(Perth / Rotterdam / Freiburg) – Der australische Bundesstaat Western Australia könnte im Jahr 2050 einen erheblichen Teil des europäischen Wasserstoffbedarfs decken und „ein weltweit führender Produzent, Nutzer und Exporteur“ des Energieträgers und seiner Derivate werden. Der Rotterdamer Hafen sei aufgrund seiner umfangreichen logistischen Verbindungen zu den vielversprechendsten Abnahmeregionen in Deutschland, insbesondere Nordrhein-Westfalen und Ludwigshafen, für die Anlandung gut geeignet. Zu diesem Ergebnis kommt eine jetzt aktualisierte „TrHyHub“ (Trilateral Hydrogen Hub Feasibility) genannte Studie. Demnach sei erneuerbares Ammoniak als wichtigster Wasserstoffträger „kurzfristig die am besten geeignete Option.“

Das Untersuchungsgebiet an der Westküste des Bundesstaates Western Australia. © Fraunhofer ISE
Experten des Hafens von Rotterdam und das Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE untersuchten gemeinsam mit der Regierung des Bundesstaates Western Australia eine mögliche Lieferkette vom Industriegebiet Oakajee SIA (Oakajee Strategic Industrial Area) über die Niederlande nach Deutschland. Ebenfalls beteiligt ist die staatliche Hafengesellschaft Mid West Ports Authority (MWPA). „Mid West Ports spielt eine wesentliche Rolle zur Stärkung der Region“, kommentierte Minister Stephen Dawson, unter anderem zuständig für Häfen und regionale Entwicklung die Analyse. Auch die für die Region Mid West zuständige Ministerin Jackie Jarvis begrüßte die Ergebnisse in dem offiziellen Statement der Regierung des Bundesstaates: Die Studie demonstriere die wichtige Rolle von Western Australia als Exporteur von Energie. „Durch die Aktivierung von Industriegebieten sind wir bestens gerüstet, um bei grünem Wasserstoff Weltmarktführer zu werden.“

Oakajee SIA liegt in der Region Mid West des Bundesstaates Western Australia, etwa 20 Kilometer nördlich des Städtchens Geraldton. © Government of Western Australia / Department for Planning and Infrastructure
Mit seiner strategischen Lage sei der „Mid West Hydrogen Hub“ um Oakajee ein zentraler Knotenpunkt für das Wachstum der erneuerbaren Industrie in Western Australia. Das Land biete in einem Umkreis von 350 Kilometern ein erhebliches Potenzial für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in großem Maßstab, so eine vom Fraunhofer ISE durchgeführte Standortanalyse. Das theoretische Potenzial ermögliche eine Stromproduktion von 10.000 Terawattstunden (TWh) aus Photovoltaik und 5.700 TWh aus Onshore-Windenergie. Bei vollem Ausbau bedeute dies eine theoretische Wasserstoffproduktion von 185 Millionen Tonnen pro Jahr (Mtpa) aus Solarenergie und 105 Mtpa aus Windenergie. Diese Größenordnung würde einen erheblichen Teil des europäischen Bedarfs im Jahr 2050 decken. Die geplante Produktionskapazität für Ammoniak aus erneuerbaren Energien könnte mehr als 15 Mtpa erreichen. Dies entspreche laut ISE der derzeitigen europäischen Ammoniakproduktion, und der Studie zufolge etwa 75 Prozent der im Jahr 2030 erwarteten Nachfrage.
Entfernung kein bedeutender Kostenfaktor

Wissenschaftler des Fraunhofer ISE haben die Eignung von Standorten für die Erzeugung von erneuerbarem Strom für die Region Oakajee untersucht. Das theoretisches Potenzial liege bei jährlich 185 Millionen Tonnen Wasserstoff mittels PV und 105 Millionen Tonnen aus Windenergie. © Fraunhofer ISE
Die Forscher untersuchten auch die spezifischen technologischen Lösungen und modellierten die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff und dessen Derivate sowie deren Transport. Demnach sei die große Entfernung „kein bedeutender Kostenfaktor“ und mache „nur neun Prozent der Gesamtkosten für Produktion und Lieferung aus“, sagt Studienautor Marius Holst vom Fraunhofer ISE. Die sehr guten Bedingungen für die Solar- und Windstromproduktion könnten einen Teil der höheren Transportkosten kompensieren.
Untersucht wurde auch der Export von flüssigem Wasserstoff und Methanol nach Deutschland. Beide Produkte stießen allerdings auf „technische und wirtschaftliche Hindernisse für den Export“. So gebe es etwa einen Mangel an kommerziell verfügbaren Transportbehältern für Flüssigwasserstoff oder kommerzielle und kostengünstige Technologien zur CO2-Gewinnung aus der Luft (DAC).
Entwicklung schon seit 2022 im Fokus
Die trilaterale Studie wurde bereits im Jahr 2022 angekündigt. Schon seinerzeit vergab die staatliche Wirtschaftsentwicklungsbehörde Development WA Grundstücke an die sechs finanzkräftigen Interessenten Fortescue, BP, Copenhagen Infrastructure Partners, Green LOHC, Kinara Power und Blue Diamond Australia.
Erst vor wenigen Tagen hatte auch das britische Energieberatungsunternehmen Xodus verkündet, man habe im Industriegebiet Oakajee ebenfalls ein Grundstück für die Entwicklung eines kommerziellen Projekts zur Erzeugung von grünem Wasserstoff und Ammoniak erworben. Damit werde der Weg für die Weiterentwicklung eines Projekts geebnet, das früher unter dem Namen „Project MercurHy” bekannt war und nun unter dem Namen „Warradarge Energy” firmiere.
Stromlieferverträge werden ausgehandelt
Demnach habe sich Xodus über 16.000 Hektar Land in der Region Warradarge gesichert, Stromlieferverträge mit einem bestehenden Windpark würden derzeit verhandelt. „Wir haben eng mit dem Team von Warradarge Energy sowie mit Industriepartnern und Landbesitzern zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass die Entwicklung auf einer robusten und skalierbaren Wasserstoffversorgungskette basiert“, sagt Simon Allison, Vizepräsident für den asiatisch-pazifischen Raum bei Xodus und Mitglied des strategischen Beirats von Warradarge Energy
Das Vorhaben werde in zwei Hauptphasen durchgeführt und konzentriere sich zunächst auf die heimische Wasserstoffversorgung zur Dekarbonisierung des Bergbaus und des Schwerlastverkehrs. Es solle zu einem Ammoniak-Exportprojekt im Oakajee SIA ausgeweitet werden.
Bilaterales Abkommen von 2024

Der australische Minister für Klimawandel und Energie, Chris Bowen, und die seinerzeitige deutsche Staatssekretärin für Wirtschaft und Klimaschutz, Anja Hajduk, unterzeichneten im September 2024 eine Absichtserklärung: Australien und Deutschland beteiligen sich mit kumuliert 660 Millionen australischen Dollar (400 Millionen Euro) an einer ersten H2 Global-Auktion beider Länder. © H2 Global
Im September 2024 hatten die Wirtschafts- und Energieministerien Australiens und Deutschlands eine Ausweitung der bilateralen Energiezusammenarbeit angekündigt (wir berichteten). Das Abkommen solle Australien in die Lage versetzen, „Korridore für die Verschiffung von erneuerbarem Wasserstoff nach Europa einzurichten und gleichzeitig australischen Unternehmen Zugang zu den europäischen Märkten für Wasserstoff und Ammoniak verschaffen“. Im Gegenzug werde Europa von wettbewerbsfähigen Preisen für saubere Energieprodukte profitieren, so seinerzeit das federführende Bundeswirtschaftsministerium.
Das 400-Millionen-Euro-Abkommen, das zu gleichen Teilen von den Regierungen beider Länder finanziert wird, ist Teil des deutschen H2 Global Auktionsmechanismus. Die gemeinsame Ausschreibung soll dazu beitragen, die Preislücke bei erneuerbarem Wasserstoff und seiner Derivate, die in Australien hergestellt und in Europa verkauft werden, zu schließen. Die erste Auktion für den Kauf von Wasserstoff sollte den Plänen zufolge 2025 beginnen, die erste Verkaufsauktion ist demnach für 2027/2028 geplant.
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Der australische Bundesstaat Western Australia könnte zu einer wichtigen Drehscheibe für grünen Wasserstoff und Ammoniak ausgebaut werden, um die Energieträger bis Rotterdam und von dort nach Deutschland zu exportieren. An der Westküste entsteht das Industriegebiet Oakajee mit Tiefwasserhafen. © Government of Western Australia / Development WA