(Oldenburg / Emden) – Der norddeutsche Energieversorger EWE AG will im ostfriesischen Emden eine 320-Megawatt-Elektrolyseanlage installieren. Damit wolle man „erstmalig ein Projekt im marktrelevanten Maßstab für eine künftige Wasserstoffwertschöpfungskette“ umsetzen, erklärte EWE-Chef Stefan Dohler. „Wasserstoff ist eine unverzichtbare Komponente, um gesteckte Klimaziele zu erreichen und um die drei Sektoren Strom, Mobilität und Industrie zu koppeln.“ Der Bau könnte 2023 beginnen und grüner Wasserstoff ab 2026 erzeugt werden.

Bau nur mit Bundes- und Landesförderung

Nach Dohlers Angaben könne EWE „ein solches Mammutprojekt nicht allein umsetzen“. Die Elektrolyse erfordere Investitionen in Höhe von knapp einer halben Milliarde Euro. Mit Bundes- und Landesförderung sowie der beihilferechtlichen EU-Genehmigung würde der Rahmen stehen und die weiteren Planungen und Untersuchungen könnten beginnen.

Als Standort hat der Energiedienstleister ein Grundstück im Borssumer Hammrich gewählt, in unmittelbarer Nähe zum Umspannwerk des Übertragungsnetzbetreibers Tennet. Analysen hätten gezeigt, „dass Emden aktuell einer der besten Standorte ist, um eine erneuerbare Wasserstofferzeugung optimal in das vorhandene Energiesystem zu integrieren“. EWE könne auf die bestehende Infrastruktur aufbauen und diese für den Transport und die Speicherung von grüner Energie nutzen. Die ostfriesischen Landkreise Aurich, Leer, Wittmund und die kreisfreie Stadt Emden, die ihre Wasserstoffaktivitäten in „H2Ostfriesland“ gebündelt haben, verfolgen gemeinsam das Ziel, Ostfriesland zu einer der wichtigsten Regionen für Wasserstoff in Deutschland zu entwickeln.

Strom aus Offshore-Windparks für die Elektrolyse

Nach Angaben von Geert Tjarks, Abteilungsleiter Geschäftsfeldentwicklung Wasserstoff bei EWE, würden „rund um Emden so viel erneuerbare Energien in großen Windparks erzeugt, dass diese nicht immer direkt verbraucht oder über die Stromleitungen abtransportiert werden“ könnten. „Das wollen wir mit der geplanten Wasserstofferzeugung per Elektrolyse ändern.“ Durch dessen Nutzung könne in Emden jährlich über eine Terawattstunde grüner Wasserstoff hergestellt werden.

Das für die Produktion benötigte Wasser sei kein Trinkwasser, sondern überwiegend Oberflächenwasser. Der dabei entstehende Sauerstoff in einer Größenordnung von jährlich mehr als 200.000 Tonnen werde „der Umgebung“ zugeführt, heißt es in einer EWE-Mitteilung.

Vorhaben ist Teil eines Großprojekts

Die großtechnische Wasserstofferzeugung ist Teil des vier Abschnitte umfassenden Vorhabens „Clean Hydrogen Coastline“. Damit hatte sich ein Konsortium im Februar 2021 im Rahmen des europäischen IPCEI-Programms (Important Project of Common European Interest) für eine Förderung beworben und im Mai 2021 die zweite Stufe des Verfahrens erreicht. Daran beteilig sind neben EWE der Stahlkonzern ArcelorMittal Bremen, der Fahrzeugbauer Faun, der Fernleitungsnetzbetreiber Gasunie, der Energieversorger SWB und der Übertragungsnetzbetreiber Tennet. Die Unternehmen wollen bis 2026 in der Region Nordwest 400 Megawatt Elektrolysekapazität aufbauen.

Seit Oktober 2018 wiederum verfolgt ein weiteres Konsortium aus Thyssengas, Gasunie und Tennet im Rahmen eines „Element Eins“ genannten Vorhabens das Konzept einer industriellen Power-to-Gas-Anlage in der 100-Megawatt-Klasse, um so Strom aus erneuerbaren Energien in grünen Wasserstoff umzuwandeln. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie wurde Ostfriesland (Diele, Landkreis Leer) als geeigneter Standort für den Elektrolyseur identifiziert.

Konsortien kooperieren

Im November 2021 beschlossen beide Konsortien die Zusammenführung ihrer Projekte. Damit wurde laut Thyssengas der Grundstein gelegt „für eine komplette Wertschöpfungskette mit den Stufen Wasserstofferzeugung, Strominfrastruktur, großtechnische Wasserstoffspeicherung in Salzkavernen sowie Transport über zukünftige Wasserstoffpipelines auf der Basis bestehender Infrastrukturen“. Gemeinsames Ziel ist es nun, die niedersächsische Küstenregion bis 2026 zu einem „ersten europäischen Wasserstoffcluster“ zu entwickeln.

Bei dieser Entwicklung spielt auch das niedersächsische Huntorf bei Elsfleth eine Rolle. Dort wollen die EWE AG und Uniper SE einen Wasserstoffknotenpunkt etablieren. Uniper betreibt am Standort Huntorf ein Druckluft-Speicherkraftwerk zur Notstromversorgung und Netzstabilisierung. EWE nutz in unmittelbarer Nähe einen Erdgas-Kavernenspeicher. Perspektivisch könnten Kavernenspeicher auch für die Wasserstoffspeicherung nutzbar sein und vorhandene Erdgasleitungen dem Transport von Wasserstoff dienen.

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Im Rahmen des Projekts „BorWin3“ errichtete der Übertragungsnetzbetreiber Tennet in Emden/Ost eine Konverterstation mit Umspannwerk, um den bei Borkum in der Nordsee erzeugten Windstrom in das Stromnetz einzuspeisen. © Tennet TSO

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EWE-Chef Stefan Dohler (zweiter von links) mit Tennet-COO Tim Meyerjürgens, Emdens Oberbürgermeister Tim Kruithoff und Olaf Meinen, Landrat von Aurich, vor dem Emder Rathaus am Delft © EWE AG / Tobias Bruns

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Ein Konsortium namhafter Konzerne will im Nordwesten ein Wasserstoffcluster mit einer Elektrolysekapazität von 400 Megawatt aufbauen. © EWE AG

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