(Hamburg) – Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat gemeinsam mit dem Flughafen Hamburg eine Roadmap zum Einsatz von Wasserstoff an Flughäfen entwickelt. Damit könne der Airport „eine Pionierrolle“ einnehmen, so Michael Eggenschwiler, Vorsitzender der Geschäftsführung am Hamburg Airport: „Wir wollen die Energiewende in der Luftfahrt. Da führt an Wasserstoff kein Weg vorbei.“ Wolle man den Einsatz dieser neuen Technologie ermöglichen, „müssen wir sicherstellen, dass die Infrastruktur entwickelt und einsatzbereit ist, wenn die ersten Flugzeuge starten“. Dazu brauche es nicht nur die Bereitschaft des Flughafens und der Flugzeugentwickler, sondern auch der Politik.
Systemisches Vorgehen erforderlich
Die Einführung von Wasserstoff benötige „ein systemisches Vorgehen“, so das DLR: „Die notwendige Infrastruktur am Boden, die Wasserstoff-Lieferkonzepte über die Landwege, die Anpassung der Flughafenprozesse und auch die Technologieentwicklung bei Flugzeugen sind dabei wichtige Erfolgsvoraussetzungen.“
Die nun vorgelegte Roadmap zeige exemplarisch, wie dies funktionieren könne – vom zu erwartenden Wasserstoffbedarf, über die Versorgung und den aus heutiger Sicht erwartbaren Kosten bis hin zur Anpassung der Flughafen-Infrastruktur sowie operationelle Änderungen der Abläufe, heißt es in einer Mitteilung. Die Prognosen des DLR-Instituts für Luftverkehr zeigten, dass – entsprechende Weichenstellungen seitens der Politik und der Unternehmen vorausgesetzt – „bereits im nächsten Jahrzehnt erste Kurzstrecken per Wasserstoffantrieb geflogen werden“ könnten. Bis 2050 könne dann der Anteil der Abflüge mit Wasserstoffflugzeugen in Hamburg auf 60 Prozent steigen. Dies entspräche einem jährlichen Wasserstoffbedarf von 60.000 Tonnen.
In den ersten Jahren bis etwa 2040 gehen die Fachleute von einer Anlieferung des Wasserstoffs in noch geringen Mengen mittels Tankfahrzeuge aus. Mit zunehmendem Bedarf sei eine ergänzende Versorgung über eine Pipeline erforderlich. Ohne einen solchen Anschluss wären laut DLR im Jahr 2050 durchschnittlich 40 Lkw pro Tag für die Belieferung des Flughafens nötig.
Verflüssigungsanlage erforderlich
Die Anlieferung des Energieträgers per Pipeline müsse systembedingt gasförmig erfolgen. Da Flugzeuge den Wasserstoff zum Betanken allerdings vor allem in flüssiger Form benötigten, sei zusätzlich eine Verflüssigungsanlage notwendig. Diese erfordere indes – neben dem zusätzlichen Flächenbedarf – im Betrieb sehr hohe Mengen an regenerativ erzeugtem Strom.
Hinzu kämen kryogene Tanks zur Lagerung tiefkalter Flüssigkeiten, um – wie bei konventionellem Kerosin – einen Treibstoffpuffer für etwa drei Tage vorzuhalten. Die Tanks seien weltweit noch recht selten und bisher vor allem in der Raumfahrt an Raketenstartplätzen zu finden; die zurzeit größten Tanks gebe es am Kennedy-Space-Center der NASA.
Lagerung in Kugeltanks
Aus physikalischen Gründen sei eine Lagerung in einem Kugeltank die effizienteste Lösung. Ein solcher Speicher habe beispielsweise einen Durchmesser von 34 Metern bei einem Fassungsvermögen von rund 400 Tonnen und beanspruche eine Standfläche von etwa 900 Quadratmetern. Bereits bis zum Jahr 2040 könnte ein solch großer Tank an einem Flughafen wie Hamburg benötigt werden, und im Jahr 2050 seien voraussichtlich bereits zwei Tanks erforderlich.
„Die Lieferung und Lagerung der künftigen Mengen an Wasserstoff setzt eine völlig neue Infrastruktur bei uns am Flughafen voraus“, sagt Jan Eike Blohme-Hardegen, Leiter Umwelt am Hamburg Airport. „Mit den Vorbereitungen und dem Aufbau müssen wir jetzt beginnen, wenn wir klimafreundliche Antriebe in der Luftfahrt zeitnah etablieren wollen.“
Die Roadmap wurde im Rahmen des Projekts „Vernetzte Mobilität für lebenswerte Orte“ (VMo4Orte) erstellt. Damit entwickelt und erprobt das DLR eigenen Angaben zufolge „Bausteine für einen zukunftsweisenden Wandel des Verkehrssystems“. Die Organisation finanziert VMo4Orte über eine Laufzeit von drei Jahren mit insgesamt rund 21 Millionen Euro. Beteiligt sind 19 Institute und Einrichtungen des DLR.
Kleinflugzeuge mit Wasserstoff
Bereits im Juli verkündete die Airport-Verwaltung, dass Hamburg für das Im Rahmen des EU-Förderprogramms „Interreg Baltic Sea Program“ von Hamburg Airport initiierte „Baltic Sea Region (BSR) HyAirport Project“ Unterstützung zugesagt wurde. Das Vorhaben will ländliche Ostsee-Regionen mit wasserstoffbetriebenen Kleinflugzeugen besser an bestehende Luftfahrt-Hubs anbinden. Startschuss sei voraussichtlich noch im November 2023. Geplant ist eine Projektdauer von etwa drei Jahren, beteiligt sind neben Hamburg Airport weitere 16 Partner und 24 assoziierte Organisationen. Das Budget beläuft sich auf bis zu 4,8 Millionen Euro, wovon etwa 1,1 Millionen Euro auf den Flughafen Hamburg entfallen.
Wichtige Inhalte seien die Entwicklung der Lieferkette für grünen gasförmigen Wasserstoff von der Produktion bis zur Betankung von Flugzeugen oder Flughafenbodengeräten sowie der Testbetrieb. Fast alle wichtigen Flughafenbetreiber rund um die Ostsee gehörten der Partnerschaft an, darunter Finavia, Swedavia, Litauische Flughäfen, Flughafen Riga und der Flughafen Tallinn. Da das Projekt unter anderem auf die Wiederbelebung des regionalen Luftverkehrs abziele, seien auch mehrere kleinere Flughäfen und regionale Fluggesellschaften beteiligt, in Deutschland unter anderem Sylt Airport, Sylt Air, Lübeck Air und Lübeck Airport.
Antrieb der Zukunft
Nach Angaben von Jan Eike Hardegen, Leiter Umwelt am Hamburg Airport, sei gasförmiger Wasserstoff „speziell bei kleineren Flugzeugen“ wie Turboprop-Maschinen mit 20 bis 30 Sitzen „der Antrieb der Zukunft“. Damit könnten auch ländlichere Regionen der Ostsee-Anrainerstaaten bedarfsgerecht verbunden werden. Am Ende des Projektzeitraums ist ein realer Demonstrationsflug mit einem wasserstoffbetriebenen Flugzeug ab Hamburg vorgesehen.
Im Monat zuvor hatte die Flughafen Hamburg GmbH gemeinsam mit Rotterdam The Hague Airport die Zusammenarbeit an einer Flugverbindung verkündet. Ziel ist es, die Machbarkeit einer Flugroute für mit Wasserstoff angetriebene Flugzeuge zwischen Hamburg und Rotterdam zu erforschen. Die Vereinbarung umfasst auch die Entwicklung einer Infrastruktur für die Nutzung von Wasserstoff. 2026 soll es mutmaßlich einen ersten Wasserstoffflug zwischen den beiden Städten geben. Zusätzlich umfasst die Absichtserklärung auch eine Kooperation bei anderen Technologien, darunter digitalisierte Flughäfen und digitale Luftfahrt, die Produktion erneuerbarer Energie und Infrastruktur, spezialisierte Mitarbeiterausbildung und intelligente Technologien am Flughafen.
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DLR-Roadmap: „Bereits im nächsten Jahrzehnt könnten von Hamburg aus erste Kurzstrecken mit Wasserstoffantrieb geflogen werden.“ © Hamburg Airport / Oliver Sorg