(Salzgitter / Deutschland) – Der französische Bahnkonzern Alstom hat in seinem Werk im niedersächsischen Salzgitter eine von Diesel- auf Wasserstoffantrieb umgerüstete Rangierlokomotive präsentiert. Der Fahrzeugmotor werde durch direkte Verbrennung des Energieträgers angetrieben.

Alstom hat die umgebaute Lok im September im Beisein von Vertretern aus Politik und Wirtschaft vorgestellt (v.l.): Brecht Günther (VPS), Astrid Paus (Amt für regionale Landesentwicklung), Oliver Mairinger (Alstom), Frank Klingebiel (Oberbürgermeister Salzgitter), Christian Bieniek (Alstom), Peter Eilts (TU Braunschweig), Carsten Tietze (WTZ Roßlau). © Alstom / Philipp Ziebart

Die Technologie zur Modernisierung von Bestandslokomotiven entwickelt Alstom den Angaben zufolge gemeinsam mit der VPS Verkehrsbetriebe Peine-Salzgitter GmbH, einer Tochter des Stahlkonzerns Salzgitter AG, sowie mit der WTZ Roßlau gGmbH, der TU Braunschweig und dem Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik. Der nun beginnende industrielle Testbetrieb bei den stahlproduzierenden Gesellschaften des Salzgitter-Konzerns laufe voraussichtlich noch bis Ende Oktober 2025. Man erwarte aus dem praxisnahen Betrieb wichtige Erkenntnisse über die Alltagstauglichkeit und wolle Erfahrungen für eine Serienlösung sammeln. Die Lokomotive werde anschließend wieder auf ihren ursprünglichen Zustand zurückgerüstet.

Cockpit der Wasserstofflok in Salzgitter. © Alstom / Philipp Ziebart

VPS betreibe 42 Lokomotiven für den Transport von Erz und Kohle, Roheisen und Stahlprodukten. In Deutschland seien insgesamt rund 1.000 Diesel-Rangierloks im Einsatz, europaweit seien es 4.000. Die durchschnittliche Laufzeit einer Dieselrangierlok liege bei 50 bis 70 Jahren, pro Jahr emittierten sie etwa 150 Tonnen CO2. Eine modernisierte Rangierlok mit Wasserstoffantrieb spare bei einer Restnutzungsdauer von 15 bis 20 Jahren bis zu 3.000 Tonnen CO2 ein. Woher der Wasserstoff für das Salzgitter-Projekt stammt, wird nicht gesagt.

Förderung von Stadt und Land

Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) zitierte anlässlich der Alstom-Tests den vormaligen niedersächsischen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der die Stadt einst „als Transformationshauptstadt Deutschlands“ bezeichnet habe. Die Salzgitter AG investiere Milliarden in das „SALCOS“-Projekt für CO2-arme Stahlherstellung, VW baue sein erstes Batteriezellenwerk und am „Wasserstoff Campus“ würden „die Technologien von morgen zu den Themen Fabriktransformation, grüner Wasserstoff und Speicherung von Wasserstoff entwickelt“. Die Stadt unterstützt das Verbundprojekt zur Dekarbonisierung des Rangierverkehrs mit 1,5 Millionen Euro aus der 50-Millionen-Euro Strukturhilfe, welche die Stadt vom Land Niedersachsen erhalten hat.

Alstom ist nicht allein

Kunden könnten dank dieser Lösung auf einen emissionsfreien Betrieb umstellen, ohne ihren bestehenden Fuhrpark austauschen zu müssen, sagt Francois Muller, Leiter des Service-Geschäfts für Zentral- und Nordeuropa bei Alstom. „Gerade im Rangierverkehr ist das aufgrund der langen Lebensdauer der Fahrzeuge eine lohnende Option.“ Dass man mit diesem Forschungsprojekt „Pionierarbeit in der Nutzung von Wasserstoff im Schienenverkehr“ leiste, trifft allerdings nur bedingt zu, denn auch anderswo arbeitet man an Wasserstoff-Loks – teils mit direkter Nutzung, teils mittels Brennstoffzellen.

SERA hat bereits eine H2-Rangierlok getestet und baut drei weitere. © Sierra Northern Railway / Screenshot aus Video zur Testfahrt

So hatte etwa im April dieses Jahres die kalifornische Eisenbahngesellschaft Sierra Northern Railway (SERA) den Test seiner ersten vierachsigen wasserstoffbetriebenen Rangierlokomotive abgeschlossen und bereits mit dem Bau von drei weiteren Loks begonnen. Angekündigt wurde das Vorhaben von einem Konsortium aus Industrie und Forschung bereits 2022, nachdem die California Energy Commission (CEC) im Jahr zuvor einen Zuschuss von vier Millionen Dollar zugesagt hatte.

Die Wasserstofftanks der im Jahr 2022 vorgestellten PESA-Lok haben ein Fassungsvermögen von 175 Kilogramm. Eine Füllung ermögliche einen 24-stündigen Rangierbetrieb, heißt es beim US-Lieferanten der Brennstoffzellen Ballard Power. © Ballard Power Systems Inc.

Im Juni 2023 verkündete der polnische Hersteller von Schienenfahrzeugen PESA SA, man sei mit seiner für den europäischen Markt zertifizierten wasserstoffbetriebenen Rangierlokomotive auf der Zielgeraden. Das vierachsige Fahrzeug „SM42-6Dn“ wird von zwei 85-Kilowatt-Brennstoffzellen des US-Herstellers Ballard Power Systems Inc. angetrieben. Die 70-Tonnen-Lok ist nach Unternehmensangaben für Rangierarbeiten sowie das Fahren von leichten Güterzügen konzipiert. Das Modell ist eine Modernisierung des Diesel-Typs SM42. Die Lok wurde im August 2022 in der PESA-Anlage in Bydgoszcz einer ersten Betriebsprüfung unterzogen und im September jenen Jahres auf der Berliner Kongressmesse InnoTrans vorgestellt.

Die bremischen Häfen verfügen über eine Schieneninfrastruktur mit einer Gleislänge von insgesamt 200 Kilometern. E-Loks sind kaum geeignet. Ein Konsortium forschte im vergangenen Jahr an Wasserstoff-Lok. © Bremenports GmbH & Ko.

In Deutschland hatte im Februar 2023 überdies ein Konsortium aus Forschung und Industrie das Vorhaben „sH2unter@ports“ angekündigt, an dem auch Alstom beteiligt ist. Ziel ist die Umstellung von Loks für bremische und Hamburger Hafengebiete auf den Betrieb mit Wasserstoff. Rangierloks könnten dort „nicht durch Oberleitungen elektrifiziert werden“, so seinerzeit die Bremer Hafenbehörde. „Die leistungsstarken Rangierloks mit Batterien auszustatten, ist aufgrund ihres hohen Energiebedarfs nachteilig und aufgrund der verfügbaren Energiedichte, den Lebenszykluskosten und der Ladezyklen noch nicht möglich.“

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Alstom erprobt in Salzgitter für mehrere Wochen eine von Diesel- auf Wasserstoffantrieb umgerüstete Rangierlok. © Alstom / Philipp Ziebart