mit kosteneffizienter Leistungselektronik, Steuereinheit und Sensoren einschließlich globaler Serviceangebote kombiniert. Die vormontierte Systemlösung soll den Aufwand für die Inbetriebnahme von großen Elektrolyseuren verringern und gleichzeitig deren Effizienz steigern.
  • AGFA (Belgien) kommerzialisiert im industriellen Maßstab die Entwicklung von Membrane mit einem verbesserten elektrischen Wirkungsgrad. Dies führe zu einer Verringerung des Bedarfs an erneuerbarem Strom in Elektrolyseuren. Die Membrane des „Giga-Scales“-Projekts hätten im Vergleich zu anderen Optionen einen verbesserten elektrischen Stack-Wirkungsgrad und eine höhere Leistungsdichte.
  • Das Hauptziel von „Hyncrease“ der Nora Deutschland GmbH ist es, die Produktionskapazität für Elektrolyseure und Brennstoffzellenkomponenten zu erhöhen. Der Schwerpunkt liege auf der Entwicklung, dem Bau und der Validierung hocheffizienter Fertigungslinien, die einen geringen ökologischen Fußabdruck der Produkte gewährleisten. Damit sänken die Betriebskosten von Fertigungslinien für Elektrolyseure und Brennstoffzellenkomponenten, was die Markteinführung erleichtere.

Mit Finanzmitteln im Bereich Wasserstoff und Power-to-X geförderte Vorhaben im Segment Mittelgroße Pilotprojekte:

  • Das E-Kraftstoff-Projekt von Nordic Electrofuel AS (Norwegen) zielt darauf ab, eine wettbewerbsfähige Produktion von flüssigen synthetischen Kohlenwasserstoffen (Syncrude) nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren zu demonstrieren, die auf erneuerbarer Energie, Wasser und CO/CO2 aus industriellen Abgasen einer Ferro/Silizium-Mangan-Anlage basiert. Dabei werden unterschiedliche Umwandlungsverfahren eingesetzt. Syncrude ersetze nach der Raffination fossile Produkte wie Kerosin und könne in bestehenden Motoren und Infrastrukturen verwendet werden, insbesondere zur Dekarbonisierung der Luftfahrtindustrie.
  • „Seaworthy“ von Floating Power Plant AS (Spanien) ist ein mittelgroßes Projekt zur Demonstration einer erneuerbaren Energieversorgung durch Integration von Wellenenergiekonvertern, einer Windturbine und einem vollständigen Wasserstoffsystem (Elektrolyseur, Speicher und Brennstoffzellen) auf einer einzigen „Halbtaucher“-Plattform. Ziel ist es, die P2X-Technologie des Unternehmens weiter zu entwickeln, indem ein Prototyp in einem Maßstab gebaut, getestet und betrieben wird, der als repräsentativ für die Validierung von Anwendungen im kommerziellen Maßstab angesehen wird.

Die ausgewählten Projekte wurden von unabhängigen Sachverständigen anhand von fünf Vergabekriterien bewertet: Fähigkeit zur Verringerung der Treibhausgasemissionen im Vergleich zu herkömmlichen Technologien, Innovationsgrad, betriebliche, finanzielle und technische Reife, Skalierbarkeit sowie Kostenwirksamkeit. Insgesamt waren für diese Ausschreibungsrunde nach einem Aufruf im November vergangenen Jahres 239 Anträge eingereicht worden. Davon waren 196 förderfähig und wurden zur Bewertung zugelassen.

Zusätzlich zu den für eine Finanzierung ausgewählten 41 Projekten soll die Europäische Investitionsbank die Entwicklung von „weiteren vielversprechenden, aber nicht ausreichend ausgereiften Projekten“ unterstützen. Diese würden im vierten Quartal 2023 bekannt gegeben.

Neue Ausschreibung Ende des Jahres

Ende des Jahres wird die Kommission die nächste Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für Großprojekte im Rahmen des Innovationsfonds veröffentlichen, für die ein erhöhtes Budget von vier Milliarden Euro vorgesehen ist. Die Mittel stammen aus dem EU-ETS-CO2-Zertifikatehandel und treiben laut EU „somit unmittelbar die Dekarbonisierung an“. Die daraus resultierenden geschätzten Einnahmen lägen bei rund 40 Milliarden Euro. Der Innovationsfonds vergibt die Zuschüsse im Rahmen regelmäßiger Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen und künftig auch im Rahmen von Auktionen.

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Berlaymont-Gebäude in Brüssel, Sitz der Europäischen Kommission. © Europäische Kommission