(Düsseldorf / Krummhörn) – Der Düsseldorfer Energiekonzern Uniper SE will in den seit 2017 nicht mehr kommerziell genutzten Salzkavernen im norddeutschen Krummhörn, nordwestlich von Emden, die Speicherung von Wasserstoff erproben. Das Vorhaben hatte das Unternehmen bereits vor einigen Wochen angekündigt.
Jetzt hat Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies den Förderbescheid in Höhe von 2,37 Millionen Euro für das geplante Pilotprojekt übergeben. Es freue ihn, dass Uniper in Niedersachsen auf Kavernenspeicher setzen will, sagte Lies. Den Weg unterstütze man, und es sei aufgrund der aktuellen Lage „in unser aller Interesse, dass wir ihn zügig gehen“. Das gesamte Investitionsvolumen beziffert Uniper auf zehn Millionen Euro.
Volumen mit 250.000 Kubikmetern
Die Speicher sind für Erdgas ausgelegt und müssen für Wasserstoff umgerüstet werden. Den Plänen zufolge wird die Pilotkaverne unter Verwendung einer bestehenden Bohrung erstellt. Das Speichervolumen beträgt nach Fertigstellung bis zu 250.000 Kubikmeter. Die Inbetriebnahme ist für 2024 vorgesehen. Während des Probebetriebs sollen Equipment und Werkstoffe auf Wasserstoffverträglichkeit untersucht sowie Erfahrungen bei der Speicherung von ausschließlich grünem Wasserstoff in einer Salzkaverne und dessen Anlieferung und Weiternutzung gesammelt werden.
Krummhörn bietet den Angaben zufolge aufgrund seiner geografischen Lage nahe der windreichen Nordsee und der seit Jahrzehnten bestehenden energietechnischen Anbindung an das Gas- und Stromnetz ideale Voraussetzungen. Die Nähe zu Wilhelmshaven ermögliche die Anbindung an das Uniper-Projekt „Green Wilhelmshaven“. Dort plant das Unternehmen einen Importterminal für Ammoniak, außerdem eine Großelektrolyse zur Produktion grünen Wasserstoffs mit einer Leistung von bis zu 1.000 Megawatt.
Innerhalb des Uniper-Konzerns werden alle Kompetenzen zur Untergrund-Gasspeicherung europaweit in der Uniper Energy Storage GmbH gebündelt. Die Unternehmenstochter betreibt Erdgasspeicher in Deutschland, Österreich und Großbritannien mit einer Arbeitsgaskapazität von über 7,5 Milliarden Kubikmeter
Kavernenspeicher auch in Schweden
Ankündigungen von Pilotprojekten zur Speicherung von Wasserstoff in Kavernen kommen auch aus Schweden. Dort wurde kürzlich von der Hybrit Development AB, einem Joint Venture unter Leitung des staatlichen Energieversorgers Vattenfall AB, eine „Hybrit“ genannte Versuchsanlage zur Speicherung von Wasserstoff in Felskavernen eingeweiht. Deren Kapazität liegt bei vorerst 100 Kubikmetern.
Damit wolle man „testen und verstehen, wie die Wasserstoffspeicherung im großen Maßstab funktioniert“, sagt Klara Helstad, Leiterin der Abteilung für nachhaltige Industrie bei der schwedischen Energieagentur, welche das Projekt finanziell unterstützt.
Vorhaben in Deutschland
In Deutschland gibt es eine Reihe von Plänen zur Speicherung von Wasserstoff in Kavernen. In jüngster Zeit wurden neben dem Uniper-Projekt noch drei weitere angekündigt.
- RWE plant mittelfristig den Test eines Kavernenspeichers im westfälischen Gronau-Epe. Das Vorhaben ist Teil des Verbundprojekts GET H2, das von einem Konsortium aus Industrie und Forschung initiiert wurde. Im ersten Schritt verbinden die Unternehmen ihre Produktionsstätte von grünem Wasserstoff in Niedersachsen mit industriellen Abnehmern in Nordrhein-Westfalen. Geplant ist ein rund 130 Kilometer langes Leitungsnetz von Lingen im Emsland bis Gelsenkirchen. Die Inbetriebnahme des Kavernenspeichers ist für 2026 vorgesehen.
- Der Gashändler VNG will 2026 eine 180 Meter hohe Forschungskaverne im Saalekreis (Sachsen-Anhalt) in Betrieb nehmen. Im neu zu errichtenden „Energiepark Bad Lauchstädt“ untersuchen die sich dort ansiedelnden Unternehmen und Wissenschaftler die Herstellung, die Speicherung, den Transport und den wirtschaftlichen Einsatz von grünem Wasserstoff unter realen Bedingungen im industriellen Maßstab.
- Der Oldenburger Energieversorger EWE AG hat in Rüdersdorf bei Berlin 160 Stahlrohre bis in 1.000 Meter Tiefe getrieben und zementiert. In einer 500 Kubikmeter fassenden Kaverne will EWE in einem Salzstock „die sichere Speicherung von 100 Prozent Wasserstoff testen“. Die Auswertung erster Ergebnisse ist noch für dieses Jahr vorgesehen.
Nach Angaben der nordrhein-westfälischen Energie- und Klimaagentur (NRW.Energy4Climate) verfüge die Bundesrepublik „über das größte nationale Kavernenspeichervolumen Europas“. Das Energiespeicherpotenzial für Wasserstoff in Salzkavernen an Land und unter See wird demnach auf 36.000 Terawattstunden (TWh) geschätzt. Europa insgesamt komme auf ein Potenzial von 85.000 TWh. Somit befänden sich hierzulande mehr als 40 Prozent der möglichen Lagerstätten.
Europaweit fehlt Kapazität für Speicher
Zwar gebe es in Europa und insbesondere in Deutschland „ideale Voraussetzungen für die Etablierung einer Wasserstoffwirtschaft“, so die Energieagentur. Allerdings fehlten europaweit bis 2050 voraussichtlich 200 TWh Speicherkapazität.
„Die nach derzeitigem Stand einzige großskalige Speicheroption für Wasserstoff sind Salzkavernen“, die entweder umgerüstet oder neu geschaffen werden könnten, so die Agentur. Diese durch Bohrung und Aussolung von Salzstöcken künstlich erzeugten Hohlräume haben nach Angaben des Bundesverbandes Geothermie Durchmesser bis zu 100 Meter, Höhen zwischen 50 und 500 Meter und liegen teils Hunderte von Metern unter der Erdoberfläche; in Deutschland zum Teil in Tiefen bis zu 2.500 Metern.
Speicher brauchen Kissengas
Der Gasinhalt eines jeden Speichers unterteilt sich grundsätzlich in Kissengas und Arbeitsgas. In Kavernen sei das Kissengas „zur Gewährleistung der Standfestigkeit erforderlich“. Der Anteil betrage etwa 30 bis 50 Prozent des maximalen Speichervolumens und verbleibe permanent im Speicher. Dies sei erforderlich, um den minimal notwendigen Speicherdruck für eine optimale Ein- und Ausspeicherung zu ermöglichen, so der Bundesverband Geothermie.
Als Arbeitsgas definiert man das Gasvolumen, das zusätzlich zum Kissengas jederzeit eingelagert oder entnommen werden kann. Eine der größten Kavernenspeicheranlagen Europas befindet sich nach Angaben der Energieagentur NRW im münsterländischen Epe. In insgesamt 80 Kavernen könnten dort potenziell bis zu vier Milliarden Kubikmeter Arbeitsgas eingelagert werden.
Umrüstung von Erdgas auf Wasserstoff
Die Umrüstung von Erdgaskavernenspeichern auf Wasserstoff sei vollumfänglich möglich. Dies dauere etwa vier bis viereinhalb Jahre, wenn die Kaverne bereits über eine geeignete Basis verfügt. Müsse sie noch gesolt werden, seien rund fünf Jahre zu veranschlagen, so die Energieagentur.
Ein kompletter Neubau schlage demgegenüber mit einer Bauzeit von zehn bis fünfzehn Jahren zu Buche. Eine geringere Energiedichte und ein anderes Kompressionsverhalten von gasförmigem Wasserstoff führe dazu, dass bei gleichem Speichervolumen nur 20 Prozent des Energiegehalts von Erdgas gespeichert würden. Das maximale Potenzial bei Umrüstung aller vorhandenen Kavernen in Deutschland beträgt demnach 33 TWh.
Überdies gebe es bei Salzkavernen durch Bewegungen des Minerals eine Hohlraumverringerung von etwa einem Prozent pro Jahr. „Bei sehr frequenten Be- und Entladungen mit Wasserstoff kann dieser Wert möglicherweise auch höher ausfallen.“
Wasserstoffbedarf bis 2050 liegt bei 800 TWh
In einer vom Nationalen Wasserstoffrat beauftragen Metastudie
haben die drei Fraunhofer-Institute ISI, ISE und IEG die potenzielle Nachfrage nach Wasserstoff sowie Wasserstoffderivaten bis 2050 analysiert. Demnach liegt die heutige Wasserstoffproduktion in Deutschland bei 57 Terawattstunden pro Jahr. Diese Menge werde fast vollständig mit fossilen Energieträgern hergestellt.
Ab 2030 zeigt die Untersuchung erste relevante Nachfragemengen nach grünem Wasserstoff und Derivaten von bis zu 80 TWh. Dieser Bedarf wächst im Jahr 2040 auf 100 bis 300 TWh. Für das Jahr 2050 steigt die Bandbreite des Bedarfs an Wasserstoff und wasserstoffbasierten Syntheseprodukten dann auf 400 bis knapp 800 TWh. Insgesamt zeigt sich zwischen den Jahren 2030 und 2050 eine Verzehnfachung des maximalen Bedarfs an Wasserstoff und seinen Derivaten.
Foto
Übergabe des Förderbescheids (v.l.n.r.): Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies, Frank Holschumacher (Prokurist/Vice President Operational Performance Uniper Storage) und Johann Westerbuhr (Leiter Asset Group North). © Uniper SE / Andreas Burmann
Foto Mitte
Künftiger Speicherstandort Energiepark Bad Lauchstädt. © VNG AG
Infografik
Uniper HPC Krummhörn © Uniper SE