(St. John’s / Kanada) – Die Ausschreibung zur Entwicklung von Wasserstoffprojekten in der kanadischen Provinz Neufundland und Labrador geht in die zweite Phase: Das Ministerium für Industrie, Energie und Technologie hatte eigenen Angaben zufolge 24 Angebote von 19 Unternehmen erhalten und geprüft. Neun Angebote von neun Unternehmen wurden für die zweite Stufe zugelassen. Die Firmen wollen Windkraftanlagen im Megawattbereich installieren, um mit dem dort erzeugten Strom grünen Wasserstoff herzustellen.
In der zweiten Phase werden unter anderem die Erfahrungen des Bieters, das vorgeschlagene Projekt, der Finanzierungsplan sowie zusätzliche Informationen über die Anforderungen an den Netzanschluss und die Einbindung der indigenen Bevölkerung geprüft, so das Ministerium. Dies wird voraussichtlich bis Ende August 2023 abgeschlossen. Die erfolgreichen Bieter erhalten dann die Exklusivrechte für die Projektentwicklung auf staatseigenem Land. Die Grundstücke werden vorgehalten, bis das Verfahren abgeschlossen ist. „Die Projekte haben das Potenzial, beträchtliche Investitionen und wirtschaftliche Aktivitäten in unsere Provinz zu bringen“, sagt Andrew Parsons, Minister für Industrie, Energie und Technologie.
Everwind will 8 Milliarden Dollar investieren
Der Entwickler von Anlagen zur Herstellung und Speicherung von grünem Wasserstoff und Ammoniak Everwind Fuels LLC hat es eigenen Angaben zufolge auf die Shortlist des Energieministeriums geschafft. Das Unternehmen will auf der Halbinsel Burin gemeinsam mit der CNW Group grünen Wasserstoff herstellen. Geplantes Investitionsvolumen: acht Milliarden kanadische Dollar (5,58 Milliarden Euro).
Nach Angaben von Trent Vichie, CEO und Gründer von Everwind, habe man im letzten Jahr die technologischen Vorstudien (Pre-FEED-Engineering) vorangetrieben und auch Privatgrundstücke erworben. In den kommenden Monaten will das Unternehmen auf Burin zunächst sechs Wettertürme errichten, um Daten zu den Windressourcen zu erfassen, die für die Projektentwicklung und Finanzierung entscheidend seien. Everwind wird den Strom aus Windkraftanlagen mit mehr als zwei Gigawatt Leistung zur Wasserstoffproduktion nutzen, um diesen dann wiederum in umweltfreundliches Ammoniak umzuwandeln und zu exportieren.
Das Nova Scotia-Projekt
Eine zentrale Rolle für das Vorhaben spielt der Hafen Point Tupper in der benachbarten Provinz Nova Scotia. Im Mai 2022 hatte Everwind dort ein Speicherterminal von NuStar Energy L.P. erworben. Point Tupper an der Straße von Canso nahe von Port Hawkesbury ist ein eisfreier Tiefseehafen. Der Standort an der Ostküste von Nordamerika bietet Zugang zu Schienen, Straßen und Pipelines.
Die erste Phase des dortigen Vorhabens ist darauf ausgerichtet, ab 2025 etwa 240.000 Tonnen umweltfreundliches Ammoniak pro Jahr zu produzieren. Bis 2026 soll sich die Produktion auf 1,5 Millionen Tonnen mehr als versechsfachen. Auch hier dient Strom aus sich in der Entwicklung befindenden Windparks mit einer Leistung von mehr als zwei Gigawatt als Basis für die Elektrolyse.
Erst am Montag (17. Juli) gab das Unternehmen den Kauf von drei Windparks auf Nova Scotia bekannt: „Windy Ridge“, „Bear Lake“ und „Kmtnuk“ mit einer installierten Leistung von kumuliert 530 Megawatt. Die Entwicklung erfolge in Zusammenarbeit mit Renewable Energy Systems Ltd. (RES). Die Investitionen sollen die Wasserstoffvorhaben beschleunigen und liegen den Angaben zufolge bei einer Milliarde US-Dollar (0,92 Milliarden Euro). Allein durch die Windkraftanlagen würden 650 Arbeitsplätzen während der Bauphase geschaffen, danach rund 30 Vollzeitstellen.
Deutsch-kanadische Zusammenarbeit
Im August vergangenen Jahres hatten Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der kanadische Energieminister Jonathan Wilkinson im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz und Premierminister Justin Trudeau im Hafenstädtchen Stephenville an der Westküste Neufundlands ein Wasserstoffabkommen („Canada-Germany Hydrogen Alliance“) geschlossen. Dieses dient als Basis für einen – nicht exklusiven – Handelskorridor zwischen Deutschland und Kanada.
Die deutschen Politiker wurden – wie üblich bei solchen Reisen – von hochrangigen Vertretern der Wirtschaft begleitet. Am Rande unterzeichnete Everwind Fuels mit den beiden deutschen Energiekonzernen Uniper SE und Eon SE Absichtserklärungen zur Abnahme von grünem Ammoniak aus der Produktionsanlage Point Tupper. Das Auftragsvolumen beläuft sich den Angaben zufolge auf jährlich jeweils rund 500.000 Tonnen ab 2025.
Everwind bekennt zwar, das angestammte Territorium der Stämme der First Nations, darunter das Volk der Mi’kmaq, auf den Planungsgebieten für die Windkraftanlagen zu respektieren und die Bevölkerung einzubeziehen. Man engagiere sich für die Zusammenarbeit mit Mi’kmaq und biete eine umfassende Partnerschaft zu allen Aspekten des Projektes. Das Projekt von Everwind in Nova Scotia umfasse gar drei Mi’kmaq-Beteiligungspartner und setze sich „für die Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Aussöhnung ein“. Gleichwohl gab es bereits Proteste gegen die Vorhaben. Die Sorge scheint groß, von der Industrie vereinnahmt zu werden.
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Tiefseehafen Point Tupper in Nova Scotia. Hier will Everwind künftig Wasserstoff und seine Derivate verschiffen. © NuStar Energy Canada Partnership Ltd. / Marinas.com, Inc.