(Phoenix / USA) – Der US-Fahrzeugbauer Nikola Corporation will seine Marktstrategie für Nordamerika ändern. „Wir haben das Geschäft neu priorisiert“, erklärte das Unternehmen anlässlich der Veröffentlichung des Finanzberichts für die ersten drei Monate dieses Jahres.

Demzufolge stieg der Umsatz im ersten Quartal 2023 auf 11,1 Millionen Dollar (10,2 Millionen Euro) im Vergleich zu 1,8 Millionen Dollar im ersten Quartal des Vorjahres. Doch stieg auch der Nettoverlust: auf rund 169 Millionen Dollar (155 Millionen Euro) gegenüber knapp 153 Millionen Dollar im Vergleichszeitraum. Nach Bekanntgabe der Zahlen fielen die Nikola-Aktien an der Technologiebörse Nasdaq in der letzten Woche (KW 19) um knapp 13 Prozent von 0,98 Dollar auf zunächst 0,86 Dollar, um dann weiter auf den bis dahin tiefsten Stand von 0,71 Dollar abzustürzen. Den bisherigen Höchststand hatte die Aktie am 19. Juni 2020 mit seinerzeit 65,90 Dollar.

Anteil am Europa-Joint Venture verkauft

Das Unternehmen wolle sich künftig „auf die Bereiche konzentrieren, in denen wir Wettbewerbs- und Erstanbietervorteile haben“, sagt der Geschäftsführer Michael Lohscheller. So werde der 50-Prozent-Anteil am europäischen Gemeinschaftsunternehmen an den italienischen Lkw-Hersteller Iveco Group N.V. verkauft.

Die beiden Firmen hatten das Joint Venture 2019 gegründet, um im Iveco-Werk in Ulm das Lkw-Modell „Tre FCEV“ zu produzieren. Die Veräußerung des Anteils bringe Nikola 35 Millionen Dollar in bar, außerdem gebe Iveco 20,6 Millionen Nikola-Stammaktien zurück. Iveco bleibe indes auch in Zukunft ein Schlüssellieferant sowie bedeutender Aktionär und werde sich auf den europäischen Markt konzentrieren.

Stärkung auf dem US-Markt

Demgegenüber sei der nordamerikanische Markt für Nikola lukrativ, erklärt das Unternehmen. So hätten die USA mit dem Inflation Reduction Act und starken Anreizprogrammen für emissionsfreie Lkw und Infrastruktur in Staaten wie Kalifornien, New York, New Jersey, Colorado und Washington gute Positionen für Hersteller von schweren Nutzfahrzeugen geschaffen.

Überdies haben viele Bundesstaaten strenge Vorschriften eingeführt. In Kalifornien beispielsweise dürfen ab Januar 2024 nur noch emissionsfreie Transportfahrzeuge beim California Air Resources Board (CARB) neu registriert werden. Die Behörde wurde bereits 1967 vom damaligen kalifornischen Gouverneur Ronald Reagan gegründet und hat die Aufgabe, die Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen. Im nächsten Schritt müssen bis 2035 in Kalifornien alle Transportfahrzeuge, die Seehäfen und Verladebahnhöfe anfahren, emissionsfrei sein.

Fokus auf Tankstellen und FCEV

Nikola will sich daher auf den nordamerikanischen Markt mit Brennstoffzellen-Lkw (FCEV) konzentrieren, auf das „Hyla“ genannte Wasserstofftankstellensystem sowie auf Technologien zur Fahrzeugsteuerung und Software. So hatte das Unternehmen Anfang Mai mit dem Betreiber von Tankstellen und Ladestationen Voltera Power vereinbart, in den nächsten fünf Jahren bis zu 50 Hyla-Stationen für den US-Markt aufzubauen.

Und mit dem australischen Unternehmen Fortescue Future Industries (FFI) des Bergbaumagnaten Andrew Forrest will man „groß angelegte“ Anlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff in ganz Nordamerika entwickeln.

Montage von BEV wird unterbrochen

Die Nachfrage nach den batteriebetriebenen Lastwagen (BEV) sei derzeit indes eher „schleppend“. So habe Nikola im ersten Quartal 63 Stück gebaut, aber nur 31 an Händler ausgeliefert. Der Rest bleibe abrufbar.

„Da wir über einen ausreichenden Bestand an batterieelektrischen Lkw verfügen“, werde man die Produktion in Coolidge (bei Phoenix, Arizona) Ende Mai „vorübergehend unterbrechen“. Die Montagelinie werde so modifiziert, dass sowohl BEV als auch FCEV gefertigt werden könnten. BEV würden nach dem Umbau vorerst nur noch bei Auftragseingang gebaut.

Mehr Aufträge für FCEV-Lkw

Für das Segment Brennstoffzellen-Lkw vermeldet Nikola eine Reihe von Auftragseingänge. So gab es Anfang Mai eine Bestellung über bis zu 50 Tre FCEV von dem auch für die US-Regierung arbeitenden Spediteur AJR Trucking.

Nikolas Wasserstofftrucks Nikola Two, Nikola Tre und Nikola One. © Nikola Motor Company

Zudem seien die ersten zwei von zehn „Gamma“-Brennstoffzellenfahrzeugen fertig gestellt worden. Die restlichen acht würden bis Ende Juni produziert. Alle Modelle sollen für Pilotprojekte bei Kunden wie den Einzelhandelskonzernen Biagi Bros und Walmart eingesetzt werden, außerdem bei dem Industriegashersteller Linde und AJR Trucking. Damit gehe auch eine technische Optimierung einher.

„Bis heute haben wir von zwölf Kunden Aufträge für 140 Brennstoffzellen-Lkw erhalten“, heißt es in einer Mitteilung. Man sei „auf Kurs, um im Juli in der Coolidge-Fabrik mit der Serienproduktion zu beginnen“.

Zukunft von Romeo Power ungewiss

Der Hersteller prüft zudem eine Umstrukturierung des Geschäfts des vor weniger als einem Jahr übernommenen Batterieherstellers Romeo Power. Nikola hatte Romeo für 144 Millionen Dollar gekauft. Seinerzeit hieß es noch, dass das Unternehmen seine Batterielieferkette stärken wolle. Zwar benötigen auch FCEV Puffer-Batterien, doch sei nun fraglich, ob die angesichts der Finanzlage aus eigener Herstellung stammen müssten. Im Raum steht der Verkauf dieser Vermögenswerte – oder sogar ein Insolvenzantrag.

Screenshot: In einer 4-minütigen Videobotschaft umwirbt Nikola-Chef Michael Lohscheller die Aktionäre. Die Jahreshauptversammlung ist für den 7. Juni angesetzt. © Nikola Corp.

„Indem wir uns auf das konzentrieren, was wir am besten können, hat Nikola einen First-Mover-Vorteil und kann einen beträchtlichen Anteil des kommerziellen Lkw-Marktes erobern, während wir gleichzeitig ein Wasserstoff-Energiegeschäft aufbauen, das langfristig wachsen kann“, so das Unternehmen.

Am Tag nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen warb Geschäftsführer Lohscheller bereits mit einem Video um die Zustimmung der Anleger, die Zahl der Nikola-Stammaktien zu erhöhen. Die Hauptversammlung findet am 7. Juni statt.

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Nikola-Zentrale in Phoenix, Arizona: Das Unternehmen will sich im nordamerikanischen Markt besser positionieren. © Nikola Corp.