(Weeze/Berlin) – Die Deutsche Bahn will im Rahmen eines „H2goesRail“ genannten Projekts einen neu zu entwickelnden Zug mit Wasserstoffantrieb sowie dessen Betankung testen. „Grüner Wasserstoff kann im Bahnverkehr zum Erfolg werden, wenn schnelle, zuverlässige und konkurrenzfähige Tankzeiten im Vergleich zu herkömmlichen Dieselsystemen möglich sind“, sagt Torsten Schein, Chef der DB Energie GmbH.

Das System wird in enger Abstimmung zwischen der Deutschen Bahn und der nordrhein-westfälischen Wystrach GmbH entwickelt. Es soll aus einem Tankcontainer und einer Tankstelle bestehen. Letztere enthält unter anderem einen 500-Bar-Speicher, einen Kompressor, eine Wasserstoffvorkühlung und zwei Füllgarnituren. Die Versorgung der Anlage mit Wasserstoff kann entweder am Füllwerk erfolgen oder durch Elektrolyse und Verdichtung vor Ort. Der Lieferumfang umfasst den Angaben zufolge die Steuerungs- und Sicherheitstechnik, außerdem werde ein Kommunikationsstandard zwischen Tankstelle und Zug entwickelt.

Wystrach, Systemlieferant für Wasserstofftechnologie, ist unter der Bezeichnung „WyRefueler“ bereits mit einer mobilen Wasserstofftankstelle am Markt. Entwickelt, erprobt und optimiert wird das Gesamtsystem aus Zug und Tankstelle von DB Energie.

Schnellbetankung in 15 Minuten

Kern der Tankstelle ist nach Angaben der Bahn „eine neuartige Schnellbetankung“, die jetzt erprobt werden soll. Das System ermögliche selbst im eng getakteten Nahverkehr binnen 15 Minuten die Wasserstoffzüge zu betanken – was bislang nur bei Dieselbetankung machbar sei. „Diese erste Wasserstofftankstelle wird Teil eines Gesamtsystems aus Tankstelle, einem von Siemens Mobility neu konstruierten Nahverkehrszug und einer für Wasserstoffzüge fit gemachten Instandhaltung von DB Regio sein“, heißt es in einer Mitteilung. In mehrwöchigen Tests lege man die Grundlage für die erstmalige Zulassung und den Bau des neuen Systems. Die Inbetriebnahme ist für Sommer kommenden Jahres vorgesehen.

Die Entwicklung der neuen Tankstelle wird im Rahmen des seit 2020 laufenden Verbundförderprojekts „H2goesRail“ mit rund vier Millionen Euro durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert. Industriepartner sind das Ulmer Unternehmen Wenger Engineering und das Familienunternehmen Wystrach aus Weeze am Niederrhein.

Grüner Wasserstoff wird vor Ort hergestellt

DB Energie obliegt in dem Projekt die Wasserstoffversorgung – von der Herstellung durch Elektrolyse bis zur Speicherung und Bereitstellung. Der grüne Wasserstoff wird mittels Ökostrom direkt vor Ort hergestellt, verdichtet, in einem mobilen Speicher gelagert und vor dem Tanken im daneben liegenden Tanktrailer aufbereitet und gekühlt.

Bereits im November vergangenen Jahres verkündete die Deutsche Bahn, dass Siemens einen „Mireo Plus H“ genannten Regionalzug mit einem Wasserstoffantriebssystem bestehend aus einer Brennstoffzelle und einer Lithium-Ionen-Batterie entwickeln wird (wir berichteten). Das zweiteilige Fahrzeug sei für eine Reichweite von 600 Kilometer ausgelegt. Eine dreiteilige Variante habe eine Reichweite von 1.000 Kilometern, hieß es seinerzeit. Die Höchstgeschwindigkeit betrage 160 Stundenkilometern.

Während des für 2024 vorgesehenen einjährigen Probelaufs zwischen Tübingen, Horb und Pforzheim wird der Zug einen dort fahrenden Dieseltriebwagen ersetzen. Geplant sind etwa 120.000 Kilometer Bahnbetrieb. Nach Unternehmensangaben eigne sich die Strecke besonders „wegen der für den Regionalverkehr beispielhaften Taktung des Fahrplans und der abwechslungsreichen Topografie“. Eine erste Simulation der Strecke fand bereits statt. Um einen reibungslosen Betriebsablauf zu gewährleisten und den Zug regelmäßig warten zu können, wird das DB Regio-Werk in Ulm für Wasserstofffahrzeuge fit gemacht.

Alstom fährt bereits

Allerdings sind die Deutsche Bahn und Siemens nicht die ersten Unternehmen, die Wasserstoff auf die Schiene heben. Während Siemens auf seiner Website noch proklamiert, „Die Zukunft der Wassertofftechnologie beginnt jetzt“, fahren die Züge andere Hersteller bereits. Wie berichtet, lieferte der französische Konzern Alstom 2020 Wasserstoffzüge für den Testbetrieb zum Beispiel an die Österreichischen Bundesbahnen, außerdem nach Italien, in die Niederlanden und in mehrere deutsche Bundesländern; zuletzt im Juni auch nach Polen.

Im November bestellte das italienische Eisenbahnunternehmen Ferrovie Nord Milano sechs „iLint“-Züge bei Alstom. In Deutschland wollen regionale Verkehrsgesellschaften den „iLint“ ab 2022 in den Regelbetrieb einbinden.

Deep Link
https://gruen.deutschebahn.com/de/news/wasserstofftankstelle
https://www.wystrach.gmbh/aktuelles-bei-wystrach.html

Foto
Wystrach entwickelt die Tankinfrastruktur für den geplanten Wasserstoffzug / © Deutsche Bahn