(Berlin / Deutschland) – Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) gebilligt. Damit ist nunmehr die Wasserstoff-Netzentwicklungsplanung und die Finanzierung des Kernnetzes beschlossen.

Der Hochlauf des Wasserstoffmarktes diene der Versorgungssicherheit und – damit vor allem – der Dekarbonisierung in den Wirtschaftssektoren mit den höchsten Treibhausgasemissionen, in denen „auch unter Berücksichtigung von Umweltgesichtspunkten keine energie- und kosteneffizienteren Alternativen zu Wasserstoff“ verfügbar seien, so die Bundesregierung. Es sei erforderlich, „auf die vorhandenen privatwirtschaftlichen Strukturen aufzubauen, um das Know-how und Fachkräftepotenzial umgehend und bestmöglich nutzen zu können“.

Insbesondere solle ein hoher Anteil von gegenüber dem Neubau deutlich effizienteren Umstellungen vorhandener Leitungsinfrastruktur ermöglicht werden, um die Investitionskosten gering zu halten. Mit den neuen Regelungen werde zudem die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie umgesetzt.

Netzentwicklungsplanung für Wasserstoff

Aufbauend auf der geplanten Schaffung eines Wasserstoffkernnetzes verfolge man das Ziel, weitere Verbraucher, Erzeuger sowie Wasserstoffspeicher anzubinden „und ein flächendeckendes Wasserstoffnetz aufzubauen“. Hierzu soll zeitnah eine turnusmäßige Netzentwicklungsplanung für Wasserstoff eingeführt werden.

Dies erfolge zusammen mit der Netzentwicklungsplanung für Erdgas, um Wechselwirkungen zu berücksichtigen. „Dadurch soll auch das Ziel einer Transformation Deutschlands hin zu einer dekarbonisierten Volkswirtschaft vorangebracht werden, indem zunehmend Erdgasleitungen auf den Wasserstofftransport umgestellt werden“, heißt es in dem Gesetz.

Verordnung für Herkunftsnachweis

Das Parlament stimmte zudem der Verordnung für ein Herkunftsnachweisregister für Gas (einschließlich Wasserstoff), Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energiequellen oder unvermeidbarer Abwärme zu (GWKHV). Damit würden die Vorgaben zur Ausstellung, Anerkennung, Übertragung und Entwertung von Herkunftsnachweisen konkretisiert.

Die Verordnung diene auch der Umsetzung von EU-Vorgaben zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen für Gas, Wasserstoff, Wärme oder Kälte. Die Aufgabe der Einrichtung und des Betriebs beider Register werde dem Umweltbundesamt (UBA) übertragen.

Hochlauf in zwei Stufen

In einem ersten Schritt verbindet das Wasserstoffkernnetz demnach in den kommenden Jahren wesentliche Wasserstoffstandorte sowohl auf Angebots- als auch auf Nachfrageseite. Somit sollen große Verbrauchs- und Erzeugungsregionen für Wasserstoff in Deutschland erreicht und wesentliche Wasserstoffstandorte wie Industriezentren, Speicher, Kraftwerke und Importkorridore angebunden werden. Die Leitungen würden sukzessive im Zeitraum von 2025 bis 2032 in Betrieb genommen. Die Prüfung und Genehmigung des Kernnetzes obliegt der Bundesnetzagentur. Ab Sommer könne die Umsetzung erster Kernnetzprojekte beginnen.

Das Wasserstoffkernnetz verbindet in den kommenden Jahren wesentliche Wasserstoffstandorte sowohl auf Angebots- als auch auf Nachfragseite. Die Leitungen werden sukzessive von 2025 bis 2032 in Betrieb genommen. © FNB Gas

Im zweiten Schritt wird das Kernnetz in eine fortlaufende integrierte Netzentwicklungsplanung für Gas und Wasserstoff überführt. Ein solcher Plan solle im Jahr 2026 von der Bundesnetzagentur genehmigt werden. Fernleitungsnetzbetreiber und regulierte Betreiber von Wasserstofftransportnetzen erstellten künftig alle zwei Jahre einen Szenariorahmen und darauf aufbauend einen integrierten Netzentwicklungsplan für beide Energieträger. Vorgesehen sind öffentliche Konsultationen, die Einrichtung einer Koordinierungsstelle der betroffenen Netzbetreiber sowie einer Datenbank.

Allerdings soll für einzelne Kernnetzprojekte auch deren Inbetriebnahme nach 2032 bis 2037 möglich sein. Die zeitliche Flexibilisierung sorge dafür, dass solche Projekte weiterhin Anspruch auf die Kernnetzfinanzierung hätten und sich der tatsächlichen Bedarfsentwicklung anpassen könnten. „Dadurch wird teurer Leerstand von möglicherweise erst später erforderlichen Wasserstoffleitungen verhindert“, so das Wirtschaftsministerium. „Dies spart Kosten und kommt dem Ziel eines effizienten Hochlaufs der Wasserstoffwirtschaft zugute.“ Eine Verschiebung der Inbetriebnahme des Kernnetzes insgesamt sei damit nicht verbunden.

Kernnetz privat finanziert

Das Kernnetz werde grundsätzlich vollständig privatwirtschaftlich über Netzentgelte finanziert. Um zu verhindern, dass in den ersten Jahren des Netzaufbaus sehr hohe Entgelte den Wasserstoffhochlauf behinderten, würden die Netzentgelte gedeckelt. Künftige Kernnetzbetreiber erhielten „eine risikoangemessene Verzinsung“ nebst Risikoabsicherung des Bundes unter Anrechnung eines Selbstbehalts.

Durch eine zeitliche „Entgeltverschiebung“ trügen spätere Nutzer die Aufbaukosten des Netzes mit. Diese Finanzierungsregelungen bedürfen allerdings noch der beihilferechtlichen Genehmigung der Europäischen Kommission.

Bereits vor einigen Tagen hatte die Bundesnetzagentur die Konsultation zur Festlegung von „Bestimmungen zur Bildung der für den Zugang zum Wasserstoffkernnetz zu erhebenden Netzentgelte und zur Einrichtung eines für eine gewisse Dauer wirksamen Amortisationsmechanismus“ (WANDA) gestartet. Die Behörde ruft die Marktteilnehmer auf, bis zum 30. April dazu Stellungnahmen abzugeben.

BDEW begrüßt Regelung zur Finanzierung

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßt die Einigung hinsichtlich des Finanzierungsrahmens als „wichtigen Schritt für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur“. Positiv sei, dass im Fall einer Insolvenz eines Kernnetzbetreibers die anderen Betreiber nicht haften müssten, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

Kerstin Andreae, BDEW: „Zentral ist, die hohen Risiken der Hochlaufphase auf ein marktverträgliches Maß zu reduzieren.“ © BDEW / Thomas Imo Photothek

Investoren benötigten Rahmenbedingungen, um die Chancen und Risiken in Balance zu halten. „Schließlich geht es um Milliardeninvestitionen“, so Andreae. „Zentral ist, die hohen Risiken der Hochlaufphase auf ein marktverträgliches Maß zu reduzieren und auch im internationalen Vergleich attraktive Investitionsbedingungen zu schaffen.“ Mit der Flexibilisierung der Frist für die Inbetriebnahme der H2-Kernnetzleitungen von 2032 auf 2037 „wurde zudem sichergestellt, dass der Netzhochlauf besser an die Nachfrage angepasst werden kann“. Ob die Regelungen ausreichend seien, „um genügend private Kapitalgeber für Investitionen in die Wasserstoffinfrastruktur zu gewinnen, wird sich nun zeigen“.

FNB Gas: „Modell gesamtheitlich bewerten“

Die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V. (FNB Gas) kritisiert, dass „zentrale Anpassungen zur kapitalmarktfähigen Ausgestaltung des Modells nicht übernommen“ worden seien.

Barbara Fischer, FNB: „Kapitalmarktfähigkeit des Finanzierungsrahmens erscheint fraglich.“ © FNB Gas

Dazu zähle die Absenkung der Höhe des Selbstbehaltes sowie die nach Interpretation der FNB „fehlende gesetzliche Möglichkeit der Verbuchung der Restwerte im Amortisationskonto bei Scheitern des Markthochlaufes“, sagt FNB-Geschäftsführerin Barbara Fischer. „Entsprechend erscheint die Kapitalmarktfähigkeit des Finanzierungsrahmens fraglich.“

Die Änderungen bezüglich der Haftungsrisiken der Netzbetreiber im Insolvenzfall sowie die Möglichkeit der zeitlichen Streckung von Kernnetzprojekten bis zum Jahr 2037 hingegen sieht der Verband positiv. „Wir werden das Modell nun gesamtheitlich bewerten“, so Fischer.

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Bundestag stimmt für die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes. © Deutscher Bundestag / Zumbansen