(Canberra / Perth) – Eigentlich wollte Australien den Rest der Welt abhängen: Die Zentralregierung unter Premierminister Scott Morrison hatte dem im Bundesstaat Western Australia geplanten gigantischen Wasserstoffprojekt „Asian Renewable Energy Hub“ (AREH) im Oktober 2020 den Status eines Großprojekts („Major Status“) verliehen. Dies sollte das Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigen.

Davon ist nun keine Rede mehr. Stattdessen verweigert die Umweltministerin derselben Regierung, Sussan Ley, dem Vorhaben ihr Placet. Eine dem Ministerium im letzten Monat vorgelegte aktualisierte Planung habe „inakzeptable ökologische Auswirkungen“, zitiert die öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft „ABC News“ einen Sprecher der Ministerin. Das Projekt wirke sich negativ auf bedrohte Vogelarten in den Feuchtgebieten nahe des Eighty Mile Beach an der Nordwestküste der Region Pilbara aus. Überdies störe die geplante bauliche Infrastruktur die Gezeitenbewegungen, „was ernsthaft die Lebensräume und den Lebenszyklus der einheimischen Arten“ beeinträchtige, die von dem Feuchtgebiet abhängig seien. Kurzum: Die Pläne widersprächen dem nationalen Umweltschutzgesetz (Environment Protection and Biodiversity Conservation Act, EPBC).

Das ist geplant

Die Initiatoren von AREH wollen für 36 Milliarden australische Dollar (25,6 Milliarden Euro) eines der weltweit größten Wind- und Solarprojekte mit einer installierten Leistung von zunächst 15 Gigawatt aufbauen, davon zehn Gigawatt Windkraft und fünf Gigawatt Photovoltaik. Teile davon wurden bereits von Western Australias Behörden genehmigt. Anschließend ist eine Erweiterung auf 26 Gigawatt geplant. Davon sollen drei Gigawatt den großen Energieverbrauchern in der Region Pilbara zur Verfügung stehen, insbesondere der Bergbauindustrie. Der Großteil des erzeugten Stroms wird aber für die Produktion grünen Wasserstoffs und Ammoniaks für den Inlands- und Exportmarkt verwendet. Elektrolyseure mit einer Leistung von 14 Gigawatt sollen dafür den Ökostrom sowie entsalztes Meerwasser nutzen.

Die Infrastruktur umfasst nicht nur Produktionsanlagen und Pipelines, sondern auch eine Offshore-Exportplattform sowie den Bau einer komplett neuen Stadt. Die Gesamtinvestitionen werden auf mehr als 50 Milliarden Dollar veranschlagt.

Bundesstaat völlig überrascht

Die Regierung des Bundesstaates Western Australia (WA) war übereinstimmenden Medienberichten zufolge im Vorfeld offenbar nicht über den neuen Sachverhalt informiert worden. Alannah MacTiernan, Ministerin für regionale Entwicklung und Wasserstoffindustrie, sagte, sie sei überrascht, dass die Bundesregierung die Pläne von AREH für die Produktion und den Export von grünem Wasserstoff und Ammoniak zurückgewiesen habe. Es scheine, „dass es nicht viele Gespräche mit den Befürwortern gab“.

Die Entscheidung werfe überdies „ein schlechtes Licht auf die Zukunft der australischen Wasserstoffindustrie“, erklärte die Ministerin. „Wir müssen sehr klar sagen“, wo die Regierung stehe. Sie betonte indes, dass es demgegenüber offenbar möglich sei, unter der Regierung Morrissons „einige ziemlich kontroverse Kohleprojekte“ problemlos zu genehmigen.

Wie geht es weiter?

Zu den Mitgliedern des AREH-Konsortiums gehören der Hersteller grünen Wasserstoffs Intercontinental Energy, der Entwickler von erneuerbaren Energien CWP Global, der Windturbinenbauer Vestas, Pathways Investments, einem Fonds der Macquarie-Gruppe, die Aborigines, denen traditionell das Nyangumarta County gehört, und das Energy Change Institute der Australian National University (ANU).

Die Beteiligten wollen nunmehr die Pläne so ändern, dass das Projekt dennoch vorangetrieben werden kann. Man werde mit der Ministerin zusammenarbeiten und das Design weiter entwickeln. Professor Andrew Blakers, Direktor des Australian National University Center für nachhaltige Energiesysteme, erklärte gegenüber „ABC“, wie wichtig es sei, Projekte für erneuerbare Energien nach hohen Umweltstandards zu planen und zu bauen. Er fügte hinzu, dass er es gerne sähe, wenn „alle Minenstandorte in Zukunft hauptsächlich mit Solar- und/oder Windenergie“ betrieben würden.

CEC fordert Klarstellung

Die Industrievereinigung Clean Energy Council (CEC) zeigte sich allerdings besorgt über die Entscheidung. „Der Asian Renewable Energy Hub ist eine wirtschaftliche Chance für Australien und leistet einen bedeutenden Beitrag zu den lokalen und globalen Dekarbonisierungsbemühungen.“ Der Wert des Projekts für Australien sei von der Bundesregierung anerkannt worden, indem sie ihm den Status eines Großprojekts verlieh. Man gehe davon aus, dass die Bundesumweltministerin „den erweiterten Vorschlag für dieses Projekt abgelehnt hat, bevor die detaillierten Umweltstudien abgeschlossen“ worden sind, heißt es in einer Stellungnahmen des Verbandes am Montag. Der Clean Energy Council fordert „dringend eine Klarstellung“, dass diese Entscheidung nicht im Widerspruch stehe zum Genehmigungsverfahren bei nicht-erneuerbaren Projekten. Man erwarte, dass der Commonwealth mit dem Asian Renewable Energy Hub zusammenarbeite, um das weitere Vorgehen gemäß den Umweltgesetzen zu bewerten und abzustimmen.

Deep Link
https://asianrehub.com
https://www.theguardian.com/australia-news/2021/jun/21/environment-minister-rules-huge-renewable-energy-hub-in-wa-clearly-unacceptable
https://www.abc.net.au/news/2021-06-21/government-rejects-plans-for-massive-renewable-energy-hub/100228008

Foto
Pilbara: In der Region an der Nordwestküste Australiens sollen Wind- und Solarparks entstehen, deren Strom auch Konzernen wie Rio Tinto zugute kommt, eines der weltweit größten Bergbauunternehmen / © Rio Tinto

Grafik
Skizze der geplanten Projekt / © AREH