(Bern / Schweiz) – Der Schweizer Bundesrat hat im Dezember die nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet. Darin sind die Ziele und das Leitbild zum Aufbau eines Wasserstoffwirtschaft festgehalten. Allerdings geht die Regierung noch bis in die 2030er Jahre hinein nur von einer geringen Nachfrage in der Alpenrepublik aus.
CO2-neutrale Produktion gefordert
Die Strategie setzt voraus, dass Wasserstoff aus CO2-neutralen Produktionsverfahren genutzt werde. Einsatzgebiete gebe es etwa bei Prozesswärme in der Industrie, Spitzenlastabdeckung in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und thermischen Netzen, Reservekraftwerken, Luftfahrt-, Schifffahrt sowie im Schwerverkehr auf der Straße.
Neben der inländischen Produktion und Speicherung solle der Anschluss an das europäische Wasserstofftransportnetz sichergestellt und der Import durch internationale Kooperationen und Partnerschaften gestärkt werden. Die Wasserstoffinfrastruktur solle entlang der gesamten Wertschöpfungskette wie Produktion, Umwandlung, Transport, Speicher sowie Betankung aufgebaut und durch die Entwicklung der dafür nötigen Technologien auch der „Bildungs- und Innovationsstandort Schweiz“ gestärkt werden.
Höhe des Bedarfs noch unklar
Seitens der Wirtschaft gebe es indes „noch keine belastbaren Angaben zum künftigen Bedarf“, heißt es in dem Papier. Die Wasserstoffstrategie gehe davon aus, dass die vorerst eher geringe Nachfrage in der Schweiz bis Mitte der 2030er Jahre „hauptsächlich über die inländische Produktion“ gedeckt würde.
Der Energieträger lasse sich bei bestehenden Kraftwerken oder nahe bei Abnehmern herstellen. Der Transport erfolge in umgerüsteten oder neu gebauten Gasleitungen sowie auf der Straße und der Schiene. Voraussichtlich ab 2035 werde die Transport- und Verteilinfrastruktur in Europa so ausgebaut sein, dass Importe möglich seien. Zur Speicherung seien große Gasspeicher erforderlich, die es heute in der Schweiz noch nicht gebe, oder der Wasserstoff werde in flüssige synthetische Energieträger umgewandelt.
Ab 2035 werde die inländische Nachfrage voraussichtlich zunehmen. Die Regierung hält Importe aus der EU und Drittstaaten langfristig für kostengünstiger als die inländische Produktion, womit der Anteil an Importen kontinuierlich zunehme. Es bestünden jedoch Unsicherheiten bezüglich des Verlaufs der Nachfrage.
Konkrete Vorhaben
Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) übernehme das Monitoring zur Energiestrategie 2050 und erstelle ein Konzept, um an den Schwerverkehrszentren entlang der Nationalstraßen geeignete Flächen für Betreiber von Wasserstofftankstellen zur Verfügung zu stellen.
Den Kantonen werde empfohlen, eigene Wasserstoffstrategien zu entwickeln, ihre Pläne und Bewilligungspraxis auf mögliche bürokratische Hürden zu überprüfen sowie ihre gesetzlichen Rahmenbedingungen zu harmonisieren. Das Thema Energiespeicher solle gemeinsam mit den Kantonen und der Energiebranche besprochen werden.
Die „Wasserstoffstrategie für die Schweiz“ gibt es kostenfrei als PDF (40 Seiten)
Kommentar Zwar listet die Strategie eine Reihe von Vorhaben mit Zeitschienen, liest sich indes eher wie ein Pflichtprogramm. Zielwerte sucht man vergebens: Die Energieversorgung sei primär Sache der Energiewirtschaft. Der Bund sorge lediglich für die notwendigen Rahmenbedingungen, heißt in dem Papier lapidar. Erstaunlicherweise scheint die Schweizer Industrie nicht zu wissen, „auf welche erneuerbaren Energieträger sie in Zukunft setzen“ werde, und auch bei der Mobilität sei unklar, wie groß das Interesse und damit der Anteil an Brennstoffzellenfahrzeugen sein wird. Dies zeigt, dass die Schweizer Regierung die globalen rasanten Entwicklungen rund um diesen Energieträger im Laufe der letzten Jahre verschlafen hat – oder die Augen verschließt und die Arbeit verweigert. Denn auch in der Schweiz fahren auf Initiative der Wirtschaft schon seit Jahren Brennstoffzellenfahrzeuge, es werden Produktionsstätten, Tankstellen und Infrastrukturen aufgebaut. Ohne Bedarfsabschätzung – selbst wenn diese zurzeit auch weltweit noch einer großen Dynamik unterliegt – lässt sich nur schwer eine Strategie mit konkreten Zielen und Korridoren ausarbeiten. Erstaunlich auch, dass die Industrie hier offenbar nur wenig Druck aufbaut, um zur Dekarbonisierung der Alpenrepublik und zur Sicherung ihrer unternehmerischen Zukunft größere Unterstützung aus Bern einzufordern. Politik, Industrie und Wissenschaft sollten gemeinsam rasch handeln, damit die Schweiz nicht bald als weißer Fleck in der europäischen Wasserstofflandschaft kartiert wird. alo
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Der Schweizer Bundesrat hat die nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet. Die Regierung geht davon aus, dass es noch bis in die 2030er Jahre hinein nur eine geringe Nachfrage in der Alpenrepublik gebe. (Foto: Nationalsaal im Parlamentsgebäude in Bern) © Parlamentsdienste 3003 Bern / Rob Lewis