(Hannover) – Die Kongressmesse „IAA Transportation Fair“ hat am gestrigen Sonntag (25. September) ihre Tore geschlossen. Sechs Tage lang besuchten Fachleute und Mobilitätsinteressierte 1.402 Aussteller aus 41 Ländern. Im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen gab es eine Reihe von Innovationen und neue Produkte. Eine Auswahl.

Karsan bringt Wasserstoffbus auf den deutschen Markt

Der türkische Fahrzeugbauer Karsan Otomotiv Sanayii ve Tic. A.Ş. hat sein Angebot mit dem brennstoffzellenbetriebenen Bus des Typs „e-ATA Hydrogen“ erweitert. Der zwölf Meter lange Niederflurwagen ist für 95 Fahrgäste ausgelegt und mit einem 1.560 Liter fassenden Leichtbau-Wasserstofftank ausgestattet. Unter realen Einsatzbedingungen, das heißt wenn das Fahrzeug mit Fahrgästen beladen ist und auf Stop-and-Go-Strecken fährt, könne der Bus nach Unternehmensangaben eine Reichweite von über 500 Kilometer erzielen. Die Tankdauer betrage sieben Minuten.

Die Brennstoffzelle hat eine Leistung von 70 Kilowatt. Darüber hinaus unterstützt eine 30 Kilowattstunden fassende Lithium-Titanat-Batterie (LTO) als Hilfsstromquelle bei schwierigen Straßenverhältnissen den Elektromotor und bietet zusätzliche Reichweite für Notfälle.

Der Bus verfüge über flexible Sitzmöglichkeiten, verschiedene Türvarianten und eine Fahrerkabine, die den VDV-Vorschriften für den öffentlichen Nahverkehr entspreche. „Derzeit sind in Europa zwei Prozent des Stadtbusmarktes mit der Wasserstofftechnologie ausgestattet“, sagt Okan Baş, Geschäftsführer von Karsan. „Wir schätzen, dass bis 2030 Wasserstofffahrzeuge 15 Prozent des Marktes beherrschen.“

Karsan stellt die konventionellen Modelle Jest, Atak und Star unter seiner eigenen Marke her. Darüber hinaus produziert und vertreibt Karsan die vollelektrischen Modelle e-JEST und e-ATAK im Rahmen einer Kooperation mit BMW. Karsan baut derzeit Busse für Menarinibus (Italien) und wird bis Ende 2022 auch die Megane-Limousine für die Marke Renault herstellen. (Foto: Bus des Typs e-ATA Hydrogen. © Karsan)

Loop entwickelt 120-kW-Brennstoffzellensystem

Die Loop Energy Inc., kanadischer Entwickler und Hersteller von Wasserstoffbrennstoffzellen für Nutzfahrzeuge, hat ein 120 Kilowatt leistendes Brennstoffzellensystem „S1200“ präsentiert. Dieses baue auf der vorhandenen Technologie von Loop Energy auf und biete eine zusätzliche Wirkungsgradsteigerung von 20 Prozent bei der Stromerzeugung. Das S1200 ist für einen Nettowirkungsgrad von bis zu 60 Prozent ausgelegt, mit dem ein Elektrofahrzeug einen „Fuel-to-Wheel“-Wirkungsgrad von bis zu 54 Prozent verglichen mit dem typischen Wirkungsgrad eines Dieselfahrzeugs von 20 bis 25 Prozent erreiche.

Loop Energy habe diesen Wirkungsgradzuwachs durch seine patentierte Brennstoffzellenarchitektur eFlow erzielen können. Dabei verwende Loop Energy für seine Bipolarplatten eine Trapezform mit sich verjüngenden Kanälen, wodurch sich die Gasgeschwindigkeit in der Platte erhöhe, was zu besseren Ergebnissen in Bezug auf Kraftstoffeffizienz und Ausgangsleistung führe. Dies senke die Gesamtbetriebskosten von wasserstoffelektrischen Nutzfahrzeugen, weil pro Kilometer weniger Wasserstoff verbraucht werde. Die Kraftstoffkosten machten rund die Hälfte der Gesamtbetriebskosten von Wasserstoff-Schwerlastfahrzeugen aus.

Loop Energy unterhält Niederlassungen in Italien und Großbritannien, kooperiert mit OEMs und hat einen neuen Produktionsbetrieb in Schanghai. (Foto: Brennstoffzellensystem S1200. © Loop Energy Inc.)

Iveco und Hyundai präsentieren Brennstoffzellen-Großtransporter

Die Iveco Group, italienischer Hersteller von Nutz- und Militärfahrzeugen, und die koreanische Hyundai Motor Company haben einen „Iveco eDAILY Fuel Cell Electric Vehicle“ (FCEV) genannten Großtransporter gezeigt. Der Prototyp mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,2 Tonnen ist mit dem 90-Kilowatt-Brennstoffzellensystem von Hyundai und einem 140 Kilowatt leistenden E-Motor ausgestattet. Sechs Tanks bieten eine Speicherkapazität von kumuliert zwölf Kilogramm Wasserstoff. Das Fahrzeug wurde nach Unternehmensangaben in Europa getestet. Die Nutzlast beträgt drei Tonnen, die Reichweite 350 Kilometer bei einer Betankungszeit 15 Minuten.

Das batterieelektrische Modell „eDAILY BEV“, das es auch mit Methan-/Biomethan-Antriebe gibt, ist für Kurzstrecken konzipiert. Der brennstoffzellenbetriebene Typ „eDAILY FCEV“ soll demgegenüber Kunden bedienen, die Fahrzeuge mit großer Reichweite und hoher Nutzlast benötigen. Bestandteil ist das Batteriepaket von FPT Industrial, der Antriebsmarke der Iveco-Gruppe. Hyundai liefert ein Brennstoffzellensystem, welches den Angaben zufolge in der Schweiz über 4,5 Millionen Kilometer in schweren Lastwagen zurückgelegt habe. Laut Marco Liccardo, Chief Technology & Digital Officer der Iveco Group, soll es „auf der Grundlage dieses Prototyps bis Ende nächsten Jahres eine kleine Serie von FCEV-Transportern zur Erprobung bei ausgewählten Kunden“ geben. Bereits Anfang Juli hatten die beiden Unternehmen einen wasserstoffbetriebenen Bus angekündigt. (Foto: Iveco eDAILY Fuel Cell Electric Vehicle FCEV © Hyundai)

Brennstoffzellen-Lkw von Quantron

Die Augsburger Quantron AG, Anbieter von Transportern, Lkw und Bussen, bringt einen wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen-Lkw auf den Markt. Dabei handele es sich um ein Fahrzeug für den Fernverkehr und den Schwerlastbetrieb, der für Zugmaschinen und Fahrgestellderivate auf Basis der MAN TG3-Plattform (TGS, TGX) geeignet sei. Die Allison Transmission Holdings, Inc., US-amerikanischer Hersteller von Getrieben und Hybridantrieben für Nutzfahrzeuge, steuert seine „eGen Power 130D“-Achse bei. Die beiden integrierten Elektromotoren liefern eine Dauerleistung von insgesamt 454 Kilowatt und eine Spitzenleistung von bis zu 652 Kilowatt.

Der Quantron FCEV-Lkw verfügt über einen 54 Kilogramm fassenden Wasserstoffspeicher mit Brennstoffzellen von Ballard Power Systems (Kanada) mit einer Leistung von 240 Kilowatt. Diese speisen ein 118-Kilowattstunden-Batteriepaket und ermöglichten dem gezeigten Modell „QHM FCEV 44-1000“ eine Reichweite von 700 Kilometern. Das Fahrzeug mit der Achskonfigurationen 4×2 (vier Räder, von denen zwei angetrieben werden) und 6×2 stehe ab 2023 für Kundentests zur Verfügung. (Foto: Michael Perschke, Geschäftsführer der Quantron AG, David Graziosi, Vorstand und Geschäftsführer von Allison Transmission, und Herbert Robel, Quantron-Vorstandsmitglied präsentieren Quantrons QHM FCEV 44-1000. © Quantron AG)

Nicola stellt Beta-Version des europäischen Nikola Tre FCEV vor

Die US-amerikanische Nikola Corporation hat gemeinsam mit der italienischen Iveco Group die batterieelektrische Variante des „Nikola Tre (BEV)“ sowie die Beta-Version des europäischen Brennstoffzellen-Elektrofahrzeugs „Nikola Tre (FCEV)“ vorgestellt. Die europäische 4×2 Artic-Version des Nikola Tre BEV ist ein Schwerlastwagen mit einer Reichweite von 530 Kilometern. Der Sattelzug Nikola Tre FCEV soll in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 in Nordamerika und 2024 in Europa auf den Markt kommen.

Beim Nikola Tre BEV handele es sich um eine „modulare Plattform für knickgelenkte Schwerlastzugmaschinen mit Elektroantrieb, die mit beiden Energiequellen ausgestattet ist“, sagte Luca Sra, Truck Business Unit President, Iveco Group. Batterieelektrisch gebe es eine Reichweite bis 500 Kilometer, der Brennstoffzellenantrieb reiche in der ersten Generation bis 800 Kilometer. Der europäische Nikola Tre BEV wird vom Joint Venture Nikola Iveco Europe in Ulm hergestellt.

Die europäische 4×2 Artic-Version des Nikola Tre BEV verfügt über neun Batterien mit einer Kapazität von kumuliert 738 Kilowattstunden. Die Antriebsachse mit 480 Kilowatt Dauerleistung liefert Fiat Powertrain Technologies (FTP Industrial).

Der Nikola Tre FCEV Artic 6×2 in der Beta-Version verfügt über eine gelenkte Nachlaufachse und kann nach Unternehmensangaben etwa 70 Kilogramm Wasserstoff bei einem Druck von 700 bar aufnehmen. Der Tankvorgang dauere weniger als 20 Minuten, die Reichweite beträgt 800 Kilometer. (Foto: Nikola-Geschäftsführer Michael Lohscheller mit dem Nikola Tre FCEV, © Nikola Corp.)

Sinosynergy zeigt Brennstoffzellen-Reisebus

Der chinesische Hersteller von Brennstoffzellen Sinosynergy Hydrogen Technology Co., Ltd. hat seinen ersten mit Brennstoffzellen betriebenen Reisebus für Europa vorgestellt. Das „Hydrogen Fuel Cell Journey Coach“ genannte Vehikel ist eine gemeinschaftliche Entwicklung mit der chinesischen Allenbus Automotive Technology Co., Ltd., dem auf Wasserstofffahrzeuge spezialisierten Fahrzeugbauer Foshan Feichi Manufacturing Co. Ltd., dem brasilianischen Busbauer Marcopolo S.A. und Danfoss A/S, dem mit Wärme- und Kältetechnik sowie Hydraulik und Elektromotoren befassten Unternehmen aus Dänemark.

Das in China produzierte Modell auf Basis des Marcopolo Audace 1050 wurde für den europäischen Markt und dessen Normen konzipiert, kann bis zu 53 Fahrgäste befördern und mehr als 500 Kilometer mit einer Tankfüllung fahren, so das Unternehmen. Die Betankungszeit betrage fünf Minuten. Sinosynergy liefert die Technologie und den Antrieb, Danfoss den Motor und Batteriespeicher. Der Bus soll auf dem europäischen, südostasiatischen und amerikanischen Markt angeboten werden. Details wurden nicht genannt. (Foto: Der „Hydrogen Fuel Cell Journey Coach“ genannte Bus auf der IAA. © Synosynergy)

Foto
Die IAA Transportation fand vom 19. bis 25. September in Hannover statt. Die nächste IAA Transportation gibt es an gleicher Stelle vom 17. bis 22. September 2024.© IAA / Photovision-DH GmbH

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