(Brüssel/Potsdam) – Sieben europäische Lkw-Hersteller haben vereinbart, dass ihre neuen Fahrzeuge ab 2040 ohne fossile Brennstoffe auskommen müssen. Zu den Unterzeichnern gehören CNH, Daimler, DAF, Ford, MAN, Scania und Volvo. Um einen Fahrplan zur Klimaneutralität bis spätestens 2050 zu entwickeln, haben sich die Unternehmen unter dem Dach des Europäischen Verbandes der Automobilhersteller (ACEA) mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zusammengeschlossen.
Hersteller fordern dichtes Netz für Infrastruktur
Das Vorhaben erfordert einen Paradigmenwechsel. Die gemeinsame Erklärung skizziert auch Bedingungen für die Umgestaltung des Güterverkehrs auf den Straßen. Dazu gehören politische Optionen wie Straßennutzungsgebühren, die sich an den CO2-Emissionen orientieren, und ein Energiebesteuerungssystem in Anlehnung an Kohlenstoff- und Energiegehalt. Entscheidend für den Betrieb von emissionsfreien Schwerlastfahrzeugen sei auch „ein dichtes Netz an Lkw-tauglicher Lade- und Tankinfrastruktur“.
Nach Ansicht von ACEA und PIK könnte ein solides System zur Bepreisung von CO2-Emissionen eines der wirksamsten Instrumente sein. Emissionsfreie Fahrzeuge würden sich schwerer auf dem Markt durchsetzen, solange Diesel billig bleibe.
Studie: Wasserstoff spielt wichtige Rolle
Zeitnah zu der Vereinbarung veröffentlichte das von der EU unterstützte Fuel Cell and Hydrogen Joint Undertaking (FCH 2 JU) die Studie „Fuel Cells Hydrogen Trucks“. Der Übergang zu emissionsfreien und emissionsarmen Fahrzeugen, die auf alternativen Antriebslösungen wie Brennstoffzellen- und Wasserstoffantrieb (FCH) oder batterieelektrischen Antrieben basieren, sei der wichtigste Hebel zur Erfüllung strengerer Emissionsstandards, heißt es darin.
Die Studie bietet einen Vergleich alternativer Antriebstechnologien für schwere Lkw (HDT) und analysiert den Stand der Technik. Die Autoren haben überdies eine Vollkostenrechnung entwickelt. Diese umfasst sämtliche anfallenden Ausgaben über den gesamten Lebenszyklus (Total-Cost-of-Ownership-Analyse, TCO). Der Vergleich zeige, „dass FCH-Anwendungen eine vielversprechende Null-Emissions-Alternative darstellen“. „Aufgrund ihrer hohen Betriebsflexibilität und relativ kurzen Betankungszeit sind FCH-HDT besonders für den Langstreckenbetrieb geeignet.“
FCH-Antrieb bis 2027 wettbewerbsfähig
Aus TCO-Perspektive könnten FCH-HDT bis 2027 kostenmäßig wettbewerbsfähig werden. Voraussetzung dafür sei, dass die Produktion von FCH-Lkw hochgefahren und Wasserstoff unter sechs Euro pro Kilogramm angeboten wird. In einem Basisszenario prognostiziert die Studie einen potenziellen FCH-Verkaufsanteil von 17 Prozent der verkauften neuen Lkw im Jahr 2030 (etwa 59.500 Fahrzeuge).
Kurzfristig wird ein Kostenaufschlag von bis zu 22 Prozent für FCH-Lkw gegenüber Diesel-Lkw erwartet. „Die Kommerzialisierung der FCH-Technologie für die HDT-Industrie befindet sich noch in einem frühen Stadium und die ersten Lkw sind gerade erst auf dem Markt verfügbar“, heißt es in dem Papier. Heute führten die geringen Produktionsvolumina von Prototypen zu relativ hohen Produktionskosten sowohl der Fahrzeuge als auch des Wasserstoffs (H2). Außerdem müsse die H2-Betankungsinfrastruktur in erheblichem Umfang ausgebaut und mit dem Verkauf von FCH-Lkw synchronisiert werden.
Regularien für das Hochfahren des Marktes
Die Realisierung dieses Marktpotenzials hängt jedoch davon ab, dass ein finanzielles und regulatorisches System geschaffen wird, das alle Beteiligten gleichermaßen unterstützt: Hersteller, Lkw-Flottenbetreiber, Logistiknutzer sowie Anbieter von Kraftstoffen und Infrastruktur. Während Subventionen und Steuerbefreiungen wichtige Instrumente seien, um die Entwicklung der FCH-Technologie für Lkw voranzutreiben, liege ein wichtiger Hebel für die Wettbewerbsfähigkeit von emissionsfreien Technologien in einer effizienten CO2-Bepreisung. Die Einführung von emissionsbasierten Mautsystemen oder Ausnahmen von bestehenden Systemen sind weitere wichtige Instrumente.
470 Millionen Euro erforderlich
Die FCH-Technologie im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge steht noch vor mehreren Hindernissen, bevor eine kommerzielle Einführung möglich ist. Die Studie nennt 22 technologische und nicht-technologische Barrieren, die jedoch allesamt die Kommerzialisierung nicht stoppen würden. Zur Überwindung sollten vier maßgeschneiderte Projekte mit einem geschätzten Gesamtbudget von 470 Millionen Euro angeschoben werden. Insbesondere die Standardisierung der Wasserstoffspeicherung an Bord könnte die Produktentwicklung von FCH-Lkw und Infrastruktur für Wasserstofftankstellen beschleunigen.
„FCH 2 JU“ ist eine Technologieinitiative von Industrie und Politik (Public-Private Partnership) mit Sitz in Brüssel. Mitglieder sind unter anderem die Europäische Kommission, der Industrieverband „Hydrogen Europe“ und der Zusammenschluss von Forschungseinrichtungen und Universitäten „Hydrogen Europe Research“.
Fuel Cell and Hydrogen Joint Undertaking: „Fuel Cells Hydrogen Trucks. Heavy-Duty’s High Performance Green Solution“. Die Zusammenfassung der Studie gibt es kostenfrei als PDF (60 Seiten, Englisch)
FCH 2 JU-Studie
https://www.fch.europa.eu/sites/default/files/FCH%20Docs/201211%20FCH%20HDT%20-%20Study%20Summary_final_vs.pdf
Deep Link
https://www.pik-potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/alle-neu-verkauften-lastwagen-muessen-bis-2040-frei-von-fossilen-brennstoffen-sein-erklaeren-fahrzeughersteller-und-klimaforscher
https://www.acea.be/press-releases/article/all-new-trucks-sold-must-be-fossil-free-by-2040-agree-truck-makers-and-clim
https://www.acea.be/uploads/publications/acea-pik-joint-statement-the-transition-to-zero-emission-road-freight-trans.pdf
Foto
Europäische Hersteller vereinbaren das Ende der Diesel-Lkw / © Europäische Kommission