(Wilhelmshaven) – Sieben Konzerne haben sich zusammengetan, um Wasserstoff von der deutschen Nordseeküste mittels eines Netzwerks von bestehenden und neuen Pipelines zu den industriellen Verbrauchszentren in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu transportieren. Ausgangspunkt ist der Tiefseehafen in Wilhelmshaven als künftigem Standort für Produktion und Importe. Unternehmen mit Wasserstoffbedarf sollen von dort über einen Nord-Süd-Korridor bis zur Chemieregion Köln sowie anhand eines West-Ost-Korridors mit Salzgitter verbunden werden.

Projektplanung entlang der H2-Wertschöpfungskette

Die sieben Unternehmen decken mit ihren deutschen Niederlassungen die Bereiche Rohstoffproduktion, -lagerung, -transport und -vermarktung sowie die lokale Rohstahlproduktion ab. Sie beteiligen sich mit verschiedenen Vorhaben an der Allianz.

Geplanter Verlauf von Leitungen (Ausschnitt): Eine neue Allianz von Konzernen verbindet Industriezentren in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Unterstützt werden unter anderem die Salzgitter AG, Etzel (Kavernenspeicher), Bremen (Stahl), Lingen (Wasserstoffkraftwerk), Duisburg (Stahl) und Köln (Chemie) © Salzgitter AG

So beabsichtigen der Mineralölkonzern BP Europa SE und die Uniper Hydrogen GmbH als industrielle Erzeuger und Verbraucher von Wasserstoff jeweils am Standort Wilhelmshaven ein Importterminal zu errichten. Im Rahmen des Projekts würde BP einen Ammoniak-Cracker bauen, der ab 2028 jährlich bis zu 130.000 Tonnen des Energieträgers aus grünem Ammoniak bereitstellen könnte, erklärte das Unternehmen bereits im Januar.

Geplante Projekte zur Wasserstoffproduktion und -import in Wilhelmshaven sowie deren Anbindung an das Wasserstoffleitungsnetz. © Salzgitter AG

Ammoniak ermögliche den „effizienten Transport von kohlenstoffarmem Wasserstoff per Schiff über größere Distanzen“. Derzeit baue BP eine Reihe von Wasserstoff- und Ammoniakexportstandorte im Nahen Osten, in Afrika und in Australien auf, sagte vor wenigen Monaten Felipe Arbelaez, Senior Vice President Wasserstoff und CCS. „Diese könnten in den kommenden Jahren einen Teil der europäischen Nachfrage decken.“

Darüber hinaus plant Uniper den Aufbau einer Großelektrolyse in Wilhelmshaven, welche mit Hilfe von Offshore-Windstrom aus der Nordsee grünen Wasserstoff produzieren soll. Sowohl BP als auch Uniper hätten für ihre Vorhaben Fördermittel der Europäischen Kommission beantragt. Die Entscheidung darüber werde in diesem Jahr erwartet.

Von der Küste bis Köln

Der beiden Erdgasfernleitungsnetzbetreiber Gasunie Energy Development GmbH und die Thyssengas GmbH planen den Transport des Wasserstoffs von Wilhelmshaven bis zur Chemieregion Köln. Die rund 400 Kilometer lange Verbindung soll bis 2028 durch Umstellung bestehender Leitungen sowie ergänzende Neubauten entstehen. Sowohl Gasunie als auch Thyssengas hoffen für ihre jeweiligen Teilabschnitte ebenfalls auf Fördermittel der Europäischen Kommission.

Im Jahr 2030 sollen GET H2, Salcos und Green Octopus miteinander verwoben und in das jetzt vorgestellte weitere Netzwerk angebunden werden. © GET H2

Durch eine Anbindung an das durch Gasunie bereits geplante Wasserstoffnetzwerk „Hyperlink“, das Dänemark und die Niederlande über Norddeutschland verbindet, sowie die vom Fernleitungsnetzbetreiber Nowega GmbH und Thyssengas verantworteten Teilprojekte der Wasserstoffinitiative „GET H2“ trage der geplante Nord-Süd-Korridor maßgeblich zum Aufbau eines integrierten Wasserstoffnetzes bei. Hierdurch würden sowohl die BP-Raffinerien im Emsland und Ruhrgebiet als auch weitere potenzielle H2-Verbraucher entlang der Trasse erreicht.

Im Rahmen des Verbundprojekts „GET H2“ will, wie berichtet, ein weiteres Konsortium aus Industrie und Wissenschaft mittels einer Testpipeline „wichtige Erkenntnisse zum Transport und zur Speicherung von Wasserstoff“ sammeln. Das Vorhaben wird mit mehr als elf Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium unterstützt und startete im Januar 2022.

Außer der BP-Raffinerie in Lingen (Emsland) ist auch das künftige von RWE ebenfalls in Lingen geplante Wasserstoffkraftwerk eingebunden. Der nächste „GET H2“-Schritt ist die Einbeziehung der Niederlande. Die Verbindung zum Importpunkt Vlieghuis wird durch Thyssengas umgesetzt. Damit wiederum werde die Anbindung an „Green Octopus“ hergestellt – ein europäisches Projekt, das dereinst Deutschland, die Niederlande, Belgien und Frankreich über ein Wasserstoffnetz miteinander verknüpft.

Anbindung des Stahlkonzerns in Salzgitter

Der West-Ost-Korridors schließlich soll die Salzgitter Flachstahl GmbH in Niedersachsen anbinden, eine Tochter der Salzgitter AG. Der Stahlkonzern stellt derzeit seine Hochöfen von der Befeuerung mit Koks auf Wasserstoff um und erhielt für das „Salcos“ genannte Vorhaben jüngst Fördermittel von Bund und Land in Höhe von knapp einer Milliarde Euro.

Für dieses Netzwerk bringen Nowega und die Nord-West-Oelleitung GmbH (NWO) Teile ihres bestehenden Leitungsnetzes in die Allianz ein. Die Umstellung der Bestandsleitungen vermindere den Angaben zufolge den notwendigen Neubaubedarf erheblich und ermögliche eine großräumige Erreichbarkeit weiterer Einspeiser und Abnehmer von Wasserstoff.

Politik soll Investitionssicherheit schaffen

Thomas Gößmann, Vorsitzender der Thyssengas-Geschäftsführung: „Im Ergebnis soll bis 2028 ein zentrales Element des künftigen Wasserstoffmarktes in Nordwestdeutschland entstehen.“ Allerdings fehle „nach wie vor ein regulatorischer Rahmen, der Planungs- und Investitionssicherheit schafft und den die Politik jetzt zeitnah liefern muss“.

Deutschland will bis 2030 eine Produktionskapazität von zehn Gigawatt grünem Wasserstoff aus Solar- und Windenergie aufbauen und große Mengen aus Übersee importieren, um Industrien vor allem in den Segmenten Stahl oder Zement dabei zu unterstützen, Millionen Tonnen grauen Wasserstoff durch grünen Wasserstoff zu ersetzen.

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NWO-Mineralöltanklager und Tankerlöschbrücke in Wilhelmshaven. © Nord-West Oelleitung GmbH