(Edinburgh / Großbritannien) – Die weltweit angekündigten Pläne für den Aufbau von Kapazitäten für die Produktion von Wasserstoff mit niedriger Schadstoffbilanz („low-carbon“) erreichten Ende vergangenen Jahres kumuliert 71,4 Millionen Tonnen pro Jahr (Mt/a). Allein 2022 wurden Installationen zur Wasserstoffproduktion in einer Größenordnung von rund 26 Millionen Tonnen genannt. Dies waren drei Millionen Tonnen weniger als im Vorjahr. Zu diesem Ergebnis kommt das Analystenhaus Wood Mackenzie in seinem jüngsten Report „Q4 2022 Global Hydrogen Market Tracker“.

Im vergangenen Jahr verkündeten Unternehmen Pläne zum Aufbau von Wasserstoffproduktionskapazitäten in Höhe von knapp 26 Millionen Tonnen. © Wood Mackenzie Lens Hydrogen

Demnach verlangsamte sich die Ausweitung der globalen Wasserstoffpipeline im Laufe des Jahres. Waren es im ersten Quartal 2022 noch Projekte in einer Größenordnung von zwölf Millionen Tonnen, gingen die Zahlen im vierten Quartal auf nur noch 19 neue Vorhaben in einer Größenordnung von kumuliert weniger als eine Million Tonnen zurück.

Unternehmen wollen Projektpipeline absichern

Die USA waren 2022 mit 7,17 Mt/a führend bei den Projektankündigungen. Unter dem Einfluss der Weltklimakonferenz COP27, die im vergangenen November in Sharm El-Sheikh stattfand, und mit Blick auf Exportmöglichkeiten nach Europa lag Ägypten an zweiter Stelle. Investoren kündigten für das Land ein Produktionsvolumen von 5,62 Mt/a an; 70 Prozent davon für die Herstellung von grünem Ammoniak.

Zwar sei das Jahr 2022 geprägt gewesen von der Energiekrise und einer Reihe von politischen Ankündigungen der EU, der USA und Großbritanniens zur Förderung der Wasserstoffproduktion, sagt Flor Lucia De la Cruz, Senior Research Analyst, Hydrogen and Emerging Technologies bei Wood Mackenzie. Einen Grund dafür, dass sich die Ankündigungen im Jahresverlauf verlangsamten, sei, dass „die Entwickler ihren Schwerpunkt auf die Risikominimierung bei den bestehenden Projektpipelines legten“.

Baubeginn für Elektrolyseure der Megawatt-Klasse

Gleichzeitig haben im vergangenen Jahr Unternehmen mit dem Bau von bereits zuvor angekündigten Elektrolyseuren begonnen. So hatte etwa Shell im Juli die endgültige Investitionsentscheidung zur Installation von Europas derzeit größter Anlage für grünen Wasserstoff getroffen. Standort ist die Tweede Maasvlakte im Hafen von Rotterdam. Der „Holland Hydrogen I“ genannte Elektrolyseur mit einer Leistung von 200 Megawatt soll 2025 den Betrieb aufnehmen. Den Ertrag beziffert Shell auf jährlich 60 Tonnen.

Rendering des Shell-Elektrolyseurs auf der Rotterdamer Maasvlakte. © Shell

Der Strom zur Herstellung des Energieträgers stammt dann aus dem Offshore-Windpark Hollandse Kust (Nord), der sich teilweise im Besitz des Energiekonzerns befindet. Den Angaben zufolge werde der grüne Wasserstoff über die HyTransPort-Pipeline den Shell Energy and Chemicals Park Rotterdam versorgen. In der Raffinerie ersetze das Gas einen Teil des dort verwendeten grauen Wasserstoffs und mache die Herstellung von Mineralölprodukten wie Benzin, Diesel und Paraffin „teilweise kohlenstofffrei“.

Seit 2019 verkündeten insbesondere Europa, Großbritannien, die USA und Australien den Aufbau von Fabriken für Elektrolyseure. 2022 gab es im Zuge der Weltklimakonferenz COP27 in Ägypten zahlreiche Ankündigungen für Afrika. © Wood Mackenzie „Q4 2022 Global Hydrogen Market Tracker“- Report

Konkurrent BP hatte im vergangenen Jahr für Schlagzeilen gesorgt, als der Konzern den Einstieg bei dem 70 Milliarden Dollar schweren Asian Renewable Energy Hub (AREH) in Pilbara im australischen Bundesstaat Western Australia ankündigte. Im Dezember erwarb der Konzern 40,5 Prozent an diesem Projekt und wurde größter Anteilseigner. Zu dem Konsortium gehören außerdem Intercontinental Energy (26.4 Prozent), CWP Global (17.8 Prozent) sowie die Macquarie Capital and Macquarie’s Green Investment Group (15.3 Prozent). Im Endausbau sollen dort mit einer Elektrolyseurleistung von 26 Gigawatt jährlich rund 1,6 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff oder neun Millionen Tonnen grünes Ammoniak produziert werden.

Auch in den USA wurden die ersten Megaprojekte angekündigt, darunter die „Hydrogen City“ mit einer Produktionskapazität von drei Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr. Die Southern California Gas Company, ein Versorgungsunternehmen mit Sitz in Los Angeles, Kalifornien, will mit dem „Angeles Link“ eine Elektrolyseleistung von bis zu 20 Gigawatt aufbauen. Der Strom dafür stammt aus teils zu bauenden, teils bestehenden PV- und Windparks mit einer installierten Leistung von bis zu 35 Gigawatt.

Boom bei Produktionszahlen für Elektrolyseure

Auf der anderen Seite der Wertschöpfungskette hätten die Hersteller von Elektrolyseuren neue Rekorde vermeldet, so Wood Mac. Während 2021 dieser Upstream-Sektor noch als Flaschenhals bei der Entwicklung einer weltweiten Wasserstoffwirtschaft galt, stiegen die 2022 angekündigten Kapazitäten für Elektrolyseurfabriken auf 106 Gigawatt. Davon stammen 45 Gigawatt allein aus dem vierten Quartal 2022 – eine Steigerung um 72 Prozent gegenüber dem vorangegangenen Quartal –, sicherlich nicht zuletzt getrieben vom Druck der COP27 in Ägypten, welche eine große Weltbühne für Klimavorhaben jeglicher Art bot.

Wood Mac prognostiziert, dass bis Ende dieses Jahrzehnts das Angebot an Elektrolyseurleistung die Nachfrage deutlich übersteigen könnte. © Wood Mackenzie Lens Hydrogen

Diese ließ sich auch DSE Technology aus Tübingen nicht entgehen. Das Konsortium aus 22 europäischen Technologieunternehmen verfolgt das Ziel, die „Green Hydrogen Africa Initiative“ umzusetzen, um als „weltweit führender Anbieter“ Lösungen unter anderem für Energie, Wasseraufbereitung und Elektrolyse zu schaffen.

Den Plänen zufolge sollen in Namibia in mehreren Phasen bis 2030 Elektrolyseurkapazitäten von 30 Gigawatt aufgebaut werden. Dies umfasse sowohl PEM als auch alkalische Elektrolyseure. Die Pläne seien „sehr ehrgeizig“, so die Bewertung der Analysten von Wood Mac. Doch fehlten den Analysten noch die konkreten Details, was das Projekt derzeit „zu einer höchst spekulativen Angelegenheit“ mache.

Überkapazitäten erwartet

„Vor einem Jahr sahen die Fertigungskapazitäten für Elektrolyseure wie ein Engpass aus“, sagt De la Cruz. Die Erstausrüster hätten aber so schnell reagiert, dass bis 2025 „ein erhebliches Risiko von Überkapazitäten“ bestehe, insbesondere wenn die angekündigten Projekte zur Produktion des Gases nicht vorankämen. Die Ausrüster benötigten Zeit, um Arbeitskräfte zu qualifizieren sowie Maschinen und Materialien zu beschaffen.

Wood Mackenzie mit Hauptsitz im britischen Edinburgh gehört seit Februar dieses Jahres zum US-amerikanischen Risikokapitalgeber Veritas Capital, einem 40 Milliarden Dollar schweren Vermögensverwalter und Investor in Technologiefirmen.

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Standort von Shells geplantem 200-Megawatt-Elektrolyseur auf der Maasvlakte im Hafen von Rotterdam. © Shell

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