(Stuttgart) – Im Jahr 2035 werden in Baden-Württemberg rund 550.000 Tonnen Wasserstoff mit einem Energieäquivalent von 16,6 Terawattstunden benötigt. Für die prognostizierte Nachfrage bei grünem Wasserstoff und dessen Erzeugung sei „ein signifikanter Zubau“ bei den erneuerbaren Energien erforderlich. Denn für einige Industriesegmente gebe es zurzeit keine klimaneutralen Alternativen. Dies geht aus der neuen Studie „Analyse der aktuellen Situation des H2-Bedarfs und Erzeugungspotenzials in Baden-Württemberg“ hervor.

Kosten für grünen Wasserstoff vorerst nicht konkurrenzfähig

Allerdings seien die Kosten für regenerativ mittels Elektrolyse hergestellten Wasserstoffs im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen bis etwa 2025 noch nicht konkurrenzfähig. Im günstigen Fall lägen 2035 die Produktionskosten bei 2,55 Euro pro Kilogramm (7,66 Cent pro Kilowattstunde). Werde Wasserstoff allerdings auch weiterhin nicht besteuert, könnte bereits ab 2030 die Preisparität zu besteuerten Mineralölprodukten entstehen.

Im Industrie-, Wärme- und Umwandlungssektor hingegen bleibe Wasserstoff gegenüber Erdgas vergleichsweise teuer. Werden eher pessimistische Lernkurven und hohe Stromkosten unterstellt, könnten die Produktionskosten auch 3,50 Euro pro Kilogramm (10,5 Cent pro Kilowattstunde) betragen. Aus diesem Grund empfiehlt die Studie, „schon jetzt die Rahmenbedingungen zur Nutzung von Wasserstoff in der Grundstoffchemie und der Energieversorgung zu schaffen“.

Transport ist eine Herausforderung

Neben der Herstellung der notwendigen Mengen sei auch der Transport des Wasserstoffs eine Herausforderung. Die Umwidmung des bestehenden Gasleitungsnetzes „stellt die bei Weitem kostengünstigste Option dar“, lautet eine der Schussfolgerungen der Autoren. Würde das weitverzweigte Verteilnetz der Gasversorger genutzt, ließe sich ein großer Teil der auf Wasserstoff angewiesenen industriellen Endkunden unmittelbar versorgen.

Die Umstellung sei indes zunächst nur dort möglich, „wo parallele Versorgungsstrukturen vorliegen, um die vorerst weiterhin notwendige Versorgung mit Gas sicherzustellen“. Sollte eine Umwidmung von Erdgasnetzen nicht rechtzeitig realisierbar sein, müsse über einen vollständigen Neubau von Wasserstoffleitungen nachgedacht werden. Andere Transportmöglichkeiten, etwa per Schiff, Bahn und Lkw, seien ebenfalls weiterzuentwickeln.

Erneuerbare Energien schneller ausbauen

Das selbst gesteckte Ziel, auf Landesebene bis 2040 sowie auf Bundesebene bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, führe zu einem deutlichen Anstieg des Strombedarfs, etwa für batterieelektrische Fahrzeuge oder Wärmepumpen. Bis 2035 sei ein Zuwachs von etwa 16 Prozent zu erwarten, bis 2045 seien es über 44 Prozent. Hinzu komme noch der Bedarf für die Elektrolyseure.

Daher müsse das Stromerzeugungspotenzial aus erneuerbaren Energieträgern in Baden-Württemberg als „unabdingbare Voraussetzung für eine Wasserstoffwirtschaft wesentlich schneller ausgebaut werden, als es derzeit der Fall ist“, raten die Autoren der Studie. Die Landesregierung sollte genügend Eignungsgebiete identifizieren und zur Verfügung stellen. Landesrechtliche Hürden des Ausbaus erneuerbarer Energien müssten beseitigt und die Vorgabe, auf Dachflächen Solarstrom zu erzeugen, zügig umgesetzt werden.

Bei Neubauten im Nichtwohnbereich und für neue offene Parkplätze mit mehr als 35 Stellplätzen gibt es seit Januar dieses Jahres die Pflicht, eine Photovoltaikanlage zu installieren. Seit dem 1. Mai 2022 gilt dies auch für Neubauten im Wohnbereich, ab 1. Januar 2023 ebenso bei grundlegender Dachsanierung.

Signifikanter Zubau bei Elektrolyseuren notwendig

Auf absehbare Zeit werde nur ein geringes Potenzial zur Erzeugung von grünem Wasserstoff vorhanden sein. Die bis 2035 geplante und verfügbare Elektrolyseleistung reiche „bei Weitem nicht aus, um die prognostizierte Nachfrage zu decken“. Der Betrieb von Elektrolyseuren erhöhe wiederum tendenziell den notwendigen Stromimport in das Bundesland, was aber „unter Umständen durch die Netzkapazitäten beschränkt“ werde. Zwar könnte mit den vorgesehenen Netzverstärkungsmaßnahmen Strom in signifikanter Menge importiert werden, „dies ist jedoch deutlich kostenintensiver als die Umwidmung bestehender Gasleitungen für den Wasserstofftransport“.

Derzeitige Planungen der Fernleitungsnetzbetreiber sähen ab 2035 eine Lieferung von Wasserstoff über Pipelines in Baden-Württemberg vor. Der Nordwesten ließe sich somit voraussichtlich auf diese Weise versorgen. „Dann sollten auch Erdgaskraftwerke auf Wasserstoff umgestellt werden.“

Die Vor-Ort-Erzeugung mittels Elektrolyse könne dort sinnvoll sein, wo bestimmte Branchen ohne den Einsatz von Wasserstoff nicht dekarbonisiert werden können und eine Versorgung mit Wasserstoff über Pipeline nicht möglich ist. Solle ein nennenswerter Anteil des Bedarfs durch lokale Produktion gedeckt werden, sei auch hier ein signifikanter Zubau erforderlich.

Förderung für die Industrie empfohlen

Die Autoren empfehlen, dass das Land die Rahmenbedingungen zur stofflichen Nutzung von grünem Wasserstoff sowie für dessen Einsatz in Kraftwerken unterstützt. „Für diese beiden Anwendungsformen gibt es keine Alternative zu Wasserstoff. Sie müssen daher prioritär angegangen werden.“ Auch eine Förderung solle geprüft werden, um die Mehrkosten gegenüber konventionellen Anlagen auf Landesebene aufzufangen.

Zugleich müsse die Industrie ihren Wasserstoffbedarf und die zeitliche Umsetzung der Projekte darlegen, sodass es möglich werde, den Hochlauf der Wasserstoffversorgung zu organisieren und etwaige Fördermöglichkeiten realistisch abzuschätzen.

Auftraggeber der Studie ist die Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive Baden-Württemberg, E-Mobil BW GmbH. Die Untersuchung wurde in Folge der 2020 veröffentlichten Wasserstoff-Roadmap Baden-Württembergs in Auftrag gegeben. Dazu wurde auch die Plattform „H2BW“ initiiert, welche die Umsetzung der darin genannten Maßnahmen begleiten, sie weiterentwickeln sowie Programme und Projekte planen, koordinieren und umsetzen soll.

Die Studie „Analyse der aktuellen Situation des H2-Bedarfs und Erzeugungspotenzials in Baden-Württemberg“ gibt es kostenfrei als PDF (114 Seiten).

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© Umweltministerium Baden-Württemberg

Abbildungen
Titelbilder der „Wasserstoff-Roadmap Baden-Württemberg“ (Dezember 2020) sowie der „Analyse der aktuellen Situation des H2-Bedarfs und Erzeugungspotenzials in Baden-Württemberg“ (Mai 2022) © Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg / E-Mobil BW GmbH