(Sassenage / Frankreich) – Der Hersteller von Brennstoffzellensystemen H2Fly GmbH sieht sich auf gutem Wege zur Entwicklung eines wasserstoffbetriebenen Flugzeugs für Mittel- und Langstrecken. Den Angaben zufolge haben die Stuttgarter nunmehr ein von dem französischen Industriegashersteller Air Liquide S.A. neu entwickeltes Flüssigwasserstoff-Speichersystem mit dem Brennstoffzellensystem im „HY4“ genannten Flugzeug des Unternehmens gekoppelt.

Impression der Testflugkampagne im Jahr 2022: Das Testflugzeug HY4 wird mit gasförmigem Wasserstoff betankt. © H2Fly GmbH

Vorangegangen war im April die Betankung des Flugzeugs mit flüssigem Wasserstoff (LH2). Der Energieträger wird in Spezialtanks bei minus 253 Grad Celsius gespeichert. Mit dem Kopplungstest wurde nun der flüssige Wasserstoff aus dem im Flugzeug integrierten Tank dem Brennstoffzellensystem zugeführt, um Strom für den elektrischen Motor zu erzeugen.

Auf dem Weg zum LH2-Passagierflugzeug

Diese Kopplung stelle „den letzten technologischen Baustein in der Entwicklung eines kompletten wasserstoffelektrischen Antriebsstrangs dar“, der Flüssigwasserstoff für H2Flys viersitziges Demonstrationsflugzeug „HY4“ nutzt. Mit dem erfolgreichen Bestehen der Kopplungstests am Boden habe man gezeigt, „dass es möglich sein wird, unsere Technologie für ein 40-sitziges Flugzeug zu skalieren“, sagt H2Fly-Gründer und Geschäftsführer Josef Kallo.

H2Fly sei den Angaben zufolge „das erste Unternehmen, das erfolgreich Kopplungstests am Boden mit einem in das Flugzeug integrierten LH2-Tank und Brennstoffzellensystem durchgeführt“ habe. Damit seien „die technologischen Fortschritte bei Brennstoffzellensystemen, Wasserstoffspeichersystemen und H2-Treibstoffsystemen für CS23- und CS25-Flugzeuge unter Beweis gestellt“ worden. Bei den „Certification Specifications“ (CS) handelt es sich um Bau- und Zulassungsvorschriften der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) für leichte Motorflugzeuge sowie Großflugzeuge.

Weitere Flugtests im Sommer

Der Test wurde im französischen Sassenage auf dem Campus Technologies Grenoble von Air Liquide durchgeführt. Das Ergebnis sei „ein bedeutender Schritt“ nach vorn auch im Projekt „HEAVEN“, eines Konsortiums von sechs Unternehmen, das unter der Leitung von H2Fly die Machbarkeit der Verwendung von flüssigem kryogenem Wasserstoff in Flugzeugen demonstrieren soll.

Bei der aktuell laufenden Testkampagne wird „HY4“ mit flüssigem Wasserstoff betankt. © H2Fly GmbH

Für den Sommer seien mit der „HY4“ Boden- und Flugtestkampagnen geplant, teilte das Unternehmen mit. HEAVEN ist Teil des Forschungs- und Innovationsprogramms „Horizont 2020“, das von der Europäischen Union sowie von Spanien, Frankreich, Deutschland und Slowenien finanziert wird.

Die H2Fly GmbH wurde von fünf Ingenieuren des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart und der Universität Ulm mit dem Ziel gegründet, einen vollständig wasserstoffelektrischen Flugzeugantrieb auf den Markt zu bringen.

Das Brennstoffzellenflugzeug Im Hangar in Stuttgart (2022) © H2Fly GmbH

„HY4“ absolvierte 2016 seinen ersten Flug. Im Jahr 2020 erhielt H2Fly eine Genehmigung für die neueste Generation des Flugzeugs, das über eine vollständig redundante Antriebsarchitektur verfügt. 2021 wurde eine strategische Partnerschaft mit dem Flugzeughersteller Deutsche Aircraft initiiert, in deren Rahmen beide Unternehmen gemeinsam ein Flugzeug der CS25-Klasse betreiben wollen. In einem Demonstrationsprojekt für ein klimaneutrales Regionalflugzeug soll ein Prototyp voraussichtlich 2025 in Betrieb gehen.

Anfang letzten Jahres absolvierte das Unternehmen erstmals mit einem wasserstoffbetriebenen Passagierflugzeug einen Überlandflug zwischen zwei Verkehrsflughäfen. Auf der Strecke von Stuttgart nach Friedrichshafen legte es 77 Meilen (rund 125 Kilometer) zurück.

Ebenfalls im vergangenen Jahr stellte man mit einer Flughöhe von 7.230 Fuß (2.200 Meter) eigenen Angaben zufolge „einen mutmaßlichen Höhenweltrekord für ein Wasserstoffflugzeug“ auf. „In wenigen Jahren“ sollen wasserstoffelektrische Flugzeuge 40 Passagiere über Distanzen von bis zu 2.000 Kilometern transportieren können.

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Testflug der „HY4“ in Maribor, Slowenien (2020). © H2Fly GmbH