(Bellingham / USA) – Switch Maritime hat eine mit Wasserstoff angetriebene Fähre entwickelt. Die „Sea Change“ ist für 75 Passagiere ausgelegt. Das Unternehmen hat die 242 Kilogramm schweren Tanks auf dem Oberdeck eigenen Angaben zufolge jüngst in der Werft All American Marine erstmals mit Wasserstoff befüllt. 
Jetzt könne man die letzten Tests auf See durchführen. Nach der Erprobung soll das Schiff in der San Francisco Bay Area eingesetzt werden.
Die „Sea Change“ nutzt den Wasserstoff in Brennstoffzellen zur Stromerzeugung. Die Elektromotoren können das Gefährt bei einer Reichweite von 300 Seemeilen (555 Kilometer) mit einer Geschwindigkeiten von bis zu 20 Knoten antreiben. Der Treibstoff wird in Kalifornien mittels Solarstrom hergestellt. Die direkte mobile Betankung durch einen Lkw erfolgte unter Aufsicht der US-Küstenwache (USCG). Damit sei ein „bedeutender Meilenstein“ erreicht, so Pace Ralli, Geschäftsführer von Switch Maritime. Dies eröffne viele Möglichkeit für künftige Einsätze ähnlicher Wasserstoffantriebssysteme auf allen Schiffstypen – einschließlich hochseetauglicher Containerschiffe.
Flotte von kohlenstofffrei angetriebenen Schiffen in Planung
Switch Maritime LLC, gegründet 2017, ist ein US-amerikanisches maritimes Investmentunternehmen, das eine Flotte von emissionsfreien Schiffen in Nordamerika initiiert, die von Schiffseignern und -betreibern übernommen werden können. Die „Sea Change“ sei die erste in einer ganzen Reihe von Fähren, die Switch ab 2022 in Zusammenarbeit mit Kommunen und Reedern bauen will.
Elektrifizierung, sowohl mit Wasserstoff-Brennstoffzellen als auch mit Batterien, habe das Potenzial, auch schwer zu dekarbonisierende Transportsektoren mit hoher Leistung, einschließlich der Seeschifffahrt, auf kohlenstofffreie Antriebe umzustellen, ist das Unternehmen überzeugt.
Zusammenspiel innovativer Technik
Der Bau der „Sea Change“ begann in Alameda, Kalifornien bei Bay Ship and Yacht mit der Herstellung des Rumpfes und der Aufbauten. Anschließend wurde das Schiff zu All American Marine in Bellingham, Washington, verlegt, wo die Brennstoffzellen, die Wasserstofftanks und andere Ausrüstungen installiert und der Bau des Schiffes abgeschlossen wurden. 
Der von Incat Crowther entworfene rund 21 Meter lange Katamaran ist mit einem Wasserstoffsystem von ZEI ausgestattet. Die 360-Kilowatt-Brennstoffzellen stammen von dem US-Motorenbauer Cummins Inc., die 242-Kilogramm-Wasserstofftanks von Hexagon Purus und der 600 Kilowatt leistende Elektroantrieb von BAE Systems. Die Lithium-Ionen-Batteriespeicher mit einer Kapazität von 100 Kilowattstunden hat XALT beigesteuert. Das Baumanagement oblag der Hornblower Group.
Das Projekt wird unter anderem durch einen Zuschuss in Höhe von drei Millionen Dollar (2,6 Millionen Euro) vom California Air Resources Board (CARB) unterstützt. Die im Jahr 1967 gegründete Expertenkommission berät die Regierung in Sachen Luftreinhaltung und arbeitet dazu Gesetzesvorschläge aus.
Die Förderung stammt aus dem Topf der Initiative California Climate Investments, einem landesweiten Programm in Kalifornien zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen, Stärkung der Wirtschaft und zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt. Weitere staatliche Zuschüsse erwarte man aus Mitteln des neuen US-Infrastrukturgesetzes.
Entwicklung mit internationaler Beteiligung
An der Entwicklung der „Sea Change“ war mehr als ein halbes Dutzend internationaler Firmen beteiligt. Zero Emission Industries (ZEI), vormals Golden Gate Zero Emission Marine, wurde ebenfalls 2017 gegründet und kombiniert die Wasserstofftechnologie mit Brennstoffzellen führender Hersteller, um modulare und skalierbare Wasserstoffantriebssysteme anzubieten. Das Unternehmen ist für die Konzeption und Entwicklung des maritimen Wasserstoff- und Brennstoffzellensystems sowie das Betankungssystems des Schiffes verantwortlich; außerdem für die behördliche Genehmigung aller wasserstoffbezogenen Aspekte an Bord.
Für die Betankung während der Seeerprobung hat Switch das Unternehmen West Coast Clean Fuels LLC (WCCF) mit der Entwicklung der durchgängigen Lieferketten für saubere Kraftstoffe beauftragt. WCCF wurde gegründet, um den steigenden Bedarf an kohlenstoffarmen Schiffskraftstoffen wie LNG (Flüssigerdgas), RNG (erneuerbares Erdgas) und wasserstoffbasierte Kraftstoffe wie Wasserstoff, Methanol und Ammoniak zu decken. Das kalifornische Unternehmen hat eine Versorgungskette auf Grundlage kleinerer Liefermengen unter Verwendung von Kraftstofftransfers von Lastwagen zu Schiffen entwickelt. 
BayoTech Inc. sorgt für die Lieferung von gasförmigem Wasserstoff an die „Sea Change“ während der Testphase. Die Firma produziert Wasserstoff kundennah und verteilt ihn über Hochdruck-Gastransport- und Speicheranlagen an die Verbraucher. Überdies verkauft und vermietet BayoTec Wasserstoffproduktionsanlagen zur emissionsfreien Stromversorgung. Langfristig solle eine vollständig kohlenstofffreie Versorgungskette für die Betankung mit grünem Wasserstoff, der derzeit in den USA knapp ist, geschaffen werden.
All American Marine Inc. (AAM) mit Sitz an der Küste der Bellingham Bay wurde 1987 gegründet und ist auf den Bau von maßgeschneiderten Aluminiumschiffen spezialisiert. Das Unternehmen stellt Hochgeschwindigkeitspassagierschiffe, Hybridschiffe, Dinner-Kreuzfahrtschiffe, Patrouillenboote und Forschungsschiffe her. AAM gehört seit März 2021 zur kanadischen Bryton Marine Group, arbeitet jedoch weiterhin als eigenständiges Unternehmen.
Incat Crowther ist ein „Digital Shipbuilder“ mit Hauptsitz im australischen Belrose bei Sydney. Das Unternehmen hat außerdem Büros in den USA und Großbritannien. Kerngeschäft der Ingenieure sind Design-, Bau- und Beratungsdienstleistungen für Spezialschiffe.
Das norwegische Unternehmen Hexagon Purus ASA ist Anbieter von Wasserstoff-Hochdruckzylindern, Batteriepacks und Fahrzeugsystemintegration für Brennstoffzellen- und Batterie-Elektrofahrzeuge. Arbeitsschwerpunkte sind emissionsfreie Lösungen für leichte, mittelschwere und schwere Nutzfahrzeuge, Busse, Verteilerfahrzeuge, Schifffahrt, Bahn sowie Luft- und Raumfahrt. Hexagon Purus hat Niederlassungen in den USA, in Kanada und Deutschland.
„Der Bau von mehr und größeren Schiffen, die große Mengen an Wasserstoff abnehmen, wird die Produktionsmengen von grünem Wasserstoff erhöhen und die Kosten von Wasserstoff gegenüber Diesel senken, was die Einführung von mit Wasserstoff betriebenen Flotten weiter vorantreibt“, erklärte Switch-CEO Pace Ralli. Man sei stolz darauf, einen kleinen Teil dazu beitragen zu können, die breite Einführung der Wasserstofftechnologie zu beschleunigen. Ralli: „Hoffentlich ist dies nur der erste Dominostein, der fällt.“
Fotos
„Sea Change“ – das emissionsfreie Flaggschiff von Switch Maritime – ist eine Fähre für 75 Passagiere, die mit Wasserstoff-Brennstoffzellen und Batterien betrieben wird. © Switch Maritime
