(Berlin) – Die im Januar auf den Weg gebrachten Wasserstoff-Leitprojekte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) haben mit ihrer Arbeit begonnen. Die Förderinitiative soll die Hürden einer deutschen Wasserstoffwirtschaft aus dem Weg räumen, um großskalige Elektrolyseure in die Serienfertigung zu bekommen („H2 Giga“), die Wasserstofferzeugung auf See zu erforschen („H2 Mare“) und Transporttechnologien für Wasserstoff zu etablieren („TransHyDE“).

„H2 Giga“ – Elektrolyseure in der Serienfertigung

Das Projekt „H2 Giga“ will die serienmäßige und kostengünstige Produktion von Elektrolyseuren voranbringen. Im Vordergrund stehen drei Technologien: die PEM-Elektrolyse (PEM, Proton Exchange Membrane), die alkalische Elektrolyse (AEL) und die Hochtemperaturelektrolyse (HTEL). Heute sei die Herstellung von Elektrolyseuren meist Handarbeit, so der Projektträger Jülich. Die Scale-up-Projekte sollen das ändern. „Die Herausforderungen reichen dabei von den verwendeten Materialien über die Hochskalierung bis zu Technologien für die Fertigung.“ Industrie und Forschung arbeiteten gemeinsam daran, eine automatisierte Produktion von Elektrolyseuren im Gigawatt-Maßstab zu umzusetzen.

Innerhalb der Technologieplattform ist unter anderem das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) an zwei Verbundprojekten beteiligt. Im Rahmen von „HTEL-Stacks – Ready for Gigawatt“ wollen die Beteiligten Zellstapel für die Hochtemperaturelektrolyse und dazugehörige Produktionsprozesse und -anlagen entwickeln, so das Institut. Damit könnten Wirkungsgrade von bis zu 100 Prozent erreicht werden, aktuelle Systeme erreichen bereits über 80 Prozent, sagt André Weber vom Institut für Angewandte Materialien – Elektrochemische Technologien (IAM-ET) des KIT. Dieses Projekt wird von der Sunfire GmbH koordiniert.

Der zweite Verbund „Stack Scale-up – Industrialisierung PEM Elektrolyse“ entwickelt neue Stack-Technologien und großserientaugliche Produktionsverfahren für die Niedertemperaturelektrolyse. Diese PEM-Zellen zeichneten sich laut KIT durch niedrige Betriebstemperaturen und eine hohe Leistungsdichte aus. Der Verbund wird von der Schaeffler AG koordiniert. Neben dem IAM-ET sind seitens des KIT das Laboratorium für Elektronenmikroskopie (LEM) und das Institut für Strömungsmechanik (ISTM) an den Projekten beteiligt.

Seitens der Industrie sind unter anderem Siemens Energy, Linde, MAN Energy Solutions, Thyssenkrupp, Enapter, Schaeffler und Sunfire in Boot. Die DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. koordiniert eigenen Angaben zufolge den Austausch der Partner aus Wissenschaft und Industrie. Als Kickoff-Veranstaltung für H2Giga werden Projektpartner aus Industrie und Forschung am 26.8.2021 von 10.00 bis 13.00 Uhr in moderierten Podiumsgesprächen ihr Vorhaben vorstellen. Der Livestream ist ohne Anmeldung abrufbar unter „https://www.wasserstoff-leitprojekte.de/h2giga-start“.

„H2Mare“ – Wasserstoff offshore produzieren

Ein Teil des Grünen Wasserstoffs könnte in Zukunft direkt in Offshore-Windenergieanlagen hergestellt werden, heißt es beim BMBF. Mit der Kopplung von Windrad und Elektrolyseur möchte das Leitprojekt „H2Mare“ Wasserstoff-Produktionskosten reduzieren und das lokale Stromnetz entlasten.

Dazu werde nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme IWES die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet: von der Windenergiegewinnung und Wasserstofferzeugung über die Wandlung von Wasserstoff in Methan, flüssige Kohlenwasserstoffe, Methanol oder Ammoniak bis zum Verbrauch durch die Industrie oder Energiewirtschaft. Somit seien „verschiedene industrielle Anschlussverwertungen und Speicheroptionen möglich“. Ein signifikanter Kostenvorteil bei der Herstellung großvolumiger Wasserstoffmengen ist das Ziel. Innerhalb von vier Jahren will H2Mare – bestehend aus vier Verbundprojekten mit insgesamt 35 Partnern – den Grundstein für eine Technologieführerschaft legen. Die vier H2Mare-Projekte werden unabhängig voneinander vorangetrieben: „OffgridWind“ verfolgt die Umsetzung eines Anlagenkonzeptes, das die Elektrolyse direkt in die Offshore-Windenergieanlage einbindet und dabei auf einen hohen Wirkungsgrad abzielt. „H2Wind“ beinhaltet die Entwicklung einer an die Offshore-Umgebung optimal angepasste und auf die Windenergieanlage abgestimmte PEM-Elektrolyse.

Neben der Langlebigkeit der Anlagen und der Herausforderung der Meerwasseraufbereitung sei die maximale Ausbeute der Windenergie ein Ziel des Projektes. „PtX“-Wind untersucht die Wandlung von Wasserstoff in leichter transportierbare, synthetische Energieträger und Kraftstoffe wie Methanol und Ammoniak. Auch eine Salzwasserelektrolyse werde erprobt. „TransferWind“ schließlich übernimmt den Wissenstransfer in die Öffentlichkeit und an den projektübergreifenden Fachaustausch.

Auch das KIT ist beteiligt. Eigenen Angaben zufolge soll unter anderem die transportable, container-basierte Forschungsplattform eXPlore, die das KIT gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt hat, „einen ersten realitätsnahen Versuchsbetrieb einer vollständigen Power-to-X-Prozesskette in maritimer Umgebung ermöglichen“.

Siemens Energy verantwortet die übergreifende Koordination von H2Mare mit Unterstützung von Instituten der Fraunhofer Gesellschaft. Das Fraunhofer IWES ist Projektpartner in den Verbundprojekten OffgridWind und H2Wind, und assoziierter Partner in TransferWind. Das KIT ist mit dem Institut für Mikroverfahrenstechnik (IMVT), das mit „PtX-Wind“ auch eines der vier Verbundprojekte koordiniert, und dem Engler-Bunte-Institut (EBI) an H2Mare beteiligt.

„TransHyDE“ – Wasserstoff effizient transportieren

Das Leitprojekt „TransHyDE“ entwickelt und bewertet in vier Demonstrationsprojekten verschiedene Transporttechnologien für Wasserstoff: in Hochdruckbehältern (Insel Rügen, Mukran Port), in flüssiger Form, in Gasleitungen (Versuchspipeline „Get H2“) sowie gebunden in Ammoniak (Projekt „Campfire“) oder dem Trägermedium LOHC (liquid organic hydrogen carriers), was im Rahmen einer Wasserstoff-Logistikkette im Projekt Helgoland getestet wird.

Das KIT ist unter anderem mit dem Institut für Technische Physik (ITEP), welches das Verbundprojekt „AppLHy!“ zum Flüssigwasserstofftransport innerhalb von TransHyDE koordiniert, sowie mit dem Institut für Angewandte Materialien – Werkstoffkunde (IAM-WK), dem Institut für Thermische Energietechnik und Sicherheit (ITES) und dem Elektrotechnischen Institut (ETI) beteiligt, heißt es in einer Mitteilung. In den Anlagen des KIT könnten die Wissenschaftler „die gesamte Kette von der Wasserstoffverflüssigung über die energietechnischen Anwendungen der Elektrotechnik bis hin zu Brennstoffzellenheizungen erforschen und umsetzen“.

Die vom BMBF geförderten Wasserstoff-Leitprojekte sind das Ergebnis eines Ideenwettbewerbs: Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft waren eingeladen, Ideen zu Großprojekten einzureichen. Über 240 Interessenten haben sich zusammengefunden und sollen mit insgesamt etwa 740 Millionen Euro gefördert werden. Die Leitprojekte enden im März 2025. Sie sind grundsätzlich offen für neue Partner, heißt es beim Projektträger Jülich. Interessenten müssten inhaltlich zum jeweiligen Projekt beitragen können (Kontakt: ptj-egf-h2@fz-juelich.de).

Deep Link
https://www.wasserstoff-leitprojekte.de

https://www.wasserstoff-leitprojekte.de
https://idw-online.de/de/news774390
https://idw-online.de/de/news774549
https://www.kit.edu/kit/pi_2021_078_wasserstofftechnologien-kit-forscht-in-allen-drei-leitprojekten-des-bundes.php
https://www.iwes.fraunhofer.de/de/presse_medien/windenergieanlagen-mit-integriertem-elektrolyseur-demonstrieren.html

Grafiken
Die Wasserstoff-Leitprojekte befassen sich mit der Erzeugung und dem Transport von Grünem Wasserstoff, an Land und auf See. © Projektträger Jülich im Auftrag des BMBF