(Berlin) – Der im März vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vorgelegte „Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht“ (19/27453) soll EU-Vorgaben in nationales Recht umsetzen.

Damit werden auch Änderungen in zahlreichen Gesetzen und Verordnungen notwendig, vom Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die Gasnetzzugangsverordnung bis zur Stromnetzentgeltverordung. In einer Anhörung der Verbände im Ausschuss für Wirtschaft und Energie gab es zahlreiche und teils heftige kritischen Anmerkungen zum gesetzlichen Vorhaben rund um den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur.

VDMA: „Speicher sind keine Letztverbraucher“

Gerd Krieger vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) kritisierte die Definition von Energiespeicheranlagen. Der BMWi-Entwurf bezeichne Energiespeicher als Anlagen, die Strom zur Einspeicherung verbrauchen und bei der Ausspeicherung Strom neu erzeugen. Damit werde „die Fiktion aufrechterhalten, dass Speicher als Letztverbraucher“ von elektrischer Energie zu betrachten seien. Als Letztverbraucher müssten Speicher aber auch alle Abgaben, Umlagen, Steuern und Entgelte für Letztverbraucher entrichten. „Die daraus resultierenden finanziellen Belastungen hindern Speicher daran, ihre nützliche Rolle für die Systemstabilität auszuspielen. Sie behindern darüber hinaus den Zubau von erforderlichen neuen Speicherkapazitäten“, heißt es in der Stellungnahme.
Die Binnenmarktrichtlinie definiere Energiespeicherung demgegenüber als „Verschiebung der endgültigen Nutzung elektrischer Energie auf einen späteren Zeitpunkt als den ihrer Erzeugung“. Diese Formulierung mache „unmissverständlich klar, dass die Einspeicherung von Strom somit eben keine endgültige Nutzung ist“. Damit seien Speicher „folgerichtig keine Letztverbraucher“. Der VDMA fordert, Speicher von allen Abgaben zu befreien.
Wortlaut der VDMA-Stellungnahme
https://www.bundestag.de/resource/blob/833312/567de1c10bf1010d14656c08f7cdc1ce/19-9-1023_Stellungnahme_VDMA_oeA_Wasserstoffnetze-data.pdf

VKU: „Wasserstoffnetze regulieren“

Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) betonte, dass der Gesetzentwurf die Möglichkeit für Betreiber von Wasserstoffnetzen vorsehe, für die Regulierung ihres Wasserstoffnetzes zu optieren („Opt-In“). Wasserstoffnetzbetreiber sollten aber nach Auffassung des VKU nicht – „auch nicht übergangsweise“ – die Möglichkeit eines Opt-In für regulatorische Vorgaben haben. Vielmehr sei es „zielführender, verpflichtende Regulierungsvorgaben für alle Wasserstoffnetzbetreiber ohne Übergangszeit vorzusehen“. Dabei sollte auf Sonderregelungen verzichtet werden. Eine technologieneutrale Ausweitung des Gasbegriffs im EnWG um Wasserstoff führe zu einer Anwendung der für Gasnetzbetreiber geltenden Regulierungsvorgaben.
Zudem sprächen weitere Aspekte dafür, den Betrieb von Wasserstoffnetzen von Beginn an Regulierungsvorgaben zu unterwerfen. „So ist eine integrierte und europäisch harmonisierte Netzentwicklung und -planung zwischen Strom-, Gas- und Wasserstoffnetzen nur bei äquivalenter Regulierung möglich.“ Dies gäbe überdies auch aus Sicht des Handels mit Wasserstoff verlässliche Sicherheit über die geltenden Rahmenbedingungen. Es würden höhere Anreize für Investitionen in die Infrastruktur geschaffen.
Wortlaut der VKU-Stellungnahme
https://www.bundestag.de/resource/blob/833304/3f8cd8f19dcfa0f851eb17c6c27fce19/19-9-1019_Stellungnahme_VKU_oeA_Wasserstoffnetze-data.pdf

E.DIS: „Eigenkapitalzins erhöhen “

Stefan Blache vom Verteilnetzbetreiber E.DIS Netz GmbH hob hervor, dass die Strom‐ und Gasversorger nach dem Fahrzeugbau der zweitgrößte Investor in Deutschland sei. Der größte Teil der Gelder fließe in die Strom‐ und Gasnetze; allein die Verteilnetzbetreiber (VNB) investierten jährlich über fünf Milliarden Euro. Damit in die Netze investiert werden könne, bedürfe es einer Modernisierung des bestehenden Regulierungsrahmens. „Der konstant hohe Kapitalbedarf der nächsten Jahrzehnte für den Aus‐ und Umbau der Energieversorgung im In‐ und Ausland und die absehbare Entwicklung der deutschen Eigenkapitalzinssätze“ widersprächen sich. Kapitalgeber orientierten sich an internationalen Anlagemöglichkeiten. Die deutschen Energienetze müssten sich gegenüber höheren Renditeperspektiven in anderen Staaten und Feldern behaupten. Deutschland liege im internationalen Vergleich bei der Höhe der Eigenkapitalzinssätze im Schlussfeld.
Investoren erwarteten Zinssätze von sechs bis sieben Prozent vor Steuern. Demgegenüber drohe in der 4. Regulierungsperiode (RegP) der Eigenkapitalzins von derzeit 6,91 Prozent um 2,6 Prozentpunkte auf rund 4,3 Prozent vor Steuern zu verfallen. Dies würde nahezu eine Halbierung gegenüber dem Niveau der 1. RegP bedeuten. „Die Entwicklung schwächt absehbar die Finanzkraft der Unternehmen“, so E.DIS.
(Anm.d.Red.: Lieferanten von Gas und Elektrizität müssen an die Betreiber der von ihnen genutzten Netze ein Entgelt bezahlen. Der Gesamtbetrag dieser Entgelte darf eine bestimmte Obergrenze nicht überschreiten. Diese Erlösobergrenze setzen die Bundesnetzagentur und die Landesregulierungsbehörden für jeden in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Netzbetreiber jeweils für einen bestimmten Zeitraum – die Regulierungsperiode – im Voraus fest. Die derzeit 3.RegP für Gas begann 2018 und endet 2022.)
Wortlaut der E.DIS-Stellungnahme
https://www.bundestag.de/resource/blob/833310/3035ee9f28a98c5d172fbee0364da9bd/19-9-1022_Stellungnahme_E-DIS_oeA_Wasserstoffnetze-data.pdf

DVGW: „Getrennte Regulierung von Wasserstoffnetzen ist eine Sackgasse“

Gerald Linke vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) bezeichnete es „als Schritt in eine Sackgasse, dass der Gesetzentwurf eine von den Gasinfrastrukturen getrennte Regulierung von Wasserstoffnetzen“ vorschlage. Die Eignung der Erdgasleitungen für den Transport von Wasserstoff sei grundsätzlich gegeben. „Die technischen Regeln für H2 sind bereits verfügbar oder werden kurzfristig finalisiert.“ Um die bestehenden Erdgasleitungen entsprechend auszurüsten, seien Kosten von rund sieben Milliarden Euro bis 2050 zu erwarten – im Vergleich zu jährlich 2,3 Milliarden Euro für Investitionen in Neubau, Erhalt und Wartung. Die Umrüstkosten seien damit niedrig. „Eine Umwälzung der Kosten auf alle Gasnetznutzer durch ein einheitliches Netzentgelt“ sei sinnvoll und erforderlich, um den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft erfolgreich voranzutreiben „Eine integrierte Regulierung für Wasserstoff- und Gasnetze wird dringend benötigt.“ Eine zeitliche Verzögerung der Transformation der Gasnetze führe zu Kostensteigerungen.
Wortlaut der DVGW-Stellungnahme
https://www.bundestag.de/resource/blob/833308/9ae9e41d4c1ac2bf63b91934d5c9e85e/19-9-1021_Stellungnahme_DVGW_oeA_Wasserstoffnetze-data.pdf

VzBv: „Verbot einer Querfinanzierung durch Erdgaskunden begrüßenswert“

Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VzBv) verwies darauf, dass bis auf Weiteres die Verfügbarkeit von Wind- und Solarstrom für die Herstellung von grünem Wasserstoff sehr begrenzt und die Import-Frage unbeantwortet sei. Da Wasserstoff vorerst ein knappes Gut bleibe, werde er für die Anwendung durch private Verbraucher im Wärme- und Gebäudesektor zunächst keine Rolle spielen. Er begrüßte mithin das vorgeschlagene Verbot einer anteiligen Querfinanzierung der Wasserstoffnetze durch die privaten Verbraucher über das Instrument der Netzentgelte für die Erdgasnetze.
Wortlaut der VzBv-Stellungnahme
https://www.bundestag.de/resource/blob/833302/2f3d75b47e37e43e881cc99be9984ea2/19-9-1018_Stellungnahme_vzbv_oeA_Wasserstoffnetze-data.pdf

FNB Gas: „Trennung von Erdgas- und Wasserstoffinfrastruktur problematisch“

Thomas Gößmann (Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas, FNB Gas) erklärte, um langfristig eine tragfähige Wasserstoffwirtschaft aufzubauen, greife der vorliegende Entwurf zu kurz. Dies liege insbesondere im von der Bundesregierung gewählten Ansatz einer strikten Trennung von Gas- und Wasserstoffinfrastruktur in Definition, Finanzierung und Planung begründet. „Die Nationale Wasserstoffstrategie soll Deutschland zum Weltmarktführer in der Wasserstofftechnologie machen. Dafür braucht es jedoch einen funktionierenden Heimatmarkt.“
Es sei volkswirtschaftlich effizient und technisch möglich, die Wasserstoffinfrastruktur aus dem Erdgasnetz heraus zu entwickeln und bestehende Erdgasleitungen für den ausschließlichen Transport von Wasserstoff umzurüsten. Vorzusehen sei ein Regulierungssystem, das die Finanzierung und die Netzplanung als Einheit von Wasserstoffnetz und Gasnetz in enger Abstimmung mit dem Stromnetz betrachte.
Wortlaut der FNB Gas-Stellungnahme
https://www.bundestag.de/resource/blob/833306/6a440f4617b04403ed6c1ee4ee2c83ef/19-9-1020_Stellungnahme_FNB-Gas_oeA_Wasserstoffnetze-data.pdf

BNE: „Wasserstoff wird absehbar nicht flächendeckend in Häusern genutzt“

Robert Busch (Bundesverband Neue Energiewirtschaft, BNE) meinte, Wasserstoff sei viel zu schade, um als Beimischung in Gasnetzen verbrannt zu werden. Er sei auf absehbare Zeit ein knappes und teures Gut: „Das irgendwo reinzukippen, ist nicht die Energiewende, die wir uns wünschen.“ Wasserstoff sehe er nicht flächendeckend in den Häusern eingesetzt, sondern habe Bedeutung für die Industrie und als Rohstoff. Er sei nicht dafür da, „Gasnetzen ein zweites Leben“ zu verschaffen. Sobald das Wasserstoffnetz mehr als ein Inselnetz für ein paar Industriekunden sei, müsse es reguliert werden. Nach dem Anschluss an ein reines Wasserstoffnetz könnten die Nutzer die Versorgungsart nur noch mit hohen Umrüstkosten wechseln. Regulierter Netzzugang sei daher Investitionsschutz für Erzeuger und Kunden.
Wortlaut der BNE-Stellungnahme
https://www.bundestag.de/resource/blob/833350/dfc33b2cca2942bcc7e0c614e796bd10/19-9-1027_Stellungnahme_bne_oeA_Wasserstoffnetze-data.pdf

Greenpeace: „Wasserstoff nicht für den Wärmesektor“

Carolin Dähling (Greenpeace Energy) beschrieb die Analyse von Angebot und Nachfrage als wichtige Grundlage der Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit von Wasserstoffinfrastrukturen. Sie sehe es bezüglich der Nachfrage eher kritisch, wenn Wasserstoff in großen Mengen flächendeckend im Wärmesektor eingesetzt werde. Und das Angebot an grünem Wasserstoff stehe in engem Zusammenhang mit den Anstrengungen der Bundesregierung, den Ausbau der Erneuerbaren voranzutreiben. Der Markthochlauf von Wasserstoff sei kein Selbstzweck, sondern vor allem für das Erreichen der Klimaziele und dabei für die Dekarbonisierung sämtlicher Sektoren zwingend notwendig.
Wortlaut der Greenpeace-Stellungnahme
https://www.bundestag.de/resource/blob/833314/473ba35d9d958c5a40028cb93437e1af/19-9-1024_Stellungnahme_Greenpeace_Energy_oeA_Wasserstoffnetze-data.pdf

Städtetag: „Nicht nur die Schwerindustrie bedienen“

Detlef Raphael vom Deutschen Städtetag meinte, eine einseitige Fokussierung der Fördermittel und der politischen Aufmerksamkeit auf die Nutzung von Wasserstoff in der Schwerindustrie mit eigenen Wasserstoffnetzen sei – außerhalb der Netzregulierung – „aus unserer Sicht falsch“. Vielmehr müssten die vielen Wasserstoffprojekte auf kommunaler Ebene unterstützt werden, um die Anwendungsfelder von Wasserstoff in der Mobilität (ÖPNV, Abfallfahrzeuge) und der Wärmeversorgung sowie als Energiespeicher zu erschließen. „Diese Maßnahmen können durch gezielte Förderung oder Entlastung der Wasserstoff-Elektrolyse von Abgaben und Umlagen beim Strompreis unterstützt werden.“
Der Gesetzentwurf biete keine langfristige und verlässliche energiepolitische Weichenstellung. Gas-, Wasserstoff- und Strominfrastrukturen müssten stärker in einer gemeinsamen Netzentwicklungsplanung zusammen gedacht und geplant werden. Das Zusammenspiel der Infrastrukturen nehme durch die Sektorenkopplung noch zu und müsse sich in der Netzentwicklung niederschlagen. Daher solle der Rechtsrahmen technologieoffen ausgestaltet werden, um die sich aus der weiteren technischen Entwicklung ergebenden Potenziale nutzen zu können.
Wortlaut der Städtetag-Stellungnahme
https://www.bundestag.de/resource/blob/833492/9f25cd71270f67a33fc4e8b40d3f4dd5/19-9-1028_Stellungnahme_DST_oeA-Wasserstoffnetze-data.pdf

Deep Link
https://www.bundestag.de/services/suche?suchbegriff=wasserstoff+ausschuss+für+wirtschaft+und+energie

Foto
Reichstag Berlin © Deutscher Bundestag