(Berlin) – Ein „Wasserstoffatlas Deutschland“ zeigt die aktuellen Projekte zur Produktion und Nutzung des Energieträgers. Mit dem Tool lassen sich online auf den vier Verwaltungsebenen „Deutschland“, „Bundesland“, „Regierungsbezirk“ und „Kreis“ unter dem Titel „Bestand“ die Standorte von Erzeugern und Verbrauchern von PtX-Produkten sowie CO2-Quellen darstellen, die in Betrieb, in Planung oder stillgelegt sind.

Demnach gebe es beispielsweise für die Wasserstoffproduktion im Norden „eine klare Dominanz“ aufgrund der dortigen sehr großen Windpotenziale – nicht zuletzt wegen des zu erwartenden starken Ausbaus der Offshore-Windkraft. Hinzu kämen große Gasspeicher, die auch für Wasserstoff genutzt werden könnten. „Der Norden hat alles, was man braucht: Energie, Leitungsnetze, Speicher und Industrie“, sagt Projektleiter Michael Sterner von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) bei der Präsentation. Seinen Angaben zufolge solle der Atlas dazu beitragen, „Stakeholder zu aktivieren, die Potenziale ins Bewusstsein zu rücken, Wasserstoff greifbar zu machen und den Menschen näher zu bringen“.

Das Projekt entsteht in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA), die Daten werden laufend aktualisiert. Der Atlas wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 700.000 Euro gefördert. Beendet ist das 2021 gestartete Vorhaben indes noch nicht, sondern läuft noch bis Dezember 2023 – und bis dahin gibt es noch einiges zu tun.

Bislang nur wenige Daten

So ist beispielsweise auf Länderebene über die Projekte selbst über einige wenige Daten hinaus noch nicht viel zu erfahren. Genannt werden Betreiber, Standort, Jahr der Inbetriebnahme, Leistung der Elektrolyseure sowie das daraus resultierende Produkt, etwa Wasserstoff oder synthetisches Kerosin. Wünschenswert wären Details zu den am Projekt beteiligten Einzelunternehmen und Konsortien – solche Daten sind in der Regel öffentlich zugänglich, zumal dann, wenn die Unternehmen Fördermittel erhalten. Auch beim tatsächlichen oder prognostizierten Bedarf gibt es Lücken – etwa bei einigen Wasserstofftankstellen.

Nach Angaben von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger liefere der Atlas eine „Potenzial- und Kostenanalyse“. Die Potenziale sind zwar zu finden – was sich hinter einer Kostenanalyse verbirgt, erschließt sich aus dem Werk bislang nicht. Ebenso verhält es sich mit den von der Ministerin bei der Präsentation genannten „Beschäftigungspotenzialen“. Dies solle sich aber ändern, so Michael Sterner, weil im weiteren Verlauf auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beteiligt sei, um die Arbeitsplatzeffekte zu analysieren.

Die Ministerin ließ in einer Mitteilung verbreiten, der Atlas zeige, „wo sich der Einsatz von Wasserstofftechnologien“ lohne – was aber ebenfalls noch nicht ersichtlich ist. Unzulänglich ist, dass zahlreiche Begriffe noch nicht von der englischen in die deutsche Fassung übersetzt wurden, etwa, um am Beispiel Niedersachsen zu bleiben, dass der Stahlhersteller Salzgitter AG den Wasserstoff für „pig iron or steel“ nutzt und in Lingen der Energieträger einem nicht identifizierten Nutzer zum „mineral oil refining“ dient.

Besondere Wachsamkeit ist beim derzeitigen Bearbeitungsstand bei der Darstellung von Ziffern geboten: Die Umsetzung auf das in Deutschland genutzte Zahlensystem ist nicht überall vollzogen. So liest man bislang unter der Funktion „Auswertung Bestand“ beispielsweise, dass der Zubau der niedersächsischen Elektrolyseleistung bis 2030 auf „2,340“ Megawatt prognostiziert wird – die hierzulande übliche Darstellung wäre „2.340“ Megawatt. Das verwirrt. Wer gewohnt ist, Daten und Zahlen auf Englisch zu lesen, sollte die englische Version nutzen – zumindest so lange, bis hier nachgearbeitet wurde.

Fazit: Der Atlas ist derzeit nur als Zwischenergebnis zu verstehen und in diesem Sinne eingeschränkt zu nutzen. Darauf hat der Projektleiter im Rahmen der Präsentation auch hingewiesen. Insgesamt kann man sich des Eindrucks nur schwer erwehren, dass die Präsentation ein halbes Jahr zu früh erfolgte – oder vom BMBF eingefordert wurde. Denn am gleichen Tag wurde verkündet, die Ministerin gehe nun auf „Sommertour“ durch die Bundesländer. Im Gepäck: der „Wasserstoffatlas Deutschland“. Die Mitteilung ist mittlerweile obsolet: Die Ministerin verschob diese Reise – und bleibt wegen Corona zu Hause.

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Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Michael Sterner. © BMBF/Hans-Joachim Rickel

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