(Mainz) – Die Schott AG hat gemeinsam mit der Mainzer Stadtwerke AG ein Pilotprojekt gestartet, um den großtechnischen Einsatz von Wasserstoff in der Glasproduktion zu testen. Der größte Anteil des hohen Energiebedarfs und der CO2-Emissionen bei Schott entstehe beim Schmelzprozess, heißt es in einer Mitteilung.
Um Spezialgläser für Impfstofffläschchen, Handyschutzglas oder Mikrochips herzustellen, seien Temperaturen von bis zu 1.700 Grad Celsius erforderlich. Bisher würden die Schmelzwannen vor allem mit Erdgas sowie teilweise auch mit Strom beheizt. Nun wird der Konzern erstmalig die Beimischung von Wasserstoff in großtechnischen Schmelzversuchen an einer Wanne am Standort Mainz testen.
Erdgas durch Wasserstoff ersetzen
Dabei soll über einen Zeitraum von einem Monat in drei etwa 10-tägigen Versuchsphasen der Wasserstoffanteil im Erdgas-Wasserstoff-Gemisch schrittweise auf bis zu 35 Volumenprozent hochgefahren werden. Ziel sei es, „mit den Experimenten mehr über die Auswirkungen des Einsatzes von Wasserstoff auf Glasschmelzprozesse zu lernen, um so längerfristig CO2-Emissionen weitgehend zu vermeiden“. Die Projektkosten belaufen sich den Angaben zufolge auf mehr als 714.000 Euro. Das rheinland-pfälzische Umweltministerium fördert das Vorhaben mit 338.000 Euro.
Um klimafreundliche Glasschmelzprozesse voranzutreiben, startete die Schott AG – Alleinaktionärin ist die Carl-Zeiss-Stiftung – bereits mehrere Forschungsprojekte mit Fokus auf Elektrifizierung mit Ökostrom und Wasserstoff. So hatte der Glashersteller vor Jahresfrist das Erschmelzen von drei verschiedenen Gläsern mittels Wasserstoff erprobt. Das Ergebnis war positiv: Bei der Befeuerung mit Wasserstoff und Sauerstoff konnte eine ähnliche Brennerleistung mit ähnlichen Temperaturen erreicht werden wie beim herkömmlichen Verfahren mit Erdgas und Sauerstoff. Auch die Qualität des hergestellten Glases ähnelte derjenigen des herkömmlichen Glases, erklärte Schott seinerzeit.
Dass dies so funktioniert, sei nicht von vorn herein klar gewesen. Erdgas lasse sich nicht einfach gegen Wasserstoff tauschen, heißt es in dem Bericht des vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderten Kopernikus-Projekts „P2X“, in dessen Rahmen die Versuche stattfanden. Beide Gase verbrennen mit unterschiedlichen Reaktionen. Damit Wasserstoff tatsächlich zur Glasschmelze genutzt werden könne, müsse er „so eingesetzt werden, dass er dieselbe Wärmestrahlung aufweist wie bisher das Erdgas“.
Versuche mit Wasserstoff auch in Italien
Im Juli vergangenen Jahres hatten mehrere italienische Unternehmen ebenfalls angekündigt, sie wollten den Einsatz von Wasserstoff zum Betrieb von Schmelzöfen in Glashütten testen. Eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Ferngasleitungsbetreibers SNAM, RINA sowie dem Glashersteller Bormioli Luigi hat sich zum Ziel gesetzt, die Emissionen in der Glasindustrie zu reduzieren. Ergebnisse wurden bislang nicht veröffentlicht.
Italien ist mit über fünf Millionen Tonnen pro Jahr der zweitgrößte Glasproduzent in Europa. Die derzeitigen CO2-Emissionen der italienischen Glashütten durch Erdgas belaufen sich nach Angaben von SNAM auf rund 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr; etwa 3,5 Prozent der Emissionen der gesamten verarbeitenden Industrie des Landes. Der flächendeckende Einsatz einer Wasserstoffbeimischung von 30 Prozent im Glasschmelzprozess würde die Emissionen um 200.000 Tonnen reduzieren.
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Spezialglas wird bei Temperaturen von bis zu 1.700 Grad Celsius geschmolzen © Schott AG