(Köln / Deutschland) – Ab 2030 wären durch den Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAF, Sustainable Aviation Fuels) in Kombination mit neuen Flugzeugtechnologien erhebliche CO2-Einsparungen und damit eine klimaverträglichere Luftfahrt möglichen – trotz des erwarteten Wachstums des globalen Flugaufkommens. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutsche Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

„DEPA 2070“ liefert Prognosen zur Entwicklung der Passagierluftfahrt bis 2070. Das Folgeprojekt „DEPA – ext.“ (DEvelopment Pathways for Aviation – extended) untersucht Faktoren wie Kapazitätsengpässe, Versorgungsprobleme oder strukturelle Veränderungen im Luftverkehrsnetz. © DLR
Aufgabe war es, technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen verschiedener Luftfahrtentwicklungen über einen Zeitraum von 50 Jahren zu bewerten. Denn die erzeugte globale Bruttowertschöpfung des Luftverkehrs könnte sich bis 2070 von derzeit rund 1,1 Billionen Euro auf etwa 2,2 Billionen Euro verdoppeln, so die Prognose. Auch die Zahl der Beschäftigten im Luftfahrtsektor werde voraussichtlich von heute weltweit etwa 17 Millionen auf mehr als 37 Millionen steigen. Dennoch könnten die Emissionen in einem konservativen Szenario pro 100 Passagierkilometer um rund 23 Prozent gesenkt werden. Im progressiven Szenario, das den frühzeitigen Einsatz wasserstoffbasierter und batterieelektrischer Antriebe ab dem Jahr 2050 berücksichtigt, seien sogar Einsparungen von bis zu 89 Prozent denkbar.

Politische Weichen bestimmen, wie klimafreundlich der Luftverkehr wird: Bei Mainlinern gilt Wasserstoff ab 2050 im progressiven Szenario als wichtigster Treibstoff. Im konservativen Szenario wird zwar in bestehenden Flugzeugen nach technologischen Nachrüstungen SAF genutzt, aber bis 2070 kein Wasserstoff. © DLR (CC BY-NC-ND 3.0)
Im Mittelpunkt der Untersuchung standen die beiden alternativen Zukunftsszenarien für verschiedene Marktsegmente wie Mainliner, Regionalflugzeuge, Kleinflugzeuge, Business Jets und Überschallflugzeuge. Das konservative Szenario nimmt einen moderaten, schrittweisen technologischen Fortschritt an. Das progressive Szenario geht von einem schnelleren Markteintritt neuer emissionsfreier Technologien aus. Beide Szenarien wurden „unter Berücksichtigung eines prognostizierten Wachstums des weltweiten Luftverkehrs“ modelliert. Auch externe Faktoren wie Bevölkerungswachstum, Energiepreise und geopolitische Veränderungen wurden einbezogen.

Neue Mobilitätskonzepte gefordert: Auf innereuropäischen Strecken ließen sich mit Kombinationen aus kleinen Regionalflugzeugen und Schnellverbindungen vier Stunden Reisezeit einsparen. Technische Anpassungen machten klimafreundlichere Flüge ab 2030 möglich, im konservativen Szenario dauert es noch viele Jahre länger. © DLR (CC BY-NC-ND 3.0)
Neue Mobilitätskonzepte böten großes Potenzial. So könnten hybrid-elektrische Kurzstreckenflugzeuge, effizientere Flughafenzugänge oder Überschallverbindungen das Reisen künftig flexibler und schneller machen. Besonders auf innereuropäischen Strecken ließen sich mit „Kombinationen aus kleinen Regionalflugzeugen und Schnellverbindungen gegenüber heutigen Reiseketten im Schnitt mehr als vier Stunden Reisezeit einsparen“, sagt Studienleiterin Alexandra Leipold vom DLR-Institut für Luftverkehr. Diese Entwicklungen könnten auch die Erreichbarkeit strukturschwacher Regionen verbessern.

Überschall spielt in der zivilen Luftfahrt aktuelle kein Rolle mehr. Ab 2050 ließen sich die neu entwickelten Flugzeuge mit 70 Prozent SAF betreiben. Wasserstoff spielt dabei als direkter Treibstoff allerdings keine Rolle. © DLR (CC BY-NC-ND 3.0)
Aufgrund des prognostizierten Nachfrageanstieg sowie durch notwendige Flottenerneuerungen zeige sich „ein deutlich wachsender Bedarf an neuen Flugzeugen“. Während im konservativen Szenario nachhaltig erzeugte Luftfahrtkraftstoffe als wichtigste Technologie gelten, übernehme im progressiven Szenario flüssiger Wasserstoff die zentrale Rolle. Der Anteil batterie- und hybridelektrischer Flugzeuge bleibe begrenzt, wachse aber insbesondere im progressiven Szenario deutlich. Sie könnten damit „eine sinnvolle Alternative zum Pkw-Verkehr bieten“ – sowohl für den privaten als auch geschäftlichen Reiseverkehr.
Doch nicht allein neue Flugzeugtechnologien seien zu berücksichtigen, sondern auch neue Anforderungen an Flughäfen und Versorgungssysteme. „In den nächsten Jahren sind strategische Entscheidungen gefragt – etwa zur zukünftigen Nutzung und Verteilung von Wasserstoff, SAF oder Strom an Flughäfen“, so die Analyse. Während in der kurzen Frist vor allem Planungssicherheit notwendig sei, beginne in der mittleren Frist die Phase konkreter Investitionen. Langfristig gehe es darum, genügend Kapazitäten für alternative Energieträger und neue Flugzeugtypen bereitzustellen.
Lösungsansätze für Politik und Industrie
Die Ergebnisse der Studie lieferten „eine wichtige Basis für strategische Entscheidungen im Luftverkehr der kommenden Jahrzehnte“. Sie ermögliche es Behörden und Politik sowie der Luftverkehrswirtschaft und Industrie „auf fundierte Szenarien und praxisnahe Lösungsansätze zurückzugreifen“, um den Luftverkehr nachhaltig, wettbewerbsfähig und zukunftssicher zu gestalten.
„Die Luftfahrt bleibt auch langfristig ein zentraler Wirtschaftstreiber – ihr Wachstum wird weitergehen“, sagt Markus Fischer, DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt. „Entscheidend ist, dass es uns gelingt, Klimaschutz und Wachstum in Einklang zu bringen.“ Die untersuchten Szenarien zeigten, dass ein CO2-neutraler Luftverkehr möglich sei, „wenn wir heute die Weichen stellen und neue Technologien gezielt vorantreiben“.
Den Projektbericht „DEvelopment Pathways for Aviation up to 2070“ (DEPA 2070) gibt es als PDF (131 Seiten) kostenfrei zum Download. Auf der Website steht auch eine Zusammenfassung (18 Seiten) zur Verfügung.
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„Die Luftfahrt bleibt auch langfristig ein zentraler Wirtschaftstreiber“: Die Ergebnisse aus DEPA 2070 liefern eine Basis für strategische Entscheidungen, um den Luftverkehr nachhaltig, wettbewerbsfähig und zukunftssicher zu gestalten. Die Grafik zeigt eine Konzeptstudie von mit Wasserstoff betriebenen Flugzeugen. © Airbus