(St. John’s / Kanada) Im August vergangenen Jahres hatten Deutschland und Kanada bei einem Staatsbesuch in der Provinz Neufundland und Labrador vereinbart, eine „Transatlantische Lieferkette“ für Wasserstoff aufzubauen. Deren Entwicklung hat nun eine weitere Stufe erreicht.

Im Rahmen einer Ausschreibung für Windkraft- und Wasserstoffprojekte bewarben sich 19 Unternehmen mit 24 Vorhaben. Davon fanden neun Angebote den Weg auf die Shortlist. Jetzt erteilte das Ministerium für Industrie, Energie und Technologie vier Unternehmen die Zuschläge zur Umsetzung ihrer Pläne.

Lage der Halbinsel Burin (hervorgehoben) in der kanadischen Provinz Neufundland und Labrador an der Ostküste des Landes. © Gov. of Canada

So hat die kanadische Everwind Fuels LLC nun das Exklusivrecht für die Entwicklung eines Projekts für grüne Kraftstoffe auf der Burin-Halbinsel erhalten. Für den „Burin Peninsula Green Fuels Energy“-Plan will Everwind Windenergie nutzen, um gemeinsam mit der CNW Group zunächst Wasserstoff und anschließend Ammoniak für den Export herzustellen. Die Windparks mit eine installierten Leistung von kumuliert mehr als zwei Gigawatt sollen bis 2027 in Betrieb gehen. Das Investitionsvolumen liegt bei acht Milliarden kanadischen Dollar (5,58 Milliarden Euro). Mittlerweile installierte Everwind auf dem ersten von sechs auf Burin geplanten Wettertürmen die Instrumente zur Erfassung von meteorologischen Daten. Überdies habe sich das Unternehmen mit Elemental Energy, Eigentümer des 27 Megawatt leistenden St. Lawrence-Windparks, zusammengetan, um sich Zugang zu historischen Winddaten zu sichern, die bis ins Jahr 2007 zurückreichen.

World Energy: Nujio’qonik ist auf dem Weg

Auch die kanadische World Energy GH2 Inc. erhält staatliche Grundstücke in Neufundland und Labrador, um sein Nujio’qonik genanntes Wasserstoffprojekt voranzubringen. Dieses umfasst zunächst zwei Windparks mit je einem Gigawatt Leistung an der Westküste, eine grüne Wasserstoffanlage mit einer Jahreskapazität von 60.000 Tonnen sowie eine Ammoniakanlage mit 360.000 Tonnen im Tiefseehafen von Stephenville, den GH2 im Juni gekauft hatte. Zuvor erwarb im Mai der südkoreanische Mischkonzern SK Ecoplant Co. einen Anteil von 20 Prozent an Nujio’qonik und investiert 50 Millionen Dollar in das Projekt.

Grafik der geplanten Wasserstoff- und Ammoniakfabrik von World Energy in Stephenville. © World Energy GH2

Zusätzlich zu den ersten beiden Genehmigungen wurden zwei weitere Gebiete mit einer bebaubaren Fläche für Windparks mit einer installierten Leistung von vier Gigawatt in unmittelbarer Nähe des geplanten Standorts der Elektrolyseure an das Unternehmen vergeben. Nujio’qonik sei derzeit das einzige grüne Wasserstoffprojekt in Neufundland und Labrador, das die erforderlichen Analysen durchgeführt und nach mehr als 15 Monaten Feldstudien eine Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) eingereicht habe, erklärt die Firma; eine UVE ist die strengste Umweltverträglichkeitsanforderung in der Provinz.

World Energy GH2 wird einen Konsultations- und Beteiligungsprozess mit den Gemeinden in und in der Nähe der künftigen Erweiterungsgebiete einleiten. Überdies seien die Vorarbeiten für das FEED (Front-End-Engineering und Design) abgeschlossen, sagt Geschäftsführer Sean Leet. „Der nächste wichtige Meilenstein für das Projekt Nujio’qonik ist die Antwort der Provinz auf die Umweltverträglichkeitserklärung“, die noch in diesem Herbst erwartet wird. Die Wasserstoffproduktion soll Ende 2025 beginnen.

ABO Wind: Flächen für fünf Gigawatt

Die Wiesbadener ABO Wind AG hat sich bei der Ausschreibung für Windenergieprojekte ebenfalls Flächen auf staatlichem „Crown Land“ gesichert. Der Projektentwickler erhält damit das Recht, dort das Windkraft- und Wasserstoffvorhaben „Toqlukuti’k Wind and Hydrogen“ zu entwickeln.

Fläche in Neufundland, auf der ABO Wind seine Windparks entwickeln will. © ABO Wind Canada Ltd.

Man wolle „die exzellenten Windbedingungen der kanadischen Provinz nutzen, um einen Windpark mit fünf Gigawatt Leistung inklusive angeschlossener Wasserstoff- und Ammoniakproduktion zu installieren“, sagt ABO-Wind-Vorstand Karsten Schlageter. Dies entspreche dem „deutschlandweiten Onshore-Windkraftzubau der vergangenen drei Jahre“ und sei Teil des insgesamt 20 Gigawatt umfassenden Wasserstoffportfolios des Unternehmens.

Die bezuschlagten Flächen liegen in der Nähe einer Biokraftstoffraffinerie von Braya Renewable Fuels in der Gemeinde Come by Chance. Der aus dem Ökostrom hergestellte grüne Energieträger solle unmittelbar zur Dekarbonisierung der Raffinerie beitragen. Bereits im März 2023 hatten Braya Renewable Fuels und ABO Wind eine Partnerschaft zur gemeinsamen Entwicklung von grünem Wasserstoff vereinbart. Im Anschluss gab Braya dann im April ein 300-Millionen-Dollar-Investment von Energy Capital Partners (ECP) in den Raffinerieumbau bekannt. „Erneuerbarer Diesel, nachhaltiges Flugbenzin, Wasserstoff und Ammoniak sind die Alternativen zu fossilen Kraftstoffen und reduzieren die Emissionen in Sektoren wie Schwerverkehr, Luftfahrt und Schwerindustrie“, sagt Braya.

Das „Toqlukuti’k Wind and Hydrogen“-Projekt ist in mehrere Phasen eingeteilt: Zunächst soll in einer Pilotphase grüner Wasserstoff für die Raffinerie hergestellt werden. Strom aus dem Netz des staatlichen Versorgers NL Hydro würde zum Betrieb einer 30-Megawatt-Elektrolyseanlage in Come By Chance verwendet, die bis 2025 in Betrieb geht. Damit werde genügend grüner Wasserstoff produziert, um etwa 13 Prozent des Braya-Bedarfs zu decken.

In den Jahren 2027/28 werde in Phase 1 die Kapazität erhöht und mit dem Ertrag von Onshore-Windkraftanlagen an Standorten in der Nähe der Raffinerie der Elektrolyseur betrieben. Phase 2 (2028/29) dient dem Ausbau der Stromversorgung zur Vorbereitung auf den Ammoniak-Export. Erst danach werde tatsächlich grünes Ammoniak für den Export produziert (Phase 3, 2030-2034). Dazu sollen schrittweise weitere Windkraftanlagen nahe der Raffinerie zugebaut und die Leistung der Elektrolyseure stufenweise erhöht werden. Das Projekt leiste damit „einen entscheidenden Beitrag zur im letzten Jahr im neufundländischen Stephenville geschlossenen deutsch-kanadischen Wasserstoffpartnerschaft“, sagt Braya-Geschäftsführer Frank Almaraz.

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Das Government House ist die Residenz der „Lieutenant Governors“ genannten Regierungschefs von Neufundland und Labrador mit Sitz in St. John’s. Aktuell ist dies Judy M. Foote. © Government of Newfoundland and Labrador