(Berlin / Deutschland) – Für Transport und Lagerung von Flüssigwasserstoff (LH2) werden bislang standardisierte Speicher genutzt. Diese sind ähnlich konstruiert wie Tanks für Flüssigerdgas (LNG): Sie haben eine Kugelform, um dem Druck besser standzuhalten und Speicherverluste zu minimieren – hätten jedoch mehrere Nachteile, die sie für einen großflächigen Einsatz in der Wasserstoffwirtschaft ungeeignet machten, erklärt die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM).

Fassungsvermögen herkömmlicher Speicher zu gering

So sei etwa das Fassungsvermögen aktuell auf 5.000 Kubikmeter beschränkt. Für Flüssigwasserstoff würden jedoch künftig Tanks mit mindestens dem zehnfachen (Schiffstransport) sowie vierzigfachen Volumen (stationäre Speicherung) benötigt.

Überdies verfügten Kugelspeicher „über eine kompliziert herzustellende Doppelwand, die der thermischen Isolation dient“. Die Herstellung sei aufwendig, da viele der Prozesse aufeinander aufbauten und sukzessive stattfinden müssten. Dies dauere mehr als ein Jahr. Flüssigwasserstoff wird bei minus 253 Grad Celsius transportiert und gelagert, da er dann eine besonders hohe Energiedichte aufweist. Aufgrund der Extremtemperatur komme der Wärmeisolierung eine besondere Bedeutung zu.

Eine einfache Skalierung sei indes aufwendig und mit technischen Risiken verbunden, so die BAM. Auf die benötigen Speichergrößen von 50.000 bis 200.000 Kubikmeter hochgerechnet, „würde die äußere Isolationsschicht aus Polyurethan mehrere Meter betragen“.

Option Vakuumisolation

Ein europäisches Konsortium unter BAM-Leitung arbeitet nun an einem neuen Konzept mit dem Ziel, die Kapazität geeigneter Behälter um das Vierzigfache zu steigern und gleichzeitig die Kosten um 80 Prozent zu reduzieren.

Anwendungsbeispiel LH2 VIP: Flüssiger Wasserstoff wird bei der extrem niedrigen Temperatur von -253 Grad Celsius transportiert. Daher kommt hier die Vakuumisolierung in vielen Bereichen bereits zu Einsatz, etwa beim niederländischen Unternehmen Demaco Holland B.V., Hersteller von doppelwandigen vakuumisolierten Transferleitungen (Vacuum Insulated Pipelines, LH2 VIP). Der Hohlraum zwischen den Wänden wird luftleer gesaugt. Die beiden Wände berühren sich niemals, da sie durch Abstandshalter voneinander getrennt sind. So entstehen nach Unternehmensangaben ein Vakuumraum und ein Druckunterschied zwischen dem Vakuum und der Außenluft. Dadurch werde ein Großteil der Umgebungswärme von einer Leitung oder Anwendung ferngehalten, wodurch Wärmeverluste minimiert und Eisbildung verhindert würden. © Demaco Holland B.V. (https://demaco-cryogenics.com)

Im Forschungsprojekt „NICOLHy“ wollen die Wissenschaftler erstmals das Prinzip der „VIP“-Wärmeisolierung erproben. „Vakuum-Isolationspaneele“ (VIP=Vacuum Isolation Panel) sind „hocheffiziente Dämmplatten, die bei minimaler Dicke eine extrem hohe Wärmedämmung bieten“, heißt es etwa beim Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising. Sie könnten überall dort genutzt werden, wo der Platz für Dämmmaterialien begrenzt sei. „So kommen sie nicht nur in der Baubranche und zur Gebäudesanierung zum Einsatz, sondern auch in Kühl- und Gefrierschränken, in thermischen Verpackungslösungen der Pharmaindustrie, in Automobilen und Fluggeräten.“

Beim VIP, so die BAM, würden Wärmeeintrag und Kälteverlust durch eine Doppelwand mit einem Vakuum sowie einem Füllmaterial aus einem hochporösen Pulver minimiert. Beides führe dazu, dass insgesamt kaum Wärme fließen könne.

Rechtecktanks passen sich Schiffskörper an

Dieser Aufbau ermögliche mit einer nur zwei Zentimeter messenden VIP-Isolierung eine ausreichende Dämmung gegen Wärmeeintrag von außen zu erzielen. Außerdem könnten die Tanks rechteckig konstruiert und somit beispielsweise der Schiffsform angepasst werden, um den Laderaum optimal auszuschöpfen.

„Erste Ergebnisse zeigen, dass das VIP-Isolationsprinzip erfolgreich für die Speicherung von Flüssigwasserstoff genutzt werden kann“, erklärt Robert Eberwein, Experte für Gefahrguttanks an der BAM, der das EU-Projekt koordiniert. „Insgesamt lassen sich das Fassungsvermögen gegenüber Kugelspeichern fast verdoppeln, die Herstellungskosten um 80 Prozent senken bei gleichzeitig steigender Energieeffizienz und Sicherheit.“ Im Projekt würden auch Aspekte wie Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit weiter erforschen.

Zum „NICOLHy“– Konsortium gehören die BAM, die Universität Bologna, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, die Norwegische Universität für Naturwissenschaften und Technologie sowie die Nationale Technische Universität Athen. Das von der EU mit zwei Millionen Euro finanzierte Projekt hat eine Laufzeit bis Ende 2026.

Auch Asien erforscht LH2-Tanks

Doch suchen nicht allein die Europäer nach neuen Transportlösungen, der Wettlauf um geeignete neue Systeme ist weltweit in vollem Gange. So hat etwa die japanische Mitsui O.S.K. Lines, Ltd. (MOL), eine der weltweit größten Reedereien, eine Vereinbarung mit dem australischen Energieunternehmen Woodside Energy Ltd, dem Schiffs- und Maschinenbauunternehmen HD Korea Shipbuilding and Offshore Engineering Co., Ltd. (HD KSOE) sowie der Reederei Hyundai Glovis Co., Ltd. (Hyundai Glovis), beide Südkorea, getroffen, um gemeinsam die Entwicklung von Schifffahrtslösungen zu untersuchen, die den Transport von Flüssigwasserstoff als Massengut auf dem Seeweg ermöglichen.

Der japanische Maschinenbauer Kawasaki Heavy Industries hat als Prototyp die „Suiso Frontier“ gebaut. Der Flüssigwasserstofftanker verkehrt bereits zwischen Japan und Australien. Das „Hydrogen Energy Supply Chain“ (HESC) genannte Konsortium mit sieben beteiligten Unternehmen will die Technologie erproben, verbessern und kommerzialisieren. Das Foto zeigt HESC-Projektverantwortliche in Australien. Die „Suiso Frontier“ war im Dezember 2021 von Kobe nach Hastings gestartet und stach im Januar 2022 von Hastings aus zurück nach Kobe in See (wir berichteten). © HESC

Im Rahmen dieses Projekts, das im Februar vorgestellt wurde und an dem die Unternehmen eigenen Angaben zufolge seit 2022 arbeiten, wollen die Konsortialpartner die Technologie, die Sicherheit, den Bau, den Betrieb und die Wirtschaftlichkeit eines Flüssigwasserstofftransporters mit einem Fassungsvermögen von 80.000 Kubikmetern untersuchen, um eine Versorgungskette in Asien und anderen Regionen aufzubauen.

Woodside wäre dann für die Herstellung von Wasserstoff und dessen Lagerung in den Lade- und Löschhäfen verantwortlich, HD KSOE solle das Schiff entwerfen und bauen, die beiden Reedereien Hyundai Glovis und MOL kümmern sich unter anderem um Antrieb, Lagerung und Ladungsumschlag.

Im Fall einer positiven Entwicklung solle bis 2030 ein mit Flüssigwasserstoff betriebenes Tankschiff konstruiert werden.

Grafik
Industrie und Forschung suchen weltweit nach einer Lösung für den effizenten Transport von Flüssigwasserstoff. Ein asiatisch-australisches Konsortium will kryogene Tanks entwickeln. © Rendering: HD KSOE