(Berlin) – Die Förderung von Wasserstoff sollte auf Anwendungsfelder wie die Stahl- und Ammoniakproduktion sowie langfristige Energiespeicherung beschränkt werden. „Ohne klare politische Priorisierung drohen Fehlentwicklungen, die einen nachhaltigen Einsatz von Wasserstoff gefährden und gleichzeitig effizientere, preiswertere Alternativen verdrängen könnten“, heißt es in einem Impulspapier „Wasserstoff sparsam einsetzen“. Verfasst wurde es vom Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit sowie vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojekts.
Ausbau dauert noch Jahrzehnte
„Optimistische Studien“, die eine breite Verfügbarkeit von Wasserstoff versprächen, beflügelten die Hoffnungen auf einen Einsatz des Energieträgers, um etwa in großem Stil Erdgas und Öl im Verkehr und in der Wärmeversorgung zu ersetzen. „Zwar wird grüner Wasserstoff ein unverzichtbarer Baustein im Energiesystem der Zukunft sein, aber seine Herstellung erfordert große Mengen an grünem Strom“, sagt Jens Clausen vom Borderstep Institut. „Es dauert daher, bis größere Mengen verfügbar sein werden.“ Sowohl der Ausbau der notwendigen regenerativen Stromerzeugung als auch der Elektrolysekapazitäten werde Jahrzehnte in Anspruch nehmen, erklärten die Autoren nach einem Vergleich verschiedener Studien zum prognostizierten Bedarf und verfügbaren Angeboten an grünem Wasserstoff in Deutschland.
Um eine hohe Versorgungssicherheit bei bezahlbaren Energiepreisen zu erzielen, bedürfe es „parallel zum Aufbau der Wasserstoffwirtschaft und dem rasanten Ausbau der erneuerbaren Energien vor allem auch einer Priorisierung von Wasserstoffanwendungen“, sagt Florian Kern vom IÖW. „In der Stahlherstellung, als Langzeit-Energiespeicher und als Rohstoff für Raffinerien und die Chemieindustrie ist Wasserstoff nach heutigem Stand der Technik unverzichtbar, um die Klimaziele zu erreichen.“ In anderen Bereichen sollten indes energetisch und preislich effizientere Lösungen bevorzugt werden.
Ineffizient für Wärme- und Verkehrssektor
Da es bei der Herstellung von Wasserstoff hohe Umwandlungsverluste gebe, verbrauche Wasserstoff „deutlich mehr Primärenergie als direkt-elektrische Lösungen“: Ein mit Wasserstoff betriebener Heizkessel würde fünfmal so viel Energie benötigen wie eine Wärmepumpe, ein Pkw mit Wasserstoffantrieb etwa doppelt so viel grünen Strom wie ein E-Auto mit Akku. „Fördert die Politik Wasserstoff in solchen Bereichen trotzdem, könnten sich effizientere Technologien weniger durchsetzen“, monieren die Autoren des Papiers.
Auch der jüngst aufgenommene Linienbetrieb der Wasserstoff-Zugflotte in Niedersachen wird kritisiert. Dieser erfolge auf einer kurzen Strecke, die vorher mit Dieselloks betrieben wurde. Die effizientere und billigere Lösung wäre gewesen, elektrische Batteriezüge einzusetzen. „Für den Klimaschutz ist es ein riesiges Problem, wenn sinnvolle Investitionen durch Technologie-Hypes verhindert werden“, so Florian Kern: „Sollte sich herausstellen, dass die Prognosen zur Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff zu optimistisch waren, müssen wir uns weiterhin mit fossilen Brennstoffen behelfen und verfehlen die Klimaziele.“
Politik soll Prioritäten setzen
Die Politik müsse daher Wasserstoffanwendungen „priorisieren und so Richtungs- und Investitionssicherheit schaffen“, meint Projektleiter Klaus Fichter vom Borderstep Institut. „Wir untersuchen, ob die aktuelle Politik – inklusive staatlicher Förderprogramme – sinnvoll ist und wie sie die Strategien zentraler Akteure beeinflusst.“
Das Forschungsprojekt „Wasserstoff als Allheilmittel?“ läuft bis Ende 2023 und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Das Impulspapier „Wasserstoff sparsam einsetzen“ gibt es kostenfrei als PDF (7 Seiten).
„Das Wasserstoffdilemma: Verfügbarkeit, Bedarfe und Mythen“. Jens Clausen (Juni 2022), Borderstep Institut, kostenfrei als PDF (82 Seiten).
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Forscher sind der Auffassung, grüner Wasserstoff sei derzeit zu kostbar, um den Energieträger für den Verkehrssektor zu nutzen. / © Plug Power Inc.