(Bergen / Norwegen) – Norwegen will eine „internationale Testarena für die emissionsfreie und emissionsarme Luftfahrt“ etablieren. Ein entsprechendes Abkommen trafen jetzt der amerikanische Luft- und Raumfahrtkonzern Beta Technologies Inc. und der Anbieter von Hubschraubertransportdienstleistungen Bristow Norway AS, einer Tochtergesellschaft der Bristow Group Inc. Vorgespräche mit der norwegischen staatlichen Avinor AS – Betreiberin von rund 50 Flughäfen – begannen vor Jahresfrist. Im Dezember unterzeichneten die beteiligten Unternehmen eine erste Vereinbarung mit der Luftfahrtbehörde Civil Aviation Authority of Norway (CAA Norway).

Die Unternehmen wollen zunächst Demonstrationsflüge ohne Passagiere mit dem konventionell startenden und landenden Elektro-Flugzeug „Alia cx300“ von Beta durchführen, das von Bristow Norway geflogen wird. Beta hatte eigenen Angaben zufolge vor kurzem die Entwicklung des Alia-Typs abgeschlossen. Es wurde in der Fabrik des Unternehmens in Burlington, Vermont, USA, hergestellt und hat den Angaben zufolge bereits alle erforderlichen Zulassungen. Es soll in Kürze in Norwegen eintreffen. Die Frachtmaschine fliegt zunächst zwischen den Flughäfen Stavanger und Bergen.

Basis für Batterie- und Wasserstoffantrieb

„Mit einer Luftfahrtindustrie, die sich der Emissionsreduzierung verschrieben hat, einem Netz von Flughäfen unterschiedlicher Größe, einem bedeutenden regionalen Luftverkehrsmarkt, einer proaktiven Luftfahrtbehörde und einer Zulieferindustrie, die sich auf batterieelektrische Antriebssysteme und Wasserstofftechnologie spezialisiert hat, verfügen wir über eine starke Grundlage für die frühzeitige Einführung neuer Technologien“, wirbt Verkehrsminister Jon-Ivar Nygård für das Vorhaben. Ziel sei es, im Rahmen der Nationalen Luftfahrtstrategie und dem Nationalen Verkehrsplan 2025-2036 (NTP) den Übergang zu einem emissionsfreien und emissionsarmen Luftverkehr zu beschleunigen.

Um dies zu erreichen, wurden im Rahmen des NTP eine Milliarde Kronen bereitgestellt. Für das Jahr 2025 habe die Regierung zudem für Avinor und CCA Norway rund 50 Millionen Kronen für das Vorhaben budgetiert. „Die erste wichtige Initiative ist die Etablierung Norwegens als internationales Testfeld für emissionsfreie und emissionsarme Flugzeuge“, so der Verkehrsminister.

Grundlagen für die Skalierung

Damit wolle man Erkenntnisse gewinnen und die Grundlage für eine technologische Skalierung schaffen. Sowohl Fluggesellschaften als auch Hersteller, Zulieferer, der Energiesektor und andere Interessengruppen würden einbezogen. Die Rolle von Avinor bestehe darin, „die Bereitstellung von Infrastruktur an den Flughäfen zu erleichtern und den Luftraum für Akteure zur Verfügung zu stellen, die emissionsfreie Flugzeuge in einem betrieblichen Umfeld testen wollen“, sagt Karianne Helland Strand, Executive Vice President für Nachhaltigkeit, Konzept- und Infrastrukturentwicklung bei Avinor. Man wolle lernen, was die verschiedenen Technologien und Flugzeuge in Bezug auf die Flughafeneinrichtungen und die erforderliche Energieversorgung benötigten.

Die Civil Aviation Authority of Norway werde zudem Vorschriften und Rahmenbedingungen weiterentwickeln, „um neue Technologien und Konzepte zu ermöglichen“, sagt deren Chef Lars Kobberstad.

Erster Start in Stavanger im Sommer

Das Projekt zur Evaluierung für die frühzeitige Einführung neuer Luftfahrttechnologien verlaufe nach dem Pronzip „Crawl, Walk, Run“, sagt Dave Stepanek, Executive Vice President, Chief Transformation Officer der Bristow Group. Der erste Start der Beta-Frachtmaschine ist für den Spätsommer in Stavanger vorgesehen. Im Herbst solle der Vollbetrieb zwischen beiden Flughäfen aufgenommen werden, vorerst ebenfalls ohne Passagiere.

Derzeit sei man im Beschaffungsprozess für Schnellladegeräte für Elektroflugzeuge in Bergen und Stavanger, um den ersten Testflug zu ermöglichen. Die Lieferung eines Ladegeräts solle bis zum 1. Juni erfolgen. Für den Flughafen Bergen stehe ab August ein mobiles Ladegerät zur Verfügung.

Allerdings gebe es aktuell nur wenige Schnellladegeräte für Flugzeuge auf dem Markt. Avinor werde auch ein Ladegerät mit einem CCS-Stecker beschaffen, womit handelsübliche Autoladegeräte technisch zum Aufladen von Flugzeugen verwendet werden könnten – jedoch müssten dazu auch physische Anpassungen vorgenommen werden, da diese völlig anders konstruiert sind als Pkw und Lkw.

Nur ein Hersteller für Flugzeug-Ladegeräte

In der Luftfahrt gebe es außerdem strenge Anforderungen an die Abstände zwischen einem sich bewegenden Flugzeug und einem Ladegerät. Bei der Beschaffung verlange Avinor eine kontinuierliche Leistung von mindestens 300 Kilowatt. Derzeit gebe es nur einen Hersteller, der ein an Flugzeuge angepasstes Ladegerät anbieten könne, das diese Anforderung erfüllte.

„Avinor möchte die norwegische Zulieferindustrie einbeziehen und durch das Projekt der Testarena auch weitere Akteure im Bereich der Ladetechnik an Bord holen“, sagt Avinors CEO Anders Kirsebom. Die Elektrifizierung der Autoflotte in Norwegen habe dazu beigetragen, dass viele innovative Lösungen für das Laden verschiedener Fahrzeuge von norwegischen Akteuren entwickelt worden seien. „Avinor hofft auf die gleiche Innovationskraft bei dieser Ausschreibung und darauf, dass wir viele Angebote erhalten, auch wenn heute noch niemand eine fertige Lösung hat“, so Kirsebom.

Testarena für den gesamten norwegischen Luftraum

Die jetzt ausgewählte Strecke ist erst der Anfang. Die Testarena werde grundsätzlich das gesamte Flughafennetz und den Luftraum Norwegens abdecken. Spezifische geografische Standorte für die Einrichtung von Testbetrieben würden in Kooperation mit Interessenten auf Grundlage ihrer Bedürfnisse sowie der Bewertung der technologischen Reife und der Verfügbarkeit relevanter Energiequellen festgelegt. Hersteller und Betreiber müssten in der Lage sein, ein Betriebskonzept vorzulegen und vorgegebene Qualifikationskriterien etwa in Sachen Klima und Umwelt, Innovation, Reifegrad sowie Wertschöpfung erfüllen.

Interessenbekundung und Erstkontakt ist per E-Mail möglich (testarena@avinor.no).

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Das Elektro-Flugzeug „Alia cx300 eCTOL“ soll als erste Maschine in dem neuen norwegischen Testkorridor für Elektro- und Wasserstoffantriebe fliegen. © Bristow Group