(Mainz / Deutschland) – Die Mainzer Schott AG hat in einem großtechnischen Versuch erstmals optisches Glas mit Hilfe von Wasserstoff geschmolzen. „Der Test mit 100 Prozent Wasserstoff im Bereich Advanced Optics ist Pionierarbeit für die Spezialglasindustrie“, sagt Projektleiterin Lenka Deneke.

Wenn die Tests ergäben, dass die Qualität stimme und die Glaseigenschaften unverändert bleiben, wäre Wasserstoff für Schott eine geeignete Technologieoption. © Schott AG

Nunmehr werde die Qualität des Glases analysiert. Wenn die Tests ergäben, dass diese stimme „und die Glaseigenschaften unverändert bleiben, wäre Wasserstoff tatsächlich eine geeignete Technologieoption“. Bislang führe Schott seine Versuche mit grauem Wasserstoff durch, denn grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien stehe noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Bereits im vergangenen Frühjahr hatte Schott die Glasherstellung mit 100 Prozent Wasserstoff im Labormaßstab getestet. Die dabei gesammelten Erfahrungen mit anfangs bis zu 35 Volumenprozent Wasserstoff habe bei dem diesjährigen Vorhaben „sehr geholfen“, betont die Versuchsleiterin.

Auswirkungen von Wasserstoff auf Glasqualität

Allerdings gebe es noch viele offene Fragen für die Forschung, etwa wie sich Wasserstoff auf die komplexen Schmelzprozesse und die Qualität der unterschiedlichen Produkte auswirke. Auch das Problem der infrastrukturellen Anpassung müsse gelöst werden, um Erdgas durch Wasserstoff zu ersetzen.

Kontrolle eines Glasbarrens: Bei dem großtechnischen Versuch wird die Qualität des Glases analysiert. © Schott AG

Der Konzern fertigt nach eigenen Angaben über 100 optische Glastypen für unterschiedliche Anwendungsgebiete, wie beispielsweise Konsumgüter und Messtechnik, aber auch optische Systeme in Forschung und Entwicklung. Die Herausforderung sei, „dass die Gläser höchste Homogenitäts- und Transmissionseigenschaften aufweisen müssen“. Dies gelte auch für das aktuell geschmolzene Glas. Erfülle es die Produktansprüche, gehe es an die Kunden. „Wir hätten dann die Bestätigung, dass der Einsatz von 100 Prozent Wasserstoff statt fossiler Energie unter industriellen Bedingungen die gleiche Qualität liefert“, so Deneke. Für eine dauerhafte Umstellung bräuchte es dann weitere Langzeittests, sowie eine kontinuierliche Versorgung über eine Wasserstoffpipeline. Erst dann hätte der Konzern „einen weiteren wichtigen Schritt zu seinem strategischen Ziel einer klimaneutralen Glasproduktion bis 2030“ vollzogen. Die Umstellung auf 100 Prozent Grünstrom habe Schott bereits erreicht, die Energieeffizienz werde kontinuierlich und systematisch gesteigert.

Tests schon seit einigen Jahren

Bereits in den vergangenen Jahren hatte Schott die Glasherstellung mit 100 Prozent Wasserstoff im Labormaßstab getestet. So wurde 2021acht Wochen lang das Erschmelzen von drei verschiedenen Gläsern mittels Wasserstoff geprobt. Ergebnis: Bei der Befeuerung mit Wasserstoff und Sauerstoff konnte eine ähnliche Brennerleistung mit ähnlichen Temperaturen erreicht werden wie beim herkömmlichen Verfahren mit Erdgas und Sauerstoff. Auch die Qualität des Glases ähnelte derjenigen des herkömmlichen Glases. Dass dies so funktioniert, war nicht von vorn herein klar. Denn Erdgas lasse sich nicht einfach gegen Wasserstoff tauschen. Beide Gase verbrennen mit unterschiedlichen Reaktionen.

Im darauffolgenden Jahr startete Schott gemeinsam mit der Mainzer Stadtwerke AG ein Pilotprojekt, um den großtechnischen Einsatz von Wasserstoff in der Glasproduktion zu testen. Der größte Anteil des hohen Energiebedarfs und der CO2-Emissionen bei Schott entstehe beim Schmelzprozess. Um Spezialgläser für Impfstofffläschchen, Handyschutzglas oder Mikrochips herzustellen, seien Temperaturen bis zu 1.700 Grad Celsius erforderlich.

Erdgas ersetzen

Beim Technologiewandel gehe es vor allem darum, Erdgas für den Betrieb der Schmelzwannen zu ersetzen. Entweder durch eine Elektrifizierung mit Grünstrom oder zukünftig dann mit grünem Wasserstoff. Allerdings sei der mit erneuerbaren Energien erzeugte Wasserstoff derzeit noch Mangelware. „Wir haben uns bewusst für den Einsatz entschieden, um beim Testen der technischen Machbarkeit keine Zeit zu verlieren“, sagt der Schott-Vorstandsvorsitzende Frank Heinricht. „Für unsere Versuche ist das ausreichend, aber für den Klimaschutz brauchen wir dringend grüne Energie.“

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Schott hat erstmals ein optisches Glas mit 100 Prozent Wasserstoff hergestellt: Blick in die Schmelzwanne mit bis zu 1.700 Grad heißem flüssigem Glas. Optisches Glas dient zur Fertigung von Bauteilen für kommerzielle, industrielle und wissenschaftliche Anwendungen, etwa Mikroskopie, Fotografie oder Astronomie. © Schott AG