(Oldenburg / Deutschland) – Der Energiedienstleister EWE AG hat nach nunmehr fünf Jahren die Tests und Forschungen zur unterirdischen Wasserstoffspeicherung in Rüdersdorf abgeschlossen. Im Rahmen des Projektes „HyCAVmobil“ wies das Unternehmen gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eigenen Angaben zufolge nach, dass die sichere Einlagerung von Wasserstoff in Kavernen möglich sei.

Im Frühjahr 2021 wurden 160 Stahlrohre in eine vorhandene Bohrung im Salzstock unter Rüdersdorf bis in 1.000 Meter Tiefe verbaut und einzementiert. © EWE AG / Andreas Prinz

Der Reinheitsgrad des Wasserstoffs durch die Speicherung in einer neu errichteten Kaverne habe sich nur minimal verändert. Jedoch seien die Dichtheitsanforderungen an einen Wasserstoffspeicher durch die Fließ-Eigenschaften des Energieträgers höher als die Anforderungen an Erdgasspeicher, weil Wasserstoff aus kleineren Molekülen als Erdgas besteht. Insgesamt, so ein Fazit des Unternehmens, sei die Wasserstoffspeicherung erprobt, sie funktioniere und könne auf großtechnische Kavernen angewandt werden.

Übertragung auf Kavernen mit großem Volumen

Daher übertrage EWE nun die Erkenntnisse aus dem Bau und dem Betrieb der 500 Kubikmeter fassenden Testkaverne auf Kavernen mit dem 1.000-fachen Volumen. „Unser Ziel ist es, großtechnische Kavernen zu etablieren“, sagt der EWE-Vorstandsvorsitzende Stefan Dohler. Allein EWE verfüge mit 37 Salzkavernen über 15 Prozent aller deutschen Kavernenspeicher, die sich zur Speicherung von Wasserstoff eigneten. Damit sei grüner Wasserstoff „in großen Mengen bedarfsgerecht nutzbar“.

Das verbaute Rohr-in-Rohr-System ermöglicht es EWE, das innere Rohr für spätere Materialtests auszubauen und nutzen zu können. © EWE AG / Andreas Prinz

Seit dem Start des Forschungsvorhabens HyCAVmobil im Jahr 2019 habe es auch Probleme gegeben, und es mussten Projektschritte angepasst werden. Erster wichtiger Meilenstein sei der Nachweis gewesen, „dass die Kavernenbohrung bis auf 1.000 Meter Tiefe dicht ist“, sagte Ralf Riekenberg vom EWE-Wasserstoff-Team in Rüdersdorf. Zwar gab es „mit der Zementation zwischen dem Gebirge und der Stahl-Verrohrung unerwartete und wasserstoffspezifische Herausforderungen“. Diese hätten behoben werden können. Mit der späteren Einlagerung von Wasserstoff und dem Betriebsstart der Speicheranlage habe EWE anschließend Erfahrungen für die Ein- und Ausspeicherung von Wasserstoff mit unterschiedlichen Drücken gesammelt.

DLR-Mitarbeiter untersuchen im Labor die Beständigkeit des Stahls in der Wasserstoffkaverne. © DLR

Das DLR habe in Oldenburg ein neues Labor zur Bestimmung der Reinheit des Wasserstoffs eingerichtet. Die Qualität des ausgespeicherten Wasserstoffs sei vor allem für die Nutzung in Brennstoffzellen relevant. In dieser Konfiguration wie in Rüdersdorf sei demnach die Kaverne als großtechnischer Speicher für Wasserstoff geeignet, sagt Alexander Dyck, Abteilungsleiter Stadt- und Gebäudetechnologien am DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme. „Auch für uns war es ein Gewinn, erstmals Messungen an einer realen Kaverne durchführen zu können und damit wichtiges Basiswissen für die Gestaltung der zukünftigen Wasserstoff-Infrastruktur in Deutschland bereitzustellen.“

Umrüstung von Erdgasspeicher in Huntorf

Der nächste Schritt sei nun die Übertragung der Erkenntnisse aus Rüdersdorfer auf andere Objekte. „An unserem Kavernenstandort in Huntorf in der Wesermarsch rüsten wir eine Erdgaskaverne für die Speicherung von Wasserstoff um“, sagt Ralf Riekenberg. „Allerdings müssen wir die Reinheit nach der Wasserstoffentnahme bei dieser Bestandskaverne gesondert betrachten.“ Das bisher dort gespeicherte Erdgas habe man „nicht komplett aus dem Speicher herausholen“ können.

EWE will den Gasspeicherstandort Huntorf umbauen und an das Wasserstoffkernnetz anschließen. © EWE AG

Das Huntorfer Projekt sei Teil des Vorhabens „Clean Hydrogen Coastline“, das Erzeugung, Speicherung, Transport und Nutzung von grünem Wasserstoff zusammenführe. EWE bekommt für das vierteilige Großprojekt Fördermittel im Rahmen des IPCEI-Programms (Important Project of Common European Interest). Derzeit sei man in der Detailplanung und beabsichtige, in den nächsten drei bis vier Jahren Wasserstoff einzulagern.

Bereits im April 2021 hatten EWE und der Energiekonzern Uniper SE verkündet, in Huntorf bei Elsfleth einen Wasserstoffknotenpunkt zu etablieren.
Dort solle mittels Windkraft grüner Wasserstoff für die Industrie und den Mobilitätssektor erzeugt und gespeichert werden. Schon seinerzeit hatte EWE-Vorstandsvorsitzender Stefan Dohler betont, der Kavernenspeicher könne „perspektivisch auch für die Wasserstoffspeicherung nutzbar“ sein und vorhandene Erdgasleitungen dem Transport von Wasserstoff dienen.

Forderung nach Anschubfinanzierung

Allerdings könne „niemand in Wasserstoffspeicher von null an komplett wettbewerblich investieren, um den Markthochlauf voranzutreiben“, sagt Dohler nach den nun vorliegenden Ergebnissen aus Rüdersdorf. Wie beim Wasserstoffkernnetz sei auch im Speichersegment „eine Art Anschubunterstützung“ nötig. Bis zur Klärung des regulatorischen Rahmens gehe man ins Risiko, leiste Vorarbeit und entwickle Konzepte, „wie wir unsere jetzigen Gasspeicherstandorte in Rüdersdorf, Huntorf, Jemgum und Nüttermoor“ umbauen und diese ans Wasserstoffkernnetz anschließen könnten.

Kavernenplatz in Rüdersdorf: Von Frühjahr bis Herbst 2023 wurde die Obertageanlage für den Betrieb des Wasserstoffspeichers aufgebaut. © EWE AG / Nadine Auras

Für die Nachnutzung von weiteren Erdgasspeichern oder den Neubau unterirdischer Wasserstoffspeicher brauche es „angesichts der notwendigen Vorlaufzeiten für die Inbetriebnahmen schnell Klarheit über die Regulatorik und die Finanzierung“, so Dohlers Forderung. Nur eine „gleichzeitige Entwicklung von Wasserstoffkernnetz und Wasserstoffspeichern sei sinnvoll. „Das schafft Systemstabilität und Versorgungssicherheit und ermöglicht die effiziente Einbindung volatiler erneuerbarer Energien.“ Die kleine Testkaverne werde vorerst zwar nicht weiterbetrieben, allerdings würden ab Januar weitere Tests vor Ort durchgeführt, um das Mischungsverhalten von Wasserstoff und Erdgas sowie den Wasserdampfgehalt des Wasserstoffs genauer zu untersuchen, sagt Ralf Riekenberg.

EWE hat die Tests zur Wasserstoffspeicherung in Rüdersdorf abgeschlossen (v.l.): Ralf Riekenberg vom EWE-Wasserstoff-Team, Alexander Dyck, Abteilungsleiter Stadt- und Gebäudetechnologien am DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme, Stefan Dohler, EWE-Vorstandsvorsitzender. © EWE AG / Gerd Markert

„Unser Speicherstandort Rüdersdorf kann ein elementarer Bestandteil der Wasserstoff-Infrastruktur in Ostdeutschland werden“, so Stefan Dohler. Derzeit bewerte EWE dort „die Umrüstung und auch den Neubau weiterer Kavernen“. Das Unternehmen habe bereits mit dem Leipziger Fernleitungsnetzbetreiber Ontras Gastransport GmbH eine Absichtserklärung zur Integration des Standortes in das Wasserstoffkernnetz unterzeichnet. „Wenn der regulatorische Rahmen steht, können wir konkreter werden.“

Das Investitionsvolumen für „HyCAVmobil“ belief sich auf mehr als 14 Millionen Euro, wovon EWE knapp acht Millionen aus eigenen Mittel beisteuerte. Aus dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) kamen Fördermittel in Höhe von rund 6,5 Millionen Euro aus dem Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie.

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Stefan Dohler, EWE-Vorstand: „Unser Speicherstandort Rüdersdorf kann ein elementarer Bestandteil der Wasserstoff-Infrastruktur in Ostdeutschland werden.“ © EWE AG