(Berlin) – „Ein rascher Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland ist die zentrale Voraussetzung für die Energiewende, für einen wirksamen Klimaschutz sowie für die Produktion von grünem Wasserstoff.“ Es sei notwendig, eine „ambitioniertere und umfassendere Wasserstoffstrategie in Deutschland mit klar definierten Zielen und Regeln sowie investitionsfreundlichen Rahmenbedingungen“ zu schaffen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Studie zur „Bewertung der Vor- und Nachteile von Wasserstoffimporten im Vergleich zur heimischen Produktion“ des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie.
Ausgangspunkt der Untersuchung ist die im Juni 2020 vekündete Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, die vor allem auf den Import des Energieträgers setzt. Damit seien allerdings nicht nur hohe Unsicherheiten verbunden, auch könnte dies in den produzierenden Ländern zu unerwünschten Effekten führen, etwa einer verschleppten Energiewende, wenn nicht von Anfang an die Transformation des Energiesystems vor Ort mitgedacht werde. Mögliche Folge: „Deutschland importiert grünen Wasserstoff, aber im Produktionsland fachen fossile Energieträger weiterhin den Klimawandel an.“ Auch bestehe die Gefahr, dass wasserstoffnutzende Produktionszweige wie die Stahl- und Chemieindustrie zunehmend dahin abwanderten, wo der Wasserstoff produziert werde.
Importe nicht zwangsläufig günstiger
Die Annahme, dass importierter Wasserstoff allgemein günstiger sei, treffe pauschal nicht zu. „Entscheidend sind je nach Herkunftsland die tatsächlich realisierbaren Strom- und Transportkosten“, so die Autoren. Wasserstoffimporte per Schifft seien „aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll, da diese eine energieintensive Verflüssigung voraussetzen“. Die Kosten für den Transport sind drei Mal so hoch wie beim Transport per Pipeline und rechneten sich erst ab 4.000 Kilometer Entfernung zum Produktionsland.
Viele potenzielle Exportländer seien überdies selbst stark abhängig von fossilen Energieträgern. In Marokko etwa machten fossile Energieträger derzeit rund 90 Prozent des Primärenergiemix aus und würden auch 2030 noch tragende Rollen einnehmen. „In solchen Regionen birgt eine stark exportorientierte Wasserstoffwirtschaft das Risiko, die Energiewende vor Ort zu verschleppen mit negativen Effekten für den Klimaschutz“, heißt es in einer Mitteilung des Mit-Auftraggebers Bundesverband Erneuerbare Energien.
Werde der grüne Wasserstoff hingegen im eigenen Land produziert, entfalte sich „eine positive Beschäftigungswirkung und Wertschöpfung“. Mit der Erreichung der Klimaziele 2050 betrüge die zusätzliche Wertschöpfung bei einer stark auf die heimische Erzeugung ausgerichtete Strategie bis zu 30 Milliarden Euro im Jahr 2050 und es könnten bis zu 800.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.
Erneuerbare Energien als flexible Stromspeicher
Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie haben wir in Deutschland bisher nur beschlossen, grünen Wasserstoff in großem Stil zu konsumieren“, kommentiert Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE): „Jetzt muss auf die Agenda, ausschließlich grünen Wasserstoff zu fördern und ihn dann auch hier zu produzieren!“ Die Bundesregierung müsse Anreize setzen, „um die entsprechende Zahl von Elektrolyseuren für grünen Wasserstoff, die Infrastruktur und vor allem ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien im eigenen Land zu erzeugen“. So würden Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaschutz in der modernen Energieversorgung vereint.“
Frank Merten, Co-Leiter des Forschungsbereichs Systeme und Infrastrukturen in der Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme am Wuppertal Institut und Projektkoordinator der Studie, moniert, dass aktuell „zu sehr über die Kosten und zu wenig über die Notwendigkeiten und positiven Effekte der heimischen Wasserstoffproduktion aus erneuerbaren Energien gesprochen“ werde. „Wir brauchen sie als flexibles Speicherelement für die Integration von erneuerbarem Strom sowie als Grundlage für die Dekarbonisierung der heimischen Schwerindustrie.“
Mit Windkraft wird Wasserstoff konkurenzfähig
Yann Girard, Co-Autor der Studie und Manager beim DIW Econ, betont, dass die „heimische Produktion von grünem Wasserstoff zudem ein enormes volkswirtschaftliches Potenzial“ habe. Dies sollte „mit Blick auf Wertschöpfung und Beschäftigung und sollte bei der Entscheidung, wie viel Wasserstoff aus dem Ausland importiert wird, nicht außer Acht gelassen werden“. Große Synergien ergeben sich vor allem dort, wo mit zunehmendem Einsatz fluktuierender Energieträger Überschussmengen in Wasserstoff umgewandelt werden. Strom aus Onshore-Windenergieanlagen ermöglichen im Vergleich zum H2-Import zudem eine konkurrenzfähige H2-Erzeugung.
Die Studie zur „Bewertung der Vor- und Nachteile von Wasserstoffimporten im Vergleich zur heimischen Produktion“ wurde vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) und vom Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) in Auftrag gegeben. Projektpartner waren das Wupppertal Institut und die DIW Econ GmbH. Die Studie steht als Download kostenfrei zur Verfügung.
Deep Link
https://www.bee-ev.de/presse/mitteilungen/detailansicht/neue-studie-gruener-wasserstoff-aus-deutschland-befluegelt-klimaschutz-und-volkswirtschaft
Studie
https://wupperinst.org/fa/redaktion/downloads/projects/LEE-H2-Studie.pdf
https://wupperinst.org/p/wi/p/s/pd/932/
Foto
Vorstellung der Nationalen Wasserstoffstrategie im Juni 2020 (von links: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek) / © BMBF/Hans-Joachim Rickel