(Berlin) – Der Maßnahmenkatalog des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) wurde aktualisiert. Darin werden die Ziele und Schwerpunkte bis 2026 beschrieben. Entwickelt wurde es von Vertretern aus Industrie und Wissenschaft der Wasserstoff- und Brennstoffzellenbranche im Beirat der bundeseigenen NOW GmbH.

Forschen und Fördern für 3,7 Milliarden Euro

Demnach sieht die deutsche Industrie im Rahmen von „NIP 2“ für den genannten Zeitraum einen Förderbedarf von über 3.700 Millionen Euro für die Brennstoffzellen- und Wasserstofftechnologie. Dies beinhaltet sowohl Forschungs- und
Entwicklungsmaßnahmen als auch Unterstützung der Produkteinführung sowie der Zulieferindustrie beim Aufbau von Fertigungskapazitäten.

Von dieser Summe wird für Forschung und Entwicklung (F&E) ein Bedarf von 1.600 Millionen Euro als notwendig erachtet, für die Maßnahmen zur Marktaktivierung bestehe ein Förderbedarf von rund 2.100 Millionen Euro.

Während die F&E-Aktivitäten weiterhin auf Kostenreduktion und Effizienzsteigerung abzielen, sehen Industrie und Wissenschaft insbesondere Schwerpunkte im Bereich der Marktaktivierung. Dazu gehören

  • Aufbau einer Wasserstoff-Betankungsinfrastruktur und der damit verbundenen nachhaltigen Wasserstoffversorgung
  • Brennstoffzellensysteme für den Einsatz in der nachhaltigen und klimaschonenden Mobilität im Straßen- und Schienenverkehr, in der Schifffahrt sowie in der Luftfahrt
  • Wasserstofferzeugung aus erneuerbaren Energien und zur systemübergreifenden Integration der Energiesektoren
  • Stationäre Brennstoffzellen für die Stromversorgung digitaler und kritischer Infrastrukturen und perspektivisch für Haushalte und Industrie als Kraft-Wärme-Kopplung
  • Spezifische Maßnahmen zur Stärkung der deutschen Zulieferindustrie

In dem Papier werden die einzelnen Industriesegmenten im Detail analysiert und bewertet.

Pkw und Busse: 800 Millionen Euro

Dabei ergibt sich für den Pkw-Bereich der Auflistung zufolge ein F&E-Fördermittelbedarf von 150 Millionen Euro. Für Maßnahmen zur „Marktaktivierung“, mithin für den Aufbau von Flotten, werden weitere 300 Millionen Euro gefordert. Dem liegt die Prognose eines Fahrzeugbestandes von 10.000 Brennstoffzellen-Pkw im Jahr 2026 zugrunde.

Bis 2030 sollen 50 Prozent der Stadtbusse elektrisch fahren. Beim aktuellen Busbestand im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Deutschland bestehe somit ein Elektrifizierungsbedarf von 20.000 Fahrzeugen in den kommenden zehn Jahren. Die „Clean Vehicles Directive“ (CVD) der EU zur Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge sieht bis 2030 feste Quoten zur Beschaffung sauberer Fahrzeuge vor. Demnach müssen im ÖPNV bis 2025 rund 45 Prozent der Neubeschaffung „emissionsarme“ und „emmissonsfreie“ Busse sein. Bis 2030 liegt die Quote bei 65 Prozent, davon mindestens die Hälfte „emissionsfrei“.

Der Fördermittelbedarf für F&E-Maßnahmen bei Wasserstoffbussen wird auf 30 Millionen Euro veranschlagt. Dazu gehören unter anderem Forschungen zur Erweiterung des Fahrzeugportfolios, insbesondere um 18-Meter-Gelenkbusse, Entwicklung eines leistungsstarken Wasserstoff-Brennstoffzellensystems für Fernbusse, die Optimierung der Fahrzeugklimatisierung zur Steigerung der Energieeffizienz, aber auch die Weiterentwicklung von Tanksystemen und Antriebssträngen. Die Marktaktivierung wird auf einen Bedarf von weiteren 300 Millionen Euro geschätzt, die Nachfrage auf 450 Fahrzeuge.

Nutzfahrzeuge und Schienenfahrzeuge

Der F&E-Bedarf für leichte und schwere Nutzfahrzeuge liegt bei 250 Millionen Euro, die Förderung zur Marktaktivierung in diesem Segment bei 300 Millionen Euro. Das Geld soll unter anderem für die Entwicklung von Antriebskomponenten verwendet werden, für die Umrüstung von Lkw für den Schwerlastverkehr, aber auch für Müllwagen und Kehrmaschinen, um den Bedarf von Kommunen zu bedienen. Hinzu kommen unter anderem Fahrzeuge für die Flughafenlogistik, etwa für den Push-Back von Flugzeugen.

Für Schienenfahrzeuge werden F&E-Mittel in Höhe von 30 Millionen prognostiziert. In einer Marktanalyse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt im Auftrag der NOW GmbH wurde das Potenzial für Batterie- und Brennstoffzellenzüge auf 2.500 Fahrzeuge bis 2038 ermittelt. Es sei davon auszugehen, dass etwa die Hälfte davon mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb ausgestattet würden. Bei aktuell rund 1,5 Millionen Euro Mehrkosten pro Zug lägen die Mehrkosten für Investitionen bei 1,3 Milliarden bis 2,0 Milliarden Euro.

Im Rahmen einer Marktaktivierung aus dem Jahr 2017/2018 seien bereits drei Projekte zur Beschaffung von Brennstoffzellenzügen sowie der entsprechenden Infrastruktur gefördert worden. So würden zwischen den Jahren 2022 und 2024 insgesamt 43 Brennstoffzellen-Nahverkehrszüge sowie drei Wasserstofftankstellen in Brandenburg, Hessen und Niedersachsen in Betrieb gehen.

Auch bei Rangierloks existiere eine starke Nachfrage, bei Straßenbahnen gebe es immerhin ein zunehmendes Interesse von Städten und Betreibergesellschaften. Allerdings seien bislang weder Rangierloks noch Straßenbahnen mit Wasserstoffantrieb am Markt verfügbar. Derzeit befänden sich weltweit rund 120.000 Diesellokomotiven im Einsatz, davon 40 Prozent im Rangier- und 60 Prozent im Streckenbetrieb.

Als zu erzielende Meilensteine nennt der Maßnahmenkatalog den Aufbau eines ersten Flottenbetriebs von Brennstoffzellen-Triebzügen in Deutschland (bis 2022), Verfügbarkeit einer für den Schienenverkehr optimierten Betankungsinfrastruktur (bis 2024), die Entwicklung des ersten Prototyps einer wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen-Straßenbahn (bis 2024/2025), den Ersteinsatz einer Wasserstoffrangierlok als Prototyp (bis 2025), die serielle Produktion von mindestens zwei zugelassenen Triebzügen verschiedener Hersteller für den Schienenpersonennahverkehr bis 2025 sowie im darauffolgenden Jahr die amtliche Zulassung einer ersten Rangierlok mit Wasserstoffantrieb.

Luftfahrt befindet sich in einem frühen Stadium

In der Luftfahrt geht es vorrangig um die Erhöhung der Leistungsklasse von Brennstoffzellen- und Versorgungssystemen zur Nutzung in Hauptantrieben. Darüberhinaus sollen Zuverlässigkeit, Effizienz und Lebensdauer verbessert sowie Produkt- und Betriebskosten von Brennstoffzellen-Systemen reduziert werden.

Der Fördermittelbedarf für Brennstoffzellen- und Kühlsysteme, Antriebskonzepte und Wasserstoffmanagement wird auf insgesamt 200 Millionen Euro veranschlagt. Darüber hinaus bedürfe es Begleitforschungen. „Aufgrund des frühen Marktstadiums lassen sich für den Bereich der Luftfahrt aktuell noch keine konkreten Maßnahmen und Förderbedarfe im Zeithorizont des NIP 2 nennen“, heißt es dazu.

Schifffahrt kann wertvollen Beitrag leisten

Brennstoffzellensysteme in Schiffsanwendungen könnten „sowohl bei der Versorgung großer Schiffe mit Strom, Wärme und gegebenenfalls Kälte als auch beim Antrieb von Schiffen einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz und zur Zukunftsfähigkeit der Schifffahrtsindustrie leisten“. Entsprechende Systeme würden seit 2009 in Demonstrationsprojekten von Werften, Reedereien, Brennstoffzellenherstellern, Zulieferern und Klassifikationsgesellschaften „bereits intensiv entwickelt und im Betrieb an Bord von Schiffen und an Land erprobt“.

Zur Entwicklung und Weiterentwicklung maritimer Antriebssysteme ergibt sich ein Förderbedarf von 15 Millionen Euro. Weitere 7,5 Millionen Euro sollen für Binnenschiffe zur Verfügung stehen und 12,5 Millionen Euro für Seeschiffe. Nochmals 30 Millionen Euro würden für die Fortsetzung laufender Erprobungen im Echtbetrieb benötigt.

Logistik und Infrastruktur

Weitere Entwicklungsfelder befassen sich im NIP2-Maßnahmenkatalog mit Logistik sowie mit Brennstoffzellensystemen für die Stromversorgung digitaler und unabdingbarer Infrastruktureinrichtungen (etwa Mobilfunkmasten ohne Netzanschluss, Baustellen, Katastrophenschutz), aber auch zur Notstromversorgung beispielsweise von Kommunikations-, Energie- und Wasserversorgungsanlagen sowie kommunaler Einrichtungen.

Für den Auf- und Ausbau einer Wasserstoffinfrastruktur, etwa für die Entwicklung von Standards bei Produktion, Lieferung und Betankung im gesamten Verkehrswesen, werden im NIP 2 detailliert Maßnahmen vorgeschlagen und Ziele festgelegt. Neben den anwendungsspezifischen Themen sei der Aufbau einer starken Zulieferindustrie über die gesamte Wertschöpfungskette „eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Aufbau einer deutschen Brennstoffzellenindustrie“. Auch hierfür wird ein erheblicher Bedarf an Finanzmitteln prognostiziert. Das Nationale Innovationsprogramm soll mindestens bis 2026 fortgesetzt werden, „wobei einzelne Maßnahmen eigenständige Zeithorizonte haben“, so die Zusammenstellung.

Den aktualisierten Maßnahmenkatalog des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie gibt es kostenfrei zum Download als PDF (64 Seiten)
https://www.now-gmbh.de/wp-content/uploads/2021/12/NOW_NIP2-Massnahmenkatalog_12-2021.pdf

Foto
Das DLR analysiert die Mobilität mit Wasserstoff in allen Sektoren. © Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt