(Lingen) – Niedersachsens Energie- und Klimaschutzminister Christian Meyer hat in Lingen eine Pilotanlage zur Direktreduktion von Eisen formal in Betrieb genommen. „Grünes Eisen für die Stahlindustrie“ – so der Name des Projekts – ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Start-up CO2Grab/HyIron, dem österreichischen Stahlhersteller Benteler International AG und dem Energieversorger RWE AG.

Benteler will bis 2045 CO2-neutral arbeiten und spätestens dann nur noch grünen Stahl nutzen. © Benteler International AG

Im Rahmen des Pilotprojekts sollen über eine Tonne grünes Eisen pro Stunde mit Hilfe von grünem Wasserstoff produziert werden. Über die Herkunft des Stroms für den Wasserstoff oder über den Wasserstofflieferanten ist allerdings nichts bekannt. Die Investitionskosten für die Anlage auf dem lokalen RWE-Kraftwerksgelände lagen bei fünf Millionen Euro. Das Niedersächsische Umweltministerium fördert das Projekt eigenen Angaben zufolge mit drei Millionen Euro. Die Benteler Steel/Tube GmbH aus Paderborn will den Stahl zur Fertigung von Rohren nutzen.

Im herkömmlichen Hochofen wird Eisen mittels Koks aus Eisenerz gewonnen. Bei der Direktreduktion (direct reduced iron, DRI) wird anstelle von Koks Wasserstoff genutzt. Der Energieträger reagiert mit dem Sauerstoff im Eisenerz (Eisenoxid) und wandelt es in Eisenschwamm um. Der Eisenschwamm (in Pelletform) wird anschließend zu Stahl weiterverarbeitet. Beim Einsatz von grünem Wasserstoff kann das CO2-freie Produkt als grüner Stahl vermarktet werden.

„Grüne Rohre“-Strategie von Benteler

Die Division Benteler Steel/Tube hat sich im Rahmen einer „Grüne Rohre“-Strategie zum Ziel gesetzt, bis 2045 CO2-neutral zu sein. Das unternehmenseigene Elektrostahlwerk in Lingen bilde dabei das Herzstück. Dort wird Stahlschrott mithilfe eines Elektrolichtbogenofens recycelt. „Knüppel“ verwendet Benteler zur Herstellung von Rohren in den eigenen Werken; „Brammen“ können als Vormaterial für Bandstahl dienen.

Gegenüber der üblichen Hochofenroute entstehen im Elektrostahlwerk Lingen für eine niedrig legierte Stahlgüte bereits heute über 75 Prozent weniger CO2-Emissionen, so das Unternehmen. Durch die Nutzung von Ökostrom wird dieser Wert nochmals deutlich reduziert.

Thyssenkrupp und Salzgitter AG mit DRI

Allerdings reichen die im Stahlwerk in Lingen produzierten Mengen nicht aus, um den Bedarf bei Benteler konzernintern zu decken. So soll eine Kooperation zwischen Thyssenkrupp Steel und Benteler ab 2026 weiter intensiviert werden. Dann soll der Stahl aus der geplanten Direktreduktionsanlage in Duisburg stammen, die perspektivisch mit grünem Wasserstoff und mit grünem Strom betrieben werde.

Thyssenkrupp will die Stahlproduktion auf DRI umstellen. © Thyssenkrupp Steel Europe AG

Im Juli hatte die EU-Kommission das Projekt „tkH2Steel“ der Thyssenkrupp Steel Europe AG beihilferechtlich genehmigt. Dies ermöglichte der Bundesregierung, Fördermittel in Höhe von zwei Milliarden Euro freizugeben. Das Geld stammt vom Bund (70 Prozent) und vom Land Nordrhein-Westfalen. Die Eigeninvestitionen des Konzerns betragen weitere knapp eine Milliarde Euro. Die neuen DRI-Anlagen sollen 2026 in Betrieb gehen und planmäßig ab 2028 stufenweise auf grünen Wasserstoff umgestellt werden.

Im Juni hatte die Salzgitter AG Besuch von einem energiepolitische Spitzentrio (v.l.n.r.): Konzernchef Gunnar Groebler, EU-Kommissarin Kadri Simon, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Wirtschaftsminister Niedersachsens Olaf Lies. © Andreas Lohse

Der in Niedersachsen ansässig Stahlkonzern Salzgitter AG arbeitet seit geraumer Zeit ebenfalls an dem Vorhaben, seine Hochöfen zur großtechnischen Produktion von grünem Stahl auf Direktreduktion umzustellen. Im Rahmen des „Salcos“ (SAlzgitter Low CO2Steelmaking) genannten Vorhabens will der zweitgrößte Stahlkonzern Deutschlands künftig den bislang für die Verhüttung von Eisenerzen erforderlichen Kohlenstoff per Direktreduktion zunächst durch Erdgas und – bei hinreichender Verfügbarkeit – durch grünen Wasserstoff ersetzen.

Für die Umsetzung der erste Phase sind Investitionen in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro vorgesehen – rund eine Milliarde davon kommen von Bund (70 Prozent) und Land (30 Prozent). Den Förderbescheid hatte Robert Habeck – wie berichtet – im April auf der Hannover-Messe an den Konzernchef Gunnar Groebler überreicht.

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Die Benteler International AG will Rohre künftig aus grünem Stahl herstellen. © Benteler International AG