(Valley City / USA) – Der Einsatz von Wasserstoff im Stahlsektor habe ein großes Potenzial, Kohlenstoffemissionen durch den Ersatz fossiler Brennstoffe im Produktionsprozess zu reduzieren. Aber: Aus fossilem Gas hergestellter Wasserstoff bietet keine Vorteile für das Klima – und kann „das Emissionsproblem der Stahlerzeugung nicht lösen“. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA).
Blauer Wasserstoff als riskantes Investment
Die Forscher warnen, dass der Einsatz von blauem Wasserstoff „für Stahlhersteller ein strategisches Risiko“ darstelle, da sie möglicherweise „den Übergang zu wirklich grünem Stahl und den wachsenden Markt für emissionsarme Materialien verpassen“. Sie könnten sogar „im Rennen um die Dekarbonisierung ins Hintertreffen“ geraten.

Grüner Wasserstoff hat sich als wichtigster Weg für grünen Stahl herauskristallisiert. Die Salzgitter AG will mit der Direktreduktion von Eisen ab 2033 rund 95 Prozent der CO2-Emissionen einsparen. Die Windräder im Hintergrund stehen auf dem Konzerngelände und liefern bereits grünen Strom für die Elektrolyse. © Andreas Lohse
Im Laufe des letzten Jahres sei der Hype um Wasserstoff „weitgehend einem realistischeren Verständnis seiner potenziellen künftigen Rolle und seiner Produktionskosten“ gewichen. Die Anwendungen haben sich auf einige wenige Schlüsselbereiche beschränkt, darunter die Eisen- und Stahlindustrie, wo allein die Elektrifizierung den Sektor möglicherweise nicht vollständig dekarbonisieren könne. Zwar habe sich grüner Wasserstoff – hergestellt mittels Elektrolyse und erneuerbaren Energien – als „wichtigster Weg für grünen Stahl herauskristallisiert“. Doch seien seine Kosten nach wie vor höher als erwartet.
Daher zögen eine Reihe von Ländern und Unternehmen blauen Wasserstoff in Betracht, der aus fossilem Gas in Verbindung mit der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) hergestellt werde. Auch Stahlhersteller wie die koreanische Posco Holdings Inc. sowie die beiden deutschen Konzerne Thyssenkrupp und Salzgitter AG hätten den Einsatz von blauem Wasserstoff in der Eisenerzeugung erforscht. Zudem setze sich die (vormalige, Anm.d.Red.) deutsche Regierung „für eine weniger strenge Definition von sauberem Wasserstoff in der EU ein, um die Verwendung von blauem Wasserstoff für Endverbraucher zu erleichtern“. Doch zeigt das IEEFA-Papier eine Reihe von Problemen, die sein Potenzial für die Dekarbonisierung der Stahlproduktion stark einschränken.
Hauptproblem: CCS nicht ausgereift
Eines der Hauptprobleme des blauen Wasserstoffs sei die Abhängigkeit von der Kohlenstoffabscheidung. Indes habe die Erfolgsbilanz der CCS-Technologie seit „fast fünf Jahrzehnten nur erhebliche Leistungsdefizite“ vorzuweisen: Die Projekte hätten ihre Ziele für die Abscheidung von Kohlendioxid stets verfehlt. Die Untersuchungen der IEEFA zeigten, dass die Abscheidungsraten der in Betrieb befindlichen Anlagen für blauen Wasserstoff deutlich unter den von CCS-Befürwortern oft behaupteten 95 Prozent lägen. Dies hatte das Institut, wie berichtet, bereits in einer Briefing Note im August vergangenen Jahres dargelegt.
Methan-Emissionen bei H2-Produktion unterschätzt
Darüber hinaus gehe das Emissionsproblem von blauem Wasserstoff über Kohlendioxid hinaus. Der größte Bestandteil von fossilem Gas ist Methan, dessen Emissionen einen viel stärkeren Erwärmungseffekt hätten als CO2. „Die Methan-Entweichungsraten bei der Gasproduktion und beim Transport wurden in der Berichterstattung über die Gesamtemissionen von blauem Wasserstoff erheblich unterschätzt“, so die Studie.
Die Untersuchungen der IEEFA zeigten, dass es mit blauem Wasserstoff äußerst schwierig sein werde, die Ziele für die Emissionsintensität von Schlüsselmärkten wie den USA, der EU, Japan und Südkorea zu erreichen. Große Öl- und Gasunternehmen wie Shell und Equinor hätten ihre Projekte für blauen Wasserstoff aufgegeben und begründeten dies mit der Schwierigkeit, die strengen EU-Vorschriften für Kohlenstoffemissionen zu erfüllen, sowie mit mangelnder Nachfrage. In den kommenden Jahren würden strengere Vorschriften in Kraft treten, wodurch es für blauen Wasserstoff immer schwieriger werde, Endverbraucher wie Stahlhersteller zu gewinnen.

Investorenfalle: Die Nutzung von Erdgas zur Herstellung von blauem Wasserstoff sei „in den kommenden Jahren wahrscheinlich veraltet“, so die IEEFA-Studie. © Settala Gas S.p.A.
Bei der Eisenerzeugung durch Direktreduktion (DR) führt der Ersatz von Erdgas durch aus Gas hergestelltem Wasserstoff (grauer Wasserstoff) nicht zu einer Verringerung des Gasverbrauchs oder der Kohlenstoffemissionen. Der DR-Technologieanbieter Tenova habe betont, dass „die direkte Nutzung von fossilem Gas, gefolgt von grünem Wasserstoff, der effizientere und wirtschaftlichere Ansatz gegenüber blauem Wasserstoff zur Kohlenstoffreduzierung ist.
Der Kostenvorteil für blauen Wasserstoff dürfte „nur von kurzer Dauer“ sein. In einigen Ländern, die für die Produktion gut aufgestellt seien, werde es „bis Ende dieses Jahres möglich sein, grünen Wasserstoff zu niedrigeren Kosten als blauen Wasserstoff zu produzieren“.
Blauer Wasserstoff ist veraltete Technologie
Da die Wasserstofflandschaft immer pragmatischer werde, sei „die Wahl der richtigen Farbe des Wasserstoffs entscheidend für die Maximierung seiner Auswirkungen auf die Dekarbonisierung“, sagt Stahl-Analyst und Autor des Berichts Soroush Basirat: Jede Investition in die auf fossilen Brennstoffen basierende Wasserstoffproduktion berge die Gefahr, „dass Investoren in eine Falle tappen, da sie sich langjährig in einer Technologie engagieren, die in den kommenden Jahren wahrscheinlich veraltet“ sei. Basirat: „Auch wenn die Kosten nicht so schnell gesunken sind wie prognostiziert, bleibt grüner Wasserstoff die effektivste langfristige Lösung, um die Dekarbonisierung der primären Stahlerzeugung anzugehen“.
IEEFA: „Blue hydrogen: A false hope for steel decarbonisation“. Briefing Note, kostenfrei als PDF (12 Seiten).
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Der koreanische Konzern Posco arbeitet an einem HyRex genannten Konzept zur Reduzierung von CO2-Emissionen bei der Stahlherstellung. Dabei werde direkt reduziertes Eisen unter Verwendung von Eisenerz in Pulverform und sauberem Wasserstoff in Elektroöfen auf der Grundlage der Wirbelschichtreaktor-Technologie geschmolzen. Posco plane außerdem, die im HyRex-Prozess verwendete elektrische Energie durch kohlenstofffreie Energie zu ersetzen. Das „New Experience of Technology Hub“ der Posco Holdings entwickle die Technologie der „Hochtemperatur-Wasserelektrolyse“, bei der Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasserdampf bei hohen Temperaturen über 700 Grad Celsius erzeugt werde. Man erwarte, dass sauberer Wasserstoff, der für den Übergang zu HyRex in Verbindung etwa mit kleinen modularen Reaktoren (SMR) unerlässlich, sei in Korea wirtschaftlich produziert werden könne. © Posco Group