Berlin – Die Stadt Berlin hat insbesondere in den Sektoren Wärmeversorgung und Verkehr große Möglichkeiten, durch den Einsatz von Wasserstoff die Emissionen zu senken. Die Potenziale blieben bislang jedoch weitestgehend ungenutzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag der unternehmensübergreifenden Initiative „H2Berlin“.

Eine Befragung von 21 Unternehmen habe gezeigt, dass aufgrund geplanter Vorhaben bis 2025 rund 37 Tonnen Wasserstoff genutzt würden. So setze sich das Energieunternehmen GASAG AG für eine Beimischung von Wasserstoff im Erdgasnetz ein und prüfe, ob die Verwendung des Gasspeichers Grunewald für die Speicherung von Wasserstoff geeignet sei. Vattenfall möchte die Fernwärmeerzeugung unter anderem durch den Einsatz von Wasserstoff dekarbonisieren und beabsichtige, als ersten Schritt die Beimischung von Wasserstoff im Heizkraftwerk Marzahn. Die Berliner Wasserbetriebe wollen zusammen mit Graforce ein neues innovatives Verfahren zur Wasserstoffherstellung aus Abwasser implementieren und das entstehende Gas für ihre Nutzfahrzeuge verwenden. Die Toyota Kreditbank plane für das Quartier Neulichterfelde ein ganzheitliches Mobilitätskonzept, für welches unter anderem die Nutzung von Wasserstoff vorsehe.

Auch öffentliche Betriebe wie die Berliner Stadtreinigung, die Feuerwehr und die Polizei sähen großes Potenzial etwa in der Anwendung von Wasserstofffahrzeugen. Die Berliner Verkehrsbetriebe prüften den Einsatz von wasserstoffbetriebenen Bussen mit dem Ziel einer emissionsfreien Busflotte bis 2030. Zudem sei der Einsatz eines batterie- und wasserstoffbetriebenen Schubschiffes geplant. Diese und weitere Vorhaben, unter anderem die Umstellung von Nutzfahrzeugen der Berliner Stadtreinigung sowie der Einsatzfahrzeugflotte der Berliner Feuerwehr, erforderten bis 2030 etwa 6.500 Tonnen Wasserstoff.

Demgegenüber steht allerdings eine Modellrechnung des Forschungszentrums Jülich. Das Institut ermittelte, dass bis 2025 rund 9.000 Tonnen grüner Wasserstoff eingesetzt werden müssten, um kosteneffizient die Energiewende hin zur Klimaneutralität zu vollziehen. Zur Erzeugung dieser Menge wäre eine Elektrolyseleistung von 170 Megawatt notwendig. Für das Jahr 2030 bestehe für die Energiewende demnach schon ein Bedarf von 24.000 Tonnen.

Im Jahr 2017 beliefen sich die Berliner Emissionen auf rund 19 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Der größte Verursacher ist die Strom- und Wärmeversorgung von Haushalten, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (64 Prozent), gefolgt vom Verkehrssektor (29 Prozent) und dem Industriesektor (sechs Prozent). Berlin will bis 2050 klimaneutral sein.

Die Rolle von Wasserstoffanwendungen in Berlin müsse daher umgehend geklärt werden, so die Analyse „Wasserstoffpotenzial in Berlin 2025“. Obwohl in der Machbarkeitsstudie „Klimaneutrales Berlin 2050“ der Bedarf von grünem Wasserstoff auf etwa 52.500 Tonnen im Jahr 2050 beziffert werde, existiere noch keine Analyse der Entwicklung des kurz- und mittelfristigen Wasserstoffbedarfs des Stadtstaates als Grundlage für weitergehende Planungen und Strategien.

Die H2-Berlin-Studie empfiehlt, im Rahmen einer Roadmap zu ermitteln, welche Rolle Wasserstoff in der urbanen Energiewende spielen kann. Aufgrund des hohen Bestandes an schlecht gedämmten Altbauten mit einhergehendem hohem Wärmebedarf sollte Wasserstoff auch in die Wärmeversorgung integriert werden. Überdies sei zu prüfen, ob Wasserstofffahrzeuge batterieelektrische Fahrzeuge dort ergänzen könnten, wo eine besondere Leistungsfähigkeit erforderlich sei. Außerdem müssten Kleininitiativen zu einem großen unternehmens- und sektorübergreifenden Leuchtturmprojekt zum koordinierten Markthochlauf geeigneter Wasserstoffanwendungen in der Hauptstadt zusammengeführt werden. Für die Umrüstung von Fahrzeugflotten und Blockheizkraftwerken seien Konzepte zu entwickeln. Konkret könnte nach Schweizer Vorbild eine City- Maut für Schwerlastfahrzeuge die Nutzung von H2-Lkw finanziell attraktiv machen. Genauso würde eine Umweltabgabe auf Stromgeneratoren für Baustellen und Veranstaltungen die Substitution von Dieselaggregaten vorantreiben.

Die Initiative H2Berlin ist ein Zusammenschluss von Ver- und Entsorgungsbetrieben sowie der Automobilwirtschaft, um eigenen Angaben zufolge „den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zur Reduktion des Verbrauchs fossiler Brennstoffe und Einhaltung der Klimaziele in der Hauptstadt fördern“. Beteiligt sind die GASAG, die Berliner Wasserbetriebe, Vattenfall, die Berliner Stadtwerke und die Stadtreinigung, Stromnetz Berlin, Sustainable Hydrogen und Toyota. Die Initiative wird von InfraLab Berlin, der bundeseigenen NOW GmbH, HyCologne, dem Deutschen Wasserstoff und Brennstoffzellen Verband und Berlin Partner mitgetragen. Die Studienerstellung wurde von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe unterstützt.

Die Initiatoren wollen nunmehr einen Verein zur Förderung der Wasserstoffwirtschaft in Berlin gründen. Daneben soll ein erstes Leuchtturmprojekt konzipiert werden, welches die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft in der Hauptstadt gemäß der europäischen und nationalen Wasserstoffstrategie unterstützt.

Die 52-seitige Studie „Wasserstoffpotenzial in Berlin 2025“ wurde im Auftrag von H2Berlin durch die Beratungsgesellschaften Umlaut Energy GmbH und ETC Energy Transition Consulting GmbH erstellt. Der Download ist kostenfrei (siehe Link).

Deep Link
https://www.now-gmbh.de/de/aktuelles/presse/wasserstoff-roadmap-fuer-berlin
https://www.bwb.de/de/24965.php
https://www.bwb.de/de/assets/downloads/wasserstoffpotenzial-in-berlin.pdf

Foto
Studie „Wasserstoffpotenzial in Berlin 2025“ / © H2 Berlin