(Berlin) – Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Die Grünen) hat eine so von ihm genannte „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ vorgestellt. „Wir starten mit einem drastischen Rückstand“, sagte Habeck. „Die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen sind in allen Sektoren unzureichend.“ Es sei absehbar, „dass die Klimaziele der Jahre 2022 und 2023 verfehlt werden“.

Gerade im Bereich der Energiewirtschaft sei die Eröffnungsbilanz „sehr ernüchternd“. Die CO2-Emissionen seien 2021 wieder gestiegen, der Ausbau der Windenergie an Land und auf See liege auf dem niedrigsten Stand der letzten zehn Jahre, die Fertigstellung der Stromnetze verzögere sich erneut um weitere Jahre und der Strombedarf für 2030 sei von der vorherigen Regierung systematisch unterschätzt worden.

Ehrgeiziger Zeitplan für die nächsten Jahre

Deutschland solle bis 2045 klimaneutral werden und bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energien auf 80 Prozent steigern. Projektionen zeigten, dass ohne schnell wirkende, zusätzliche Klimamaßnahmen die Ziele für 2030 „in allen Sektoren deutlich verfehlt werden“.

Die Eröffnungsbilanz sei „der Startschuss für die Arbeit an einem Klimaschutz-Sofortprogramm, mit dem die Bundesregierung alle notwendigen Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen so auf den Weg bringt, dass die Verfahren bis Ende 2022 abgeschlossen sind“. Die Ampelkoalition lege bis Ende April ein erstes Klimaschutzpaket vor, ein zweites folge im Sommer.

Sofortmaßnahmen für den Klimaschutz

In einem 37 Seiten umfassenden Papier legt der Wirtschaftsminister einen viele Punkte umfassenden Plan vor. „Absolute Priorität“ habe demnach der Ausbau der erneuerbaren Energien. Dieser sei „drastisch zu beschleunigen“ und die Hemmnisse und Hürden seien aus dem Weg zu räumen. Zu den Sofortmaßnahmen gehören unter anderem:

  • EEG-Novelle: Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) würden die Weichen gestellt für 80 Prozent erneuerbare Stromerzeugung bis 2030 (2021 lag der Anteil bei 42 Prozent, 2010 waren es 17 Prozent). Dafür würden unter anderem die Ausschreibungsmengen für Wind- und Solarkraftwerke erhöht. Die Beteiligung von Kommunen an der Wertschöpfung solle auf Bestandsanlagen ausgedehnt werden. Ziel sei, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von aktuell knapp 240 Terawattstunden auf 544 bis 600 Terawattstunden im Jahr 2030 zu erhöhen, also um 120 bis 150 Prozent. Ab 2023 werde die EEG-Umlage vollständig aus dem Bundeshaushalt finanziert.
  • Solarenergie: Ein „Solarbeschleunigungspaket“ solle den Ausbau „deutlich voranbringen“. Hierzu zählen unter anderem eine Verbesserung beim Mieterstrom und eine Öffnung der Flächenkulisse für Freiflächenanlagen. Zudem sollten alle geeigneten Dachflächen künftig für die Solarenergie genutzt werden. „Bei gewerblichen Neubauten wird Solarenergie verpflichtend, bei privaten Neubauten die Regel“, heißt es in dem Papier. Bei der Photovoltaik solle die installierte Leistung bis 2030 auf 200 Gigawatt (GW) steigen (Ende 2020: 54 GW; Prognose Ende 2021: rund 59 GW).
  • Windenergie: Mit einem „Wind-an-Land-Gesetz“ sollen kurzfristig Flächenpotenziale erschlossen werden. Die Abstände zu Drehfunkfeuern und Wetterradaren würden reduziert und Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit des Windausbaus mit militärischen Interessen umgesetzt. Allein im Bereich Funknavigation und Drehfunkfeuer liege das Potenzial bei vier bis fünf Gigawatt. Zusätzlich gebe es ein Potenzial von drei bis vier Gigawatt Leistung im Bereich militärischer Belange. Bis 2030 sei eine installierte Leistung von über 100 GW Windenergie an Land nötig. Beziehe man auch den Rückbau älterer Anlagen in den nächsten Jahren ein, handele es sich dabei um mehr als eine Verdopplung der derzeit installierten Leistung. Bei Offshore-Windkraft würden die Ausbauziele für 2030 von 20 auf 30 GW erhöht, um dann 40 GW bis 2035 und mindestens 70 GW bis 2045 zu erreichen.
  • Wasserstoffstrategie: Der Aufbau einer leistungsfähigen grünen Wasserstoffwirtschaft sei „zentral zur Erreichung der Klimaschutzziele und positioniert Deutschland als Leitmarkt für Klimaschutztechnologien“. Um den Markthochlauf von grünem Wasserstoff zu erreichen, werde das Ausbauziel für Elektrolyseure bis 2030 auf 10 GW verdoppelt. Insbesondere durch die zügige Umsetzung der Wasserstoffprojekte im Rahmen der „Important Projects of Common European Interest“, den Aufbau weiterer Förderprogramme und durch Carbon Contracts for Difference würden Investitionen in Wasserstofftechnologien finanziell unterstützt.
  • Nationale Wasserstoffstrategie: Die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) werde „noch in diesem Jahr“ überarbeitet, um zusätzliche Förderprogramme auf den Weg bringen. Auf europäischer Ebene wolle die Koalition Zertifizierungssysteme für grünen Wasserstoff etablieren. Eine zentrale Rolle komme dem Import von grünem Wasserstoff zu. Bereits bestehende Maßnahmen wie „H2Global“ würden weiterentwickelt. Zudem setze man sich für die Entwicklung eines europäischen Wasserstoffbinnenmarktes ein und baue Importpartnerschaften auf. „Der Aufbau einer Wasserstoffnetzinfrastruktur ist eine zentrale Voraussetzung für eine verlässliche und insgesamt effiziente Versorgung mit Wasserstoff, denn sie vernetzt die Abnehmer (insbesondere in den industriellen Verbrauchszentren) mit den günstigen Standorten für die Erzeugung von grünem Wasserstoff (Windstandorte in Norddeutschland) und kann Wasserstoffspeicher als Flexibilitäts- und Back-up-Komponente einbinden.“ Wichtig sei „eine gute Vernetzung mit unseren europäischen Nachbarn, da wir aufgrund der begrenzten Flächenpotenziale bei erneuerbaren Energien den überwiegenden Teil des Wasserstoffs importieren werden“. Geeignete Maßnahmen seien unter anderem der Ausbau der Wasserstofftransportnetze und die vorrangige Nutzung grünen Wasserstoff in Wirtschaftssektoren, in denen es nicht möglich sei, Verfahren und Prozesse durch eine direkte Elektrifizierung auf Klimaneutralität umzustellen.

Überdies folge nach dem Atom- und Kohleausstieg der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Gase. Deren Einsatz zur Stromerzeugung werde schrittweise reduziert und teilweise durch grünen Wasserstoff ersetzt. Moderne neue Gaskraftwerke müssten „möglichst von Anfang an mit erneuerbaren Brennstoffen betrieben oder so gebaut werden, dass sie in Zukunft vollständig auf erneuerbare Gase umgestellt“ werden könnten (H2-ready).

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Bundeswirtschaftsminister Habeck bei der Vorstellung der neuen Klimaschutzpläne. © BMWi