(Berlin) – Derzeit überbieten sich Staaten und Regionen mit Ankündigungen über einen verstärkten Ausbau von Erneuerbare-Energien-Kraftwerken. Das ist gut, denn ein Mehr an grünem Strom lässt sich auch für die Produktion von grünem Wasserstoff nutzen.
260 GW Offshore-Windkraft
So wollen etwa die Nordsee-Anrainer den Ausbau von Offshore-Windenergie beschleunigen. In einer gemeinsamen Erklärung der Energieminister mit der Europäischen Energiekommissarin wurden Ausbauziele für die Nordsee-Region von 76 Gigawatt (GW) bis 2030 vereinbart. Bis 2040 sollen es 193 GW sein, bis 2050 dann 260 GW. Das entspreche mehr als 85 Prozent des EU-weit erforderlichen Offshore-Ausbaus bis 2050, um das EU-Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium.
Grünen Strom länderübergreifend verteilen
Zudem wurde auf dem Ministertreffen der Nordsee-Energiekooperation (North Sea Energy Cooperation, NSEC) in Dublin angekündigt, künftig verstärkt hybride Offshore-Projekte zu entwickeln, die Windparks und länderübergreifende Stromübergabepunkte (Interkonnektoren) vereinen.
Zusammen mit einer besseren Koordinierung von Flächen- und Netzplanung solle so „ein eng verbundenes Offshore-Netz entstehen“. In der North Sea Energy Cooperation arbeiten aktuell Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Schweden sowie die EU-Kommission zusammen.
Das NSEC-Ministertreffen in Dublin folgte auf den „North Sea Energy Summit“, der von Dänemark unter Beteiligung von Deutschland, den Niederlanden, Belgien und der EU-Kommission ausgerichtet wurde und der am 18. Mai in Esbjerg mit Bundeskanzler Scholz und Bundeswirtschaftsminister Habeck stattfand.
Ostsee-Anrainer wollen 19,6 GW entwickeln
Acht Ostsee-Anrainerstaaten wollen ebenfalls gemeinsam den Ausbau erneuerbarer Energien voranbringen. Eine entsprechende Vereinbarung trafen jüngst die Vertreter der Energieministerien in Kopenhagen im Rahmen des „Baltic Energy Security Summit“ auf Einladung des dänischen Ministeriums für Klima, Energie und Industrie. Daran beteiligt sind Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden.
Die Unterzeichner setzen auch hier auf die Produktion von grünem Wasserstoff aus Strom mittels Offshore-Windkraft. Berichten zufolge solle die Offshore-Windleistung auf mindestens 19,6 GW ausgebaut werden. Dänemark habe sich mit 6,3 GW das größte Ziel gesteckt. Polen wolle bis 2030 rund 5,9 GW erreichen.
Energieinsel vor Bornholm
Im Vorfeld des Baltic-Gipfels hatten Wirtschaftsminister Robert Habeck und sein dänischer Amtskollege Dan Jørgensen zudem eine gemeinsame Vereinbarung zur weiteren Entwicklung des Projekts „Bornholm Energy Island“ unterzeichnet. In dem Vorhaben werden bis 2030 Offshore-Windanlagen mit einer Leistung von drei Gigawatt rund um die dänische Ostsee-Insel errichtet. Deutschland und Dänemark schließen das damit entstehende „Energie-Drehkreuz“ Bornholm mit Stromleitungen an das deutsche und dänische Festland an.
Die Kosten für die Netzinfrastruktur werden geteilt. Ziel der Kooperation ist es, Bornholm zu einem Zentrum für Offshore-Windkraft zu entwickeln. Damit würden Möglichkeiten für die Erprobung und Entwicklung von Technologien für Energieinseln und Power-to-X geschaffen.
Zentrum für Offshore-Energie
An dem Vorhaben sind eine Reihe von Akteuren aus dem privaten, staatlichen und kommunalen Sektor beteiligt: die Technische Universität Dänemark (DTU), der Stromversorger und Windparkbetreiber Ørsted, der in Spanien ansässige Windkraftanlagenbauer Siemens Gamesa Renewable Energy, S.A., der dänische Übertragungsnetzbetreiber Energinet, die Gemeinde Bornholm, der Stromversorger Bornholms Energi & Forsyning und der Inselhafen Rønne.
„Die Ostsee mit Bornholm in ihrem Zentrum bietet ein enormes Potenzial für Offshore-Energie“, erklärte die DTU. Baltic Energy Island passe gut in die Strategie der Universität, die darauf abziele, „mehr Ingenieure auszubilden, die nachhaltige Lösungen entwickeln können, um die Auswirkungen des Klimawandels zu verringern und eine ausgewogene Nutzung der Ressourcen zu gewährleisten“.
Darüber hinaus solle im Kraftwerk Rønne ein Innovationszentrum eingerichtet werden, um die Erkenntnisse aus den Test- und Entwicklungsaktivitäten von Studenten, Forschern und Unternehmen auszuwerten. In diesem Zusammenhang bemühe sich die DTU um die Schaffung eines „Residential College“, in dem Studenten und Forscher wohnen und mit dem Bornholmer Energiesystem arbeiten könnten.
Energieinsel auch in der Nordsee
Dänemark will sich auch in der Nordsee an einer – allerdings künstlich zu errichtenden – Energieinsel vor Jütland beteiligen. Plänen von 2021 zufolge erhält diese einen Hafen sowie Einrichtungen zur Speicherung und Umwandlung der Erträge aus den Offshore-Windturbinen im Meer.
Das schon 2019 angekündigte Projekt ist eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen dem dänischen Staat und privaten Unternehmen. Das „VindØ“-Konsortium besteht aus zwei der größten Pensionsfonds des Landes (PensionDenmark und PFA) sowie Dänemarks größtem Energieunternehmen Andel mit Nykredit als Finanzierungspartner. Unterstützt wird das Vorhaben zudem von der Investmentgesellschaft Copenhagen Infrastructure Partners.
Größtes Infrastrukturprojekt in der Geschichte Dänemarks
Nach Angaben der Dänischen Energieagentur handelt es sich dabei um „das größte Infrastrukturprojekt in der Geschichte Dänemarks“. Nach Gesprächen mit mehr 20 Akteuren und Konsortien hat die Behörde nun verkündet, man werde aufgrund neuer Erkenntnisse und innovativer Pläne die für dieses Jahr geplante Ausschreibung um zwölf Monate auf den September 2023 verschieben.
„Wir gehen davon aus, dass die Zeit, die wir jetzt zu Beginn des Projekts investieren, langfristig intelligentere und schnellere Lösungen ermöglicht“, so der stellvertretende Generaldirektor für die Energieinseln, Mogens Hagelskær. Ziel sei nach wie vor, im Jahr 2033 grünen Strom zu liefern.
Bis 2040 werden die beiden Inseln laut DTU Strom aus dann installierten Offshore-Windturbinen mit einer Leistung von zwölf Gigawatt gewinnen. Derzeit produziert Dänemark nach Angaben der Industrievereinigung Green Power Denmark Strom aus etwa 2,3 Gigawatt Offshore-Windanlagen.
Chinas Windkraftpläne suchen ihresgleichen
Die Pläne der Europäer sind zwar groß, doch die von China sind gigantisch. So hat der Auftragseingang für Windturbinen im zweiten Quartal dieses Jahres weltweit sämtliche Rekorde gebrochen. Insbesondere die Aktivität des bevölkerungsreichsten Landes der Erde hat für einen Anstieg auf knapp 43 GW gesorgt – ein Plus von 36 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, heißt es in einer neuen Analyse des britischen Beratungsunternehmens Wood Mackenzie. Dies entspreche einem geschätzten Wert von 18,1 Milliarden Dollar.
Den Analysten zufolge wolle China in den nächsten zehn Jahren einen durchschnittlichen Zubau von mehr als 55 GW pro Jahr (sic) forcieren. Allein im zweiten Quartal verzeichneten Chinas Windturbinenbauer einen Rekordauftragseingang von 35 GW und liegt seit Jahresbeginn bei 45 GW. Europa verdoppelte demgegenüber immerhin seine Aktivität gegenüber dem ersten Quartal, liegt aber mit 3,8 GW auf immer noch niedrigem Niveau. Der Auftragseingang in den USA lag im ersten Halbjahr bei vergleichsweise schlappen zwei Gigawatt.
Sieben chinesische Turbinenbauer unter den Top 10
Der weltweite Auftragseingang allein für Offshore-Windkraftanlagen überstieg im zweiten Quartal dieses Jahres sechs Gigawatt. Die Entwickler auf dem chinesischen Markt verzeichneten im ersten Halbjahr den bisher größten Auftragseingang in diesem Sektor, der 74 Prozent der weltweiten Offshore-Auftragskapazität umfasst, heißt es in dem Report.
Allein die drei Unternehmen Xinjiang Goldwind Science & Technology Co., Ltd., Ming Yang Wind Power Group Ltd. und Envision Energy haben demnach im zweiten Quartal kumuliert mehr als 26 GW umgesetzt, sagte Luke Lewandowski, Forschungsdirektor bei Wood Mackenzie. In den weltweiten Top 10 des Auftragseingangs finden sich in der ersten Hälfte dieses Jahres sieben chinesische Turbinenhersteller.
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Offshore-Windpark von Ørsted in der Nordsee. © Ørsted A/S