(Lingen) – Die Essener RWE AG will am Standort Lingen grünen Wasserstoff erzeugen. Eine 14 Megawatt leistende Pilotanlage soll unter industriellen Bedingungen zwei Elektrolysetechnologien erproben: Der Dresdner Hersteller Sunfire GmbH wurde demnach mit der Installation eines Druck-Alkali-Elektrolyseurs mit einer Leistung von zehn Megawatt beauftragt. Der britische Hersteller von Industriegasen Linde plc liefert parallel einen Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyseur (PEM) mit einer Leistung von vier Megawatt.
Der Genehmigungsantrag für die Pilotanlage sei eingereicht. Grünes Licht von den Behörden vorausgesetzt, sollen die Bauarbeiten im Juni anlaufen. Der Energiekonzern will ab Frühjahr 2023 mithilfe von Ökostrom pro Stunde bis zu 290 Kilogramm grünen Wasserstoff erzeugen. Der Versuchsbetrieb sei zunächst auf drei Jahre ausgelegt, es gebe die Option auf ein weiteres Jahr.
Wasserstoff für Fernleitungsnetz
Der dabei erzeugte Wasserstoff soll zum einen in ein Fernleitungsnetz eingespeist werden. Ein Konsortium aus Industrie und Wissenschaft hatte Anfang dieses Jahres das Verbundprojekt „GET H2“ gestartet. Damit will man mittels einer Testpipeline „wichtige Erkenntnisse zum Transport und zur Speicherung von Wasserstoff“ sammeln.
Im ersten Schritt verbinden die Unternehmen die Produktionsstätte von grünem Wasserstoff in Niedersachsen mit industriellen Abnehmern in Nordrhein-Westfalen. Geplant ist ein rund 130 Kilometer langes Leitungsnetz von Lingen im Emsland bis Gelsenkirchen.
Anschließend soll im Projekt „Green Octopus“ eine Verbindung zu den Niederlanden, Belgien und Frankreich hergestellt sowie später mit Salcos in Salzgitter verwoben werden. Das Vorhaben ist Teil von „TransHyDE“ und wird vom Bundesforschungsministerium mit 11,6 Millionen Euro unterstützt.
Beimischung in Gasturbine
Zum anderen soll der Energieträger dem Brennstoff des Kraftwerkes Emsland beigemischt werden. Im Dezember teilte der Konzern mit, dass die RWE Generation SE und der japanische Turbinenhersteller Kawasaki Heavy Industries bis 2024 in Lingen den Bau einer wasserstofffähigen Gasturbine planen. Damit solle die Rückverstromung von Wasserstoff erprobt werden.
Während der Pilotphase teste man die Turbine in Betriebslastbereichen zwischen 30 und 100 Prozent. „Das entspricht Lastverläufen von Gasturbinen, wie sie in einem Stromnetz mit hohem Anteil an wetterbedingt schwankenden erneuerbaren Energien zu erwarten sind“, hieß es in einer Mitteilung.
Fördermittel von Niedersachsen
Das Land Niedersachsen hat eine Förderung des Lingener Vorhabens in Höhe von acht Millionen Euro zugesagt. Den Bescheid übergab Olaf Lies, Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, jetzt an die für Wasserstoff verantwortliche RWE-Vorständin Sopna Sury. Diese erklärte, RWE beabsichtige 30 Millionen Euro in den Bau der Test-Elektrolyse auf dem Gelände ihres Gaskraftwerks Emsland zu investieren.
Bis 2030 werde RWE eine Elektrolysekapazität von zwei Gigawatt schaffen, um damit grünen Wasserstoff zu erzeugen, sagte Sopna Sury. „Die Investitionsentscheidung für eine Versuchsanlage hier in Lingen ist richtungsweisend für uns.“
Wasserstoffspeicher in Gronau
Ende April hatte die RWE Gas Storage West GmbH das formelle Genehmigungsverfahren für den Bau eines Wasserstoffspeichers im nordrhein-westfälischen Gronau ankündigt, kaum eine Autostunde von Lingen entfernt. Dazu solle der Erdgas-Kavernenspeicher am Kottiger Hook bis Ende 2026 erweitert werden. Der Wasserstoffspeicher werde größtenteils auf dem bestehenden RWE-Betriebsgelände entstehen. Eine Veranstaltung in Gronau-Epe soll am 9. Juni Öffentlichkeit und Anwohner informieren.
Für den Speicherbau hat RWE Fördermittel im Rahmen des „IPCEI-Wasserstoff“ (Important Projects of Common European Interest) beantragt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und das Land NRW haben bereits Vorhaben ausgewählt, für die im Fall einer positiven Entscheidung auf europäischer Ebene nationale Fördergelder bereitgestellt werden sollen; der Wasserstoffspeicher von RWE sei Bestandteil dieser Liste. Eine Förderzusage und damit die finale Investitionsentscheidung steht nach Konzernangaben noch aus.
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RWE-Kraftwerksstandort Lingen im Emsland. © RWE
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Skizze der geplanten Pilotanlage in Lingen. © RWE
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Skizze des Standortes für die Wasserstoffkaverne in Gronau. © RWE