(London) – Die britische Ineos-Gruppe will durch Massenproduktion die Kosten von Wasserstoff drastisch senken. Der Chemie-Gigant hat dazu einen neuen Geschäftsbereich gegründet. Über seine Tochtergesellschaft Inovyn ist der Konzern Europas größter Betreiber von Elektrolyseuren und produziert derzeit 300.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr, hauptsächlich als Nebenprodukt in seinen Chemiefabriken.

Nach eigener Einschätzung versetzt „die Erfahrungen in der Speicherung und Handhabung von Wasserstoff in Verbindung mit fundiertem Know-how in der Elektrolysetechnologie“ Ineos in die „einzigartige Lage“, den Weg einer auf Wasserstoff basierenden kohlenstofffreien Zukunft entscheidend voranzutreiben.

Hydrogen-Geschäftsbereich mit Sitz in London

Der neue Geschäftsbereich hat seinen Hauptsitz in Großbritannien. Ziel ist es, an sämtlichen Ineos-Standorten Produktionskapazitäten aufzubauen – sowohl in Europa als auch an Standorten von Geschäftspartnern, um „die Dekarbonisierung durch Wasserstoff zu beschleunigen“. Der Konzern ist bereits an mehreren Projekten beteiligt, welche die Nachfrage nach Wasserstoff ankurbeln und bestehende, auf Kohlenstoff basierende Energiequellen, Rohstoffe und Kraftstoffe ersetzen sollen. Ineos will auch eng mit europäischen Regierungen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die notwendige Infrastruktur geschaffen wird, um die Rolle von Wasserstoff in der neuen „Green Economy“ zu betonen.

„Wasserstoff ist wichtiger Bestandteil einer klimaneutralen Wirtschaft, über den seit Jahrzehnten diskutiert wird“, sagt Wouter Bleukx, der von Inovyns Chlor- und Alkaligeschäft als neuer Leiter zur Business Unit Hydrogen wechselt. „Endlich ist eine mit Wasserstoff betriebene Wirtschaft in Reichweite“, da Länder wie Großbritannien, Deutschland und Frankreich, aber auch andere, anfangen, diese Technologie voranzubringen.

Erfahrung ist ein Wettbewerbsvorteil

Nach Angaben des US-Analystenhauses Wood Mackenzie Power & Renewables (Wood Mac) haben die Elektrolyseure des Unternehmens für die Chlorproduktion eine Leistung von etwa 200 Megawatt. Die Erfahrungen mit großen Elektrolyseuren – die der Konzern überdies auch selber herstellt – könnten Ineos und Inovyn einen großen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Bleukx betonte gegenüber WoodMac, dass er ganz klar erneuerbare Energien zur Wasserstoffproduktion  bevorzuge. „Im Moment schließen wir aber nichts aus, wir müssen erst sehen, in welche Richtung sich die Technology entwickelt.“ Bleukx zeigte sich optimistisch, mit Produktionen im Industriemaßstab und den bisherigen Erfahrungen des Unternehmens bei der Kostensenkung ganz vorn dabei zu sein.

Produktion soll auf 400.000 Tonnen steigen

Ineos entwickelt derzeit unter der Bezeichnung „Project One“ zwei Chemiefabriken im Hafen von Antwerpen. Kostenpunkt: drei Milliarden Euro. Mit der Fertigstellung der Anlage werde sich die Produktionskapazität für Wasserstoff auf 400.000 Tonnen pro Jahr erhöhen, erklärte Bleukx gegenüber WoodMac. Der überwiegende Teil wird jedoch aus der Vergasung von fossilen Brennstoffen hergestellt, nicht mittels Ökostrom.

Allerdings hat das Projekt Mitte November einen Rückschlag erlitten. Demnach wurde die im Oktober erteilte Genehmigung für vorbereitende Arbeiten wie die Entwaldung zweier Grundstücke im Antwerpener Hafen für den Bau der Chemiefabrik wieder aufgehoben. Man werde sich die Entscheidung sehr genau ansehen und dann den Bauantrag einreichen. Der Bau soll im ersten Quartal 2021 beginnen.

Die Herstellung von grünem Wasserstoff ist etwa viermal so teuer wie Wasserstoff, der aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird. Wood Mackenzie geht jedoch davon aus, dass sich die Kosten von grünem Wasserstoff bis 2030 halbieren. Wichtig sei, die Nachfrage anzukurbeln. In den ersten Jahren sei diese „schwer prognostizierbar“.

Wasserstoff für den eigenen Konzern

Doch nicht nur die Chemieindustrie, sondern auch Ölkonzerne haben Bedarf. So hat etwa BP im Juni 2020 sein Petrochemiegeschäft für fünf Milliarden Dollar verkauft – an Ineos. Dessen Gründer und Vorstandsvorsitzender Jim Ratcliffe sagte dazu seinerzeit, es gebe „großen Spielraum für die Expansion und Integration in unser bestehendes Geschäft“. Da scheint es nur folgerichtig, eine eigene große Wasserstoffproduktion aufzubauen – und sich selber als besten Kunden zu empfehlen.

Ineos ist das drittgrößten Chemieunternehmen der Welt und beschäftigt rund 22.000 Mitarbeiter an 183 Standorten in 26 Ländern. Im Jahr 2019 betrug der Umsatz rund 61 Milliarden Dollar (51 Milliarden Euro). Zum Vergleich: Der amerikanische Chemie-Riese Dow Inc. (bis April 2019 Dow DuPont Inc.) verbuchte im selben Jahr einen Umsatz von 43 Milliarden Dollar.

Inovyn wurde 2015 gegründet und beschäftigt mehr als 4.300 Mitarbeiter in zehn europäischen Ländern. Das Produktportfolio besteht unter anderem aus Vinylen und Chlorderivaten. Das jährliche Produktionsvolumen beträgt mehr als 40 Millionen Tonnen.

Deep Link
https://www.inovyn.com/news/ineos-launches-a-new-clean-hydrogen-business/
https://www.greentechmedia.com/articles/read/chemicals-giant-ineos-targets-worlds-cheapest-green-hydrogen?utm_medium=email&utm_source=Daily&utm_campaign=GTMDaily

Foto
Ab Januar 2021 versorgt Engie Ineos mit erneuerbarer Energie aus dem Offshore-Windpark Norther in der Nordsee. / © Ineos