(Aachen / Deutschland) – Die Schifffahrt ist nach Einschätzungen der International Maritime Organization (IMO) der Vereinten Nationen für rund drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Um diese weiter zu reduzieren, werden umweltfreundliche Alternativen zu den herkömmlichen fossilen Treibstoffen benötigt. Industrie und Wissenschaft arbeiten mit Hochdruck an der emissionsfreien Schifffahrt mit Brennstoffzellen oder Wasserstoffverbrennern. In jüngster Zeit gibt es wieder einige Erfolgsmeldungen.

Kreuzfahrt auch für sensible Gewässer

So wird derzeit in der Werft von Fincantieri S.p.A. im italienischen Ancona die „Viking Libra“ gebaut, das den Angaben zufolge weltweit erste wasserstoffbetriebene Kreuzfahrtschiff. Die Auslieferung an die operativ in Basel (Schweiz) ansässige Viking River Cruises Inc. soll Ende 2026 erfolgen, Betreiberin wird die Unternehmenstochter Viking Ocean Cruises.

Fincantieri baut auf seiner Werft im italienischen Ancona die „Viking Libra“ und weitere mit Wasserstoff betriebene Schiffe der Hinging Group. © Fincantieri S.p.A.

Das Schiff mit einer Bruttoraumzahl von etwa 54.300 Tonnen (153.670 Kubikmeter) verfügt über 499 Kabinen und kann 998 Gäste aufnehmen. Das Antriebssystem basiert auf flüssigem Wasserstoff und Brennstoffzellen und wurde von Isotta Fraschini Motori (IFM) entwickelt, der auf Brennstoffzellentechnologie spezialisierten Tochter von Fincantieri. Die Leistung beträgt sechs Megawatt (8.150 PS) .

„Viking hat die grundsätzliche Entscheidung getroffen, in Wasserstoff zu investieren“, sagt CEO Torstein Hagen. Mit dem emissionsfreien hybriden Antrieb könne man auch ökologisch sensible Gebiete befahren. Ein zweites Schiff mit gleichem Antrieb ist bei Fincantieri bereits in Bau: Das Hochseeschiff „Viking Astrea“ soll 2027 ausgeliefert werden. Überdies haben Viking und Fincantieri Verträge für zwei weitere Hochseeschiffe zur Ablieferung im Jahr 2031 sowie eine Option für nochmals zwei Schiffe zur Fertigstellung im Jahr 2033 unterzeichnet.

Entwicklung eines H2-Stückgutfrachters

Im Rahmen eines „H2ESTIA“ genannten Projekts unter Leitung der Niederländischen Innovationsgesellschaft (Nederlandse Innovatie Maatschappij, NIM) wird ein emissionsfreies Frachtschiff für den Betrieb mit flüssigem Wasserstoff entworfen. Es werde den Angaben zufolge mit einem neu entwickelten kryogenen Wasserstoffspeicher- und Bunkersystem ausgestattet. Zudem gebe es neben dem Brennstoffzellensystem, das mit Batterien für den Primärantrieb sorge, zur weiteren Verbesserung der Energieeffizienz einen windunterstützten Antrieb und Lösungen zur Abwärmerückgewinnung, um den Wasserstoffverbrauch zu reduzieren.

Konzept: Im Rahmen des H2ESTIA-Projekts will ein Konsortium einen wasserstoffbetriebenen Massengutfrachter entwickeln. © Nederlandse Innovatie Maatschappij

„Parallel zum H2ESTIA-Projekt arbeiten wir an der Sicherung der Versorgung sowie der notwendigen Bunkerung und Logistik“, sagt Jan van Dam, CEO der Reederei Van Dam Shipping, die das Gefährt in der Nordsee betreiben will. Am Entwicklungskonsortium aus Schifffahrts- und Technologieunternehmen sind die niederländischen Forschungseinrichtungen TNO, Maritime Research Institute Netherlands (MARIN) und die Universität Twente beteiligt, das auf kryogene Tanks spezialisierte Unternehmen Cryovat International, der Software-Entwickler EnginX, der Maschinenausrüster Encontech B.V., die Klassifizierungsgesellschaft RINA und das niederländische Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft.

„Hydrocat 60“ für Offshore-Transporte

Bereits fertiggestellt und jüngst ausgeliefert wurde die „Hydrocat 60“ von Windcat Workboats International BV, Teil der belgischen CMB.Tech NV. Der Mannschaftstransporter (Crew Transfer Vessel, CTV) solle den Angaben zufolge in Kürze in Betrieb genommen werden. Das Schiff sei das erste der MK5-Serie, das mit einem Dual-Fuel-Wasserstoff-Verbrennungsmotor ausgestattet ist, der gemeinsam von CMB.TECH und MAN entwickelt wurde. Damit könne es sowohl mit Wasserstoff als auch mit herkömmlichem Diesel betrieben werden Das System von CMB.TECH könne 458 Kilogramm komprimierten Wasserstoff speichern.

Der mit einem Dual-Fuel-Motor ausgestattete Mannschaftstransporter „Hydrocat 60“ kann sowohl mit Wasserstoff als auch Schiffsdiesel betrieben werden. © CMB.Tech NV.

Das Design sei mit verbessertem Komfort für Besatzung und Betriebseffizienz auf die Bedürfnisse der Offshore-Windindustrie ausgerichtet. Es biete optimierte Seegangseigenschaften, eine größere Decksfläche und auch Vorkehrungen für eine noch größere Wasserstoffspeicherung. Mit einer Gesamtlänge von 27 Metern, einer optimierten Rumpfform, einer größeren Breite und einem erhöhten Freibord sorgten diese Schiffe für eine bessere Zugänglichkeit und seien auch für weiter entfernt liegende Projekte geeignet.

Es sei das nunmehr dritte wasserstoffbetriebene CTV in der Windcat-Flotte, sagt Geschäftsführer Willem van der Wel. „Wir sehen, dass Wasserstoff in der Offshore-Windindustrie an Dynamik gewinnt.“ Mit weiteren wasserstofftauglichen Schiffen, die bereits im Wasser sind und sich im Bau befinden, reagiere man auf die steigende Nachfrage.

Yanmar entwickelt maritimes Brennstoffzellensystem

Die japanische Yanmar Power Technology Co, Ltd., eine Tochtergesellschaft der Yanmar Holdings, hat von der Klassifizierungsgesellschaft DNV im April die „Approval in Principle“ (AiP) für ihr maritimes Wasserstoff-Brennstoffzellensystem GH320FC erhalten. Die „grundsätzliche Zulassung“ bestätigt, dass der Entwurf durchführbar ist und keine wesentlichen Hindernisse für dessen Umsetzung bestehen

Das skalierbare maritime Brennstoffzellensystem GH320FC von Yanmar hat die grundsätzliche Bauartzulassung erhalten © Yanmar Holdings Co., Ltd.

Das Design ermögliche eine einfache Installation auf verschiedenen Schiffstypen und biete durch den Aufbau den parallelen Anschluss mehrerer Brennstoffzellenmodule, so dass es die unterschiedlichen Energieanforderungen verschiedener Schiffstypen und -betriebe erfüllen könne. Es eigne sich für Passagierfähren in der Küstenschifffahrt, Frachter in der Binnenschifffahrt, Hafendienste und den Betrieb in Niedrig- oder Null-Emissionszonen in ganz Europa, sagte Eric Tigelaar, Abteilungsleiter bei Commercial Marine Yanmar Europe. „Dies ist ein bedeutender Meilenstein auf dem Weg, unsere Wasserstoff-Brennstoffzellenlösungen den europäischen Kunden zugänglich zu machen“, sagt Masaru Hirose, General Manager of Large Power Products Business bei Yanmar Power Technology Co., Ltd.

Wasserstoffbetriebene Lastenboote als Alternative zu Lkw

In einer neuen Studie haben Wirtschaftschemiker der Universität Münster die Kosten von wasserstoffbetriebenem Frachtverkehr bewertet. Demnach könnten kleine autonom fahrende und mit Wasserstoff betriebene Boote Lastentransporte per Lkw teilweise ersetzen. Die Wissenschaftler um Professor Stephan von Delft haben ein solches Boot mathematisch modelliert und eine Lebenszyklus- und Kostenanalyse durchgeführt. „Unsere Berechnungen zeigen, in welchen Szenarien wasserstoffbetriebene Boote im Vergleich zu etablierten Transportlösungen nicht nur nachhaltiger, sondern auch wirtschaftlicher sind“, sagt von Delft.

Die Forscher berechneten, wie hoch die Emissionen und Gesamtkosten pro gefahrenem Kilometer sind. Sie unterschieden dabei zwischen günstigem grauen Wasserstoff und emissionsarmem, aber zurzeit noch teurerem grünen Wasserstoff mittels Strom aus erneuerbaren Energien. Diese verglichen sie mit den Gesamtkosten von diesel-, wasserstoff- und batteriebetriebenen Lkw.

Schiffsverkehr am Oberrhein: Kleine mit Wasserstoff betriebene Lastkähne können einer Studie der Uni Münster zufolge umweltfreundlicher fahren als Lkw auf. © Bundesanstalt für Wasserbau

Ergebnis: Mit grünem Wasserstoff betriebene Boote sind ab Entfernungen von 576 Kilometern günstiger als Diesel-Lkw und ab 624 Kilometern günstiger als batterie- oder wasserstoffbetriebene Lkw. Demnach könnte ein solches Boot die kostenoptimale Lösung für einen Transport von Gütern über Entfernungen von mehr als 624 Kilometern sein. Hochgerechnet auf den gesamten Straßentransportmarkt, hätten autonom fahrende, wasserstoffbetriebene Boote das Potenzial, gut 18 Prozent des Marktes kostengünstiger zu bedienen als der Transport mit Lastkraftwagen – dies entspreche 350 Milliarden Tonnenkilometer. Die Maßeinheit benennt die Beförderung von einer Tonne Transportgut über eine Entfernung von einem Kilometer.

Die untersuchten Boote sind so groß, dass sie genau einen Standardcontainer transportieren können. Damit ersetzten sie zwar keine Containerschiffe auf offener See, seien aber in der Binnenschifffahrt eine interessante Alternative, vor allem im Vergleich zu Lkw, die ebenfalls genau einen Container transportieren, sagt der Doktorand Simon Schlehuber. Zudem könnten die Boote durch ihren geringen Tiefgang das schiffbare Flussnetzwerk erweitern und vor allem in Zeiten niedrigen Wasserstandes den Schiffsbetrieb aufrecht halten.

Schiffstreibstoff aus Abwasser

Das am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gegründete Start-up ICODOS GmbH hat gemeinsam mit Partnern eine Demonstrationsanlage im Mannheimer Klärwerk errichtet, die Abwasser als Ressource nutzt.

ICODOS, eine Ausgründung aus dem KIT, entwickelt eine Anlage, die mit Biogas und Wasserstoff in Klärwerken Methanol für Schiffsantriebe produziert. © Karlsruher Institut für Technologie

Das dort entstehende Biogas wird zunächst gereinigt. Anschließend reagiert das darin enthaltene CO2 mit regenerativ erzeugtem Wasserstoff zu Methanol, das als Schiffstreibstoff oder in der chemischen Industrie eingesetzt werden kann. „Allein in Deutschland könnten Kläranlagen jährlich mehrere Millionen Tonnen nachhaltiges Methanol produzieren“, sagt Vidal Vazquez, Mitgründer von ICODOS. Durch die kompakte und skalierbare Bauweise eigne sich das Verfahren besonders für die dezentrale Umsetzung. Das Projekt zeige, dass Kläranlagen „als Herzstück einer nachhaltigen Kraftstoffproduktion dienen können – ein Potenzial, das bislang ungenutzt geblieben ist“. Das Unternehmen sei schon mit weiteren Kläranlagen im Austausch, um auch dort Produktionsanlagen zu errichten.

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Viking und Fincantieri haben Details über die „Viking Libra“ bekannt gegeben. Das mit Wasserstoff betriebene Kreuzfahrtschiff wird derzeit auf der Werft der italienischen Designschmiede Fincantieri in Ancona entwickelt und soll 2026 an Viking Cruises ausgeliefert werden. © Viking River Cruises Inc.