(Berlin) – Die im Juni von der Bundesregierung ausgegebene Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) habe prinzipiell die Zustimmung von Sachverständigen gefunden. Allerdings wurden eine Reihe von Präzisierungen und Ergänzungen sowie Eile gefordert, heißt es nach einer Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie Ende Oktober in einer Parlamentsmitteilung.

Jörg Bergmann (Open Grid Europe) unterstrich demnach die Bedeutung von Wasserstoff für die Energiewende. Wasserstoff werde sich zu einer globalen Schlüsseltechnologie entwickeln, die maßgeblichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands habe. Der Transport in größeren Mengen über Leitungen sei zumindest innerhalb Europas die wirtschaftlichste Variante. Er schlug den Aufbau einer Pipeline-Infrastruktur auf Basis bestehender Gasnetze mit einer Gesamtlänge von 1.200 Kilometern bis 2030 vor.

Auch Daniel Teichmann (Hydrogenious LOHC Technologies) sieht in Wasserstoff „einen elementaren Baustein für die Dekarbonisierung des Energiesystems“. Er erläuterte die LOHC-Technologie (Liquid Organic Hydrogen Carrier), bei der Wasserstoff an ein flüssiges Trägermaterial „angedockt“ und innerhalb der bestehenden Infrastruktur transportiert werde. Der Transport erfolge über Hochsee- und Binnenschiffe, Schiene und Straße. LOHC ermögliche den sicheren und kosteneffizienten Transport sowie Import von kostengünstigem, grünem Wasserstoff.

Armin Schnettler (Siemens Energy) mahnte zu Tempo. Noch seien deutsche Unternehmen Technologieführer im Bereich Wasserstoff. Dieser Vorsprung müsse erhalten und ausgebaut werden. Zu den größten Prioritäten zähle die Befreiung für Elektrolyse von der EEG-Umlage.

Kerstin Andreae (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) fordert, dass bis zum Jahre 2050 die Gasversorgung vollständig auf klimaneutrale und dabei möglichst weitgehend auf erneuerbare Gase umgestellt werde. Im Bereich Wärme regte sie die Beimischung von Wasserstoff in Gasnetze an.

Daniela Jansen (IG Metall) sieht die Wasserstofftechnologie in einer Schlüsselrolle im weltweiten Rennen um eine ressourcenschonende und klimaneutrale Produktion. Ein Schwerpunkt liege bei der Stahlindustrie. Die NWS setze jedoch vor allem auf Forschung und Entwicklung, vernachlässige indes bisher die Aus- und Weiterbildung. Mit dem Einsatz von Wasserstoff würden in vielen Branchen neue Anwendungsfelder zum Einsatz kommen, für die bisher vielfach noch nicht die notwendigen Qualifikationen bei den Beschäftigten vorhanden seien.

Lars Baumgürtel (Voigt und Schweitzer) begrüßte zwar die NWS, machte jedoch aus Sicht des energieintensiven Mittelstands für den anstehenden Markthochlauf Klärungsbedarf und inhaltliche Lücken aus. Der Mittelstand sei verstärkt in die weitere Entwicklung der Wasserstoffstrategie einzubinden. Im Bereich der Prozesswärme gebe es ein großes Potenzial, von Erdgas auf Wasserstoff umzustellen.

Felix Matthes (Öko-Institut) drängte auf eine schnellere Konkretisierung der NWS. Bisher bewegten sich die meisten der vorgeschlagenen Maßnahmen noch auf einem relativ hohen Abstraktionsniveau. Zu den besonders vordringlichen Maßnahmen zählte er den Aufbau eines robusten Zertifizierungssystems für klimaneutralen Wasserstoff im Rahmen der Europäischen Union und auch darüber hinaus.

Mario Ragwitz (Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie) sieht in der Wasserelektrolyse eine entscheidende industriepolitische Komponente; nicht nur für die Erzeugung des hierzulande benötigten Wasserstoffs, sondern auch als Flexibilitätsoption im Stromnetz und als Technologie für den internationalen Exportmarkt. Von zentraler Bedeutung seien eine Anpassung des regulatorischen Rahmens für Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom, die Förderung von Demonstrationsobjekten und der Aufbau der notwendigen Infrastruktur. Regulatorische Hemmnisse für Brennstoffzellenfahrzeuge und Wasserstofftankstellen müssten abgebaut werden.

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Ausführliche Stellungnahmen der Sachverständigen und Videomitschnitt (Dauer 01:50)
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