(Salzgitter / Deutschland) – Die Salzgitter AG hat den Grundstein für „eine der europaweit größten Produktionsanlagen“ für grünen Wasserstoff gelegt. Die Lieferung und Installation der Elektrolyse mit 100 Megawatt Leistung obliegt dem österreichischen Maschinen- und Anlagenbauer Andritz AG. Zum Einsatz komme die Druck-Alkali-Technologie des norwegischen Herstellers Hydrogen Pro ASA, an dem Andritz seit April 2024 einen Anteil von 13,8 Prozent hält. Ab 2026 soll die bereits im September 2023 bestellte Anlage jährlich rund 9.000 Tonnen des Energieträgers erzeugen.

Bei der Grundsteinlegung (v.l.): Andrea Prevedello (Global Director Project Management Green Hydrogen, Andritz), Walther Hartl (Projektleiter Elektrolyse, Andritz), Sami Pelkonen (Executive Vice President Green Hydrogen, Andritz), Gerd Baresch (Geschäftsführer Technik SZFG), Thorsten Hinrichs (Bereichsleiter Medienbetriebe SZFG) © Salzgitter AG
Der Wasserstoff wird für das Programm „Salcos – Salzgitter Low CO2 Steelmaking“ benötigt und in der im Bau befindlichen Direktreduktionsanlage in Salzgitter (Niedersachsen) zur Herstellung von nahezu CO2-neutralem Rohstahl eingesetzt. Anfang 2023 gab es für das Vorhaben Fördermittel als „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) in Höhe von knapp einer Milliarde Euro. Davon stammen rund 700 Millionen Euro vom Bund, 300 Millionen sind Landesmittel. Der Konzern investiert eine weitere Milliarde.
Die Grundsteinlegung sei „ein weiterer großer Schritt innerhalb unseres Salcos-Programms“, sagt Gerd Baresch, Geschäftsführung Technik der Salzgitter Flachstahl GmbH (SZFG). Nun sei auch „die Politik gefordert, geeignete Rahmenbedingungen für die grüne Produktion zu schaffen“. Baresch fordert insbesondere „wettbewerbsfähige Netzkosten und einen engagierten Aufbau der Wasserstoffwirtschaft“.
Grüner Wasserstoff auch aus Wilhelmshaven
Im April 2024 hatten die Salzgitter AG und die Uniper SE einen Vorvertrag über die Lieferung und Abnahme von jährlich 20.000 Tonnen grünen Wasserstoff unterzeichnet. Dieser soll in einer geplanten 200 Megawatt leistenden Elektrolyse auf dem Gelände des ehemaligen Steinkohlekraftwerks in Wilhelmshaven produziert werde. In Abhängigkeit von der Verfügbarkeit des deutschen H2-Kernnetzes und einer Pipeline könnte Uniper frühestens ab 2028 zertifizierten grünen Wasserstoffs liefern. Der Gesamtbedarf allein für die erste Salcos-Ausbaustufe liege bei 150.000 Tonnen jährlich.
Salcos wird schrittweise aufgebaut. Zur Elektrolyse und Direktreduktionsanlage kommt ein Elektrolichtbogenofen (ebenfalls bereits im Bau). Die ersten Produkte aus der neuen Route will die Salzgitter Flachstahl GmbH 2026 auf den Markt bringen. Im Jahr 2033 soll die Umstellung auf eine nahezu CO2-freie Stahlproduktion abgeschlossen sein.
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Rendering der sich im Bau befindenden Salcos-Anlagen im Stahlwerk Salzgitter. © Salzgitter AG
Die im Artikel genannten Daten werfen einige Fragen auf.
1.) Wenn die 100 MW-Elektrolyse vor Ort 9.000 t H2 pro Jahr produzieren soll, heißt dies, daß die Elektrolyse mit 4.500 bis 4.700 h pro Jahr ausgelastet sein soll (Produktion etwa 1,9 bis 2 t H2/h bei einer 100 MW-Elektrolyse). Mit onshore-Windkraftanlagen (auch großen) ist dies nicht zu schaffen (Grünstrom). Also Offshore-WKA + ggf. weiterer Zukauf an Grünstrom. Woher ?
2.) Die genannten 9.000 t H2/a machen für die erste (!) Ausbaustufe gerade einmal 6 % der benötigten Menge (150.000 t H2/a) aus. Wie soll die Lücke gefüllt werden (wenn 2026, also vor der Belieferung von Uniper) der erste grüne Stahl ausgeliefert werden soll ?
3.) Selbst wenn Uniper ab ca. 2028 dann 20.000 t H2/a liefert (mal sehen, ob das gelingt), wären dies gerade einmal 13,3 % der benötigten Menge. Und zwar nur für die ERSTE Stufe des Ausbaus.
Da klaffen doch riesige Lücken in der Belieferung mit grünem H2, ganz abgesehen von den Kosten.
Warum wird so etwas vorangetrieben, wo doch absehbar die Herstellung von grünem Stahl immer erheblich teurer sein wird als in Regionen mit günstigem Solarstrom / Windstrom ? In den UAE sowie z.B. auch im Oman entstehen gerade Werke für die Produktion von grünem Stahl. Will man sich durch Importzölle schützen ? Würde auf Dauer nicht gelingen und auch zum Schaden der deutschen bzw. europäischen (Stahl-) Industrie sein. Also, wo ist der „Masterplan“ / Business Case, der diesen Weg rechtfertigt / plausibilisiert ?
Wir haben die Fragen an die Salzgitter AG weitergeleitet. d.Red.
Die Salzgitter AG antwortet wie folgt:
Zu 1.)
„Um die Elektrolyse und weitere Aggregate der Stahlerzeugung zunehmend klimafreundlich zu betreiben, sichern wir uns im großen Stil PPAs (Power Purchase Agreements / Strombezugsverträge, d.Red.). Laut einer Auswertung von Pexapark liegen wir aktuell auf Platz 6 der PPA-Abschließer:
https://www.linkedin.com/posts/ralph-schaper-a1383014a_pexapark-salzgitterag-hierpassierts-activity-7293176774169890818-YWk-?utm_source=share&utm_medium=member_desktop&rcm=ACoAAFETqRUBzOgyjlPnJGDuZnQ8ECjaITPohN4
Die PPAs decken verschiedene erneuerbare Energiearten ab, um die größtmögliche Verfügbarkeit zu gewährleisten.“
Zu 2.)
„Wasserstoff wird Kohlenstoff als Reduktionsmittel ablösen. Die derzeit genutzte Kohle wird zu 100% extern bezogen. So wird es mit dem Großteil des benötigten Wasserstoffs ebenfalls sein. Dazu setzen wir auf das sich gerade im Aufbau befindende Wasserstoff-Kernnetz und eine aktuell laufende Ausschreibung für bis zu 150.000 t Wasserstoff. Da das Kernnetz erst Ende der 2020er Jahre in Salzgitter zur Verfügung stehen wird, haben wir uns für den Bau der Elektrolyse entschieden, um von Anfang an mit einer Mischung aus Wasserstoff und Erdgas produzieren zu können. Die Scope 1+2 Emissionen der Metallurgie werden bereits damit um über 60% gesenkt.“
Zu 3.)
(vgl. Antwort zu Frage 2)
„Zu dieser Grundsatzkritik vielleicht noch Folgendes: Die EU will 2050 klimaneutral sein, Deutschland bereits 2045. In einer klimaneutralen Region ist die hochofenbasierte Stahlherstellung nicht vorstellbar. Will man den Stahlstandort Salzgitter erhalten, und das wollen wir unbedingt, führt an einer Transformation kein Weg vorbei. Dass es Regionen auf der Welt gibt, in denen erneuerbarer Strom günstiger produziert werden kann als in Deutschland ist unbestritten. Ob daraus direkt folgt, dass auch die Stahlproduktion insbesondere für den deutschen und europäischen Markt mit seinen sehr hohen Anforderungen an gemeinsame Entwicklungen mit den regional ansässigen Stahlkunden dort erfolgreicher sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Die Salzgitter AG stellt sich gern dem fairen Wettbewerb mit internationalen Herstellern von grünem Stahl, dies ist aus Klimaschutzsicht genau das, was erreicht werden muss: eine möglichst breit getragene Transformation der Industrie. Wichtig dabei ist aber, dass die EU einen wirksamen Carbon Leakage Schutz aufrechterhält. Dies wird mit dem sogenannten Carbon Border Adjustment Mechanism gelöst.“