(West Sussex / Großbritannien) – Das britische Unternehmen Ricardo plc, Berater in Sachen Umweltfragen und Technologien, wird künftig mit dem Konsortium „Sustainable Hydrogen powered Shipping“ (SHYPS) zusammenarbeiten, um emissionsfreie Brennstoffzellen-Antriebstechnologien für Passagierschiffe zu entwickeln. An dem von der EU mitfinanzierten Projekt sind 13 Partner in sechs europäischen Ländern beteiligt.

Ein Konsortium von 13 Unternehmen will bis 2027 das Konzept für ein mit grünem Wasserstoff betriebenes Passagierschiff entwickeln. Basis sind genormte Wasserstoffcontainer: Leere Tanks werden im Hafen mit bordeigenen Ladekränen gegen volle ausgetauscht. © SHYPS

Wasserstoff sei „eine der wenigen vielversprechenden emissionsfreien Lösungen“, so SHYPS, aber die für den Einsatz an Bord erforderliche Technologie sei „noch nicht vollständig ausgereift“. Um diese Lücke zu schließen, setzt das Konsortium auf die Entwicklung eines austauschbaren Speichersystems für flüssigen Wasserstoff, basierend auf genormten 7,45 Metern langen Containern (Typ C). Die Unternehmen stehen dabei allerdings vor mehreren Herausforderungen:

  • Versorgung: Es gibt demnach nur wenige Firmen, die Tanks vom Typ C herstellen, die für den Transport von Wasserstoff geeignet seien. Daher werde die Behältertechnologie für die Verwendung von Kraftstoffen verbessert. Dazu gehöre auch die Möglichkeit zur Umwandlung des gespeicherten flüssigen Wasserstoffs in Gas. SHYPS wolle C-Container als Wasserstoffspeicher entwickeln, die durch bordeigene Anlagen be- und entladen werden. Außerdem werde ein Logistiknetzes für die Belieferung von Schiffen mit grünem Flüssigwasserstoff entworfen, das auf dem Austausch von vorgefüllten Containern basiere. Hinzu komme die Detailplanung eines modularen containerisierten Antriebsstrangs auf der Grundlage optimierter PEM-Brennstoffzellen.
  • Vorschriften: Für die Verwendung von Wasserstoff als Schiffskraftstoff gibt es noch keine spezifischen Vorschriften und Regelungen. Akzeptiert würden allenfalls Pilotprojekte für „unkonventionelle“ Schiffe. SHYPS wolle unter anderem die Zertifizierung der Speicherkomponenten in Angriff nehmen.
  • Demonstrationsobjekt: Im Rahmen des Projekts wird die Speichertechnologie in den Neubau eines Fjord-Kreuzfahrtschiffes des Konsortialpartners Viking Group implementiert. Außerdem werde ein Konzept für die Ausweitung auf Frachtschiffe im Hinblick auf neue Demonstrationsschiffe bis 2027 erstellt. Mit der Integration des Flüssigwasserstoff-Speichersystems in die Gesamtkonstruktion eines 6-Megawatt-Antriebsstrangs auf PEM-Brennstoffzellenbasis werde SHYPS dazu beitragen, die Megawattgrenze im maritimen Sektor zu erreichen.

Im Oktober 2022 eröffnete Ricardo seine Wasserstoff-Testanlage an seinem Hauptsitz in Shoreham-by-Sea an der Südküste Englands. Hier soll einst das erste im Rahmen der SHYPS-Konsortiums entwickelte Wasserstoffmodul für Schiffsantriebe erprobt werden. © Ricardo plc

Ricardo wird mit der Klassifizierungsgesellschaft und Konsortiumsmitglied Lloyd’s Register zusammenarbeiten. Ziel ist die Spezifikation, der Entwurf, Bau und Test eines 375-Kilowatt-Brennstoffzellenmoduls sowie der Entwurf eines Containerkraftwerks mit mehreren Megawatt Leistung, das für die Installation an Bord von Passagierschiffen vorgesehen ist. Die Erprobung des ersten Moduls finde in der neuen Wasserstoffentwicklungs- und Testanlage im „Shoreham Technical Centre“ von Ricardo statt. Dessen Aufbau hatte Ricardo im Januar 2021 mit ersten Investition in Höhe von 2,5 Millionen britischen Pfund angekündigt. Die Einweihung erfolgte im Oktober vergangenen Jahres.

Schifffahrt hat großen Bedarf an Wasserstoff

Jüngst hatte Ricardo in Studien für die schottische Behörde für Wirtschaftliche Entwicklung, Scottish Enterprise, die Bedeutung von Wasserstoff als Alternative zu fossilen Brennstoffen in Schottland beleuchtet. Die Ergebnisse zeigten, „dass der Schifffahrtssektor das größte Nachfragepotenzial für Wasserstoff hat“, so Hamish Nichol, Leiter des Bereichs Wasserstoff bei Ricardo. Da die schottischen Häfen als internationale Drehkeuze für den Frachtverkehr dienten, bestehe auch „ein wachsender Bedarf an energiereichen Kraftstoffen wie Ammoniak“.

Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO), Teil der UN, hatte bereits 2018 der Schifffahrtsbranche vorgegeben, die jährlichen Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 50 Prozent zu reduzieren. Als Referenz gilt das Jahr 2008. Die Lösung von SHYPS könne „in der erforderlichen Zeit eine vollständig emissionsfreie Schiffsplattform ermöglichen“, ist das Konsortium überzeugt.

Weitere Info zum SHYPS-Projekt

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Der italienische Schiffsbauer Fincantieri hatte im November 2022 die „Viking Neptune“ an das Unternehmen Viking Line übergeben: Das rund 47.800 Tonnen schwere Schiff ist mit Brennstoffzellen mit einer Nennleistung von 100 Kilowatt ausgestattet. © Fincantieri – Cantieri Navali Italiani S.p.A.