(Brüssel / Belgien) – Weltweit sind 500 Projekte für sauberen Wasserstoff in Betrieb, im Bau oder soweit fortgeschritten, dass die endgültige Investitionsentscheidung (FID) bereits getroffen wurde. Das Investitionsvolumen beträgt rund 110 Milliarden Dollar, ein Plus von 35 Milliarden Dollar gegenüber dem vergangenen Jahr.

Das bestätigte globale Investitionsvolumen in sauberen Wasserstoff beträgt rund 110 Milliarden Dollar gegenüber 75 Milliarden im vergangenen Jahr. © Grafik aus Global Hydrogen Compass 2025
Dies geht aus dem „Global Hydrogen Compass“ hervor, den die Unternehmensorganisation Hydrogen Council gemeinsam mit McKinsey & Company verfasst hat. Die Studie spricht zumeist von „clean hydrogen“, was nicht zwingend mit der in der Regel in Europa genutzten Definition von „grünem“ Wasserstoff aus erneuerbaren Energien gleichzusetzen ist. In einigen Weltregionen – etwa in den USA – gilt auch Wasserstoff, der zum Beispiel mittels Atomstrom hergestellt wird, als „emissionsarm“, weil es im Produktionsprozess keinen CO2-Ausstoß gibt („low carbon hydrogen“).
Von den 510 weltweit bestätigten Wasserstoffprojekten kamen 83 seit Mai 2024 hinzu. © Grafik aus Global Hydrogen Compass 2025
Der Studie zufolge verzeichnet der Wasserstoffsektor „seit 2020 ein durchschnittliches jährliches Investitionswachstum von 50 Prozent“. Dies gehe mit einer „natürlichen Fluktuation“ einher: Aussichtsreiche Projekt kämen voran, die weniger rentablen würden zurückgezogen, „was die kontinuierliche Reifung der gesamten Branche“ zeige, so der Bericht. Seit 2020 seien weltweit mehr als 1.700 Projekte für emissionsarmen Wasserstoff angekündigt und etwa 50 Projekte in den letzten 18 Monaten abgesagt worden, was etwa drei Prozent der gesamten Pipeline entspreche. Die meisten davon befänden sich in der Frühphase. Strukturelle Herausforderungen wie die anhaltend hohen Zinssätze und die verzögerte Unterstützung der Politik in einigen Regionen erhöhten den Druck.

Auf Basis der aktuellen Projektpipeline könnte bis 2030 eine Produktionskapazität von neun bis 14 Millionen Tonnen pro Jahr für sauberen Wasserstoff entstehen, davon etwa die Hälfte mittels erneuerbarer Energien. © Grafik aus Global Hydrogen Compass 2025
Auf der Angebotsseite betrage die zugesagte Gesamtkapazität mehr als sechs Millionen Tonnen pro Jahr (mtpa), von denen eine Million bereits in Betrieb sei, so der Bericht: „Unter Berücksichtigung von Verzögerungen und erwarteten Abgängen könnte die derzeitige Projektpipeline bis 2030 eine Kapazität von neun bis 14 Millionen Tonnen pro Jahr für sauberen Wasserstoff bereitstellen“. Allerdings sei die Erschließung der Nachfrage eine „große Herausforderung“. Denn auf der Nachfrageseite seien bislang nur etwa 3,6 Millionen Tonnen verbindlich angefordert. In dem Maße, wie die Politik in Schlüsselmärkten wie der EU, den USA, Japan und Korea Klarheit schaffe, könne die Nachfrage nach sauberem Wasserstoff bis 2030 auf jährlich acht Millionen Tonnen ansteigen.

Vorreiter in fernost: Asiatische Länder investieren kumuliert mehr als 50 Milliarden Dollar in Wasserstoffprojekte. © Grafik aus Global Hydrogen Compass 2025
China sei mit 33 Milliarden Dollar weltweit führend bei den zugesagten Gesamtinvestitionen, und mit über 50 Prozent der aktuell weltweit verfügbaren Kapazität für erneuerbare Energien auch führend bei der Ankündigung der Produktion von erneuerbarem Wasserstoff. Es folgen Nordamerika mit bestätigten Investitionen von 23 Milliarden Dollar, wo auch 85 Prozent der weltweiten „kohlenstoffarmen“ Wasserstoffproduktionen angesiedelt sind. In Europa wiederum werden 19 Milliarden Dollar investiert, der Anteil der Projekte für grünen Wasserstoff ist dort der zweitgrößte nach China.

Hauptgründe für Projektabsagen sind mangelnde politische Unterstützung. Damit einher gehen eine Verunsicherung der Märkte und Finanzierungsschwierigkeiten. Infrastrukturelle oder technologische Probleme gibt es hingegen kaum. © Grafik aus Global Hydrogen Compass 2025
„Die Beschleunigung des Marktaufbaus und die Sicherung verbindlicher Abnahmevereinbarungen müssen zur Priorität werden, um sicherzustellen, dass die heutigen Projekte echte Wirkung zeigen“, sagt Sanjiv Lamba, Co-Vorsitzender des Hydrogen Council und Geschäftsführer des Industriegasherstellers Linde. „Um dies zu erreichen, ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Regierungen erforderlich, um die für den Fortschritt notwendigen Rahmenbedingungen und Partnerschaften zu schaffen.“

Neue Studie der Wasserstoffwirtschaft. © Hydrogen Council
Der „Global Hydrogen Compass“ kombiniert den Angaben zufolge Branchendaten mit den Erkenntnissen von Geschäftsführern der Branche. Eine Mehrheit von 74 Prozent der befragten CEO berichteten von einer „stabilen oder gestiegenen Investitionsbereitschaft in den letzten zwei Jahren“. Rund 97 Prozent sagten demnach, Wasserstoff sei „eine entscheidende Dekarbonisierungslösung für schwer abbaubare Sektoren“ sowie für die Gesamtwirtschaft (65 Prozent). Rund 83 Prozent erwarten ein weiteres Wachstum der Branche. Der Hydrogen Council ist eine globale, von Geschäftsführern geleitete Initiative mit rund 140 Unternehmen aus mehr als 20 Ländern in Nord- und Südamerika, Europa, Afrika, dem Nahen Osten sowie dem asiatisch-pazifischen Raum.
Den „Global Hydrogen Compass 2025 – Industry progress and lessons learned from the first wave of mature clean hydrogen projects“ gibt es kostenfrei als PDF (54 Seiten).
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Mitte September hat die Siemens Energy AG mit der Lieferung von zwölf PEM-Elektrolyseuren mit einer Gesamtleistung von 200 Megawatt in die Normandie, Frankreich, begonnen. Air Liquide baut dort in der Industriezone von Port-Jérôme-sur-Seine gerade seine „Normand’Hy“ genannte Anlage zur Herstellung von jährlich 28.000 Tonnen erneuerbaren Wasserstoff. © Air Liquide