(Karlsruhe / Deutschland) – Die Bundesregierung entwickelt derzeit eine Importstrategie für Wasserstoff, da ein erheblicher Teil des Energieträgers in Deutschland durch Importe gedeckt werden müssen. Langfristig gesehen gebe es zwar weltweit hinreichend Potenzial zur Herstellung für grünen Wasserstoff und seiner Derivate. „Derzeit bestehen allerdings eine Reihe an Hemmnissen für einen Markthochlauf, sodass dieser aktuell nur schleppend voranschreitet“, heißt es einem Impulspapier des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI).

Impulspapier des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung. © Fraunhofer ISI

Die Wissenschaftler haben im Rahmen des Forschungsprojekts „HyPat“ eine Metastudie durchgeführt und die bislang vorliegenden Erkenntnisse zu Erzeugung, Produktion und Handel von Wasserstoff ausgewertet. Demnach werde „ein überwiegender Teil“ der weltweiten Produktion auf heimischen Märkten zum Einsatz kommen und schätzungsweise nur ein Drittel international gehandelt“. Der Handel mit Wasserstoffderivaten werde den Autoren zufolge „voraussichtlich einen größeren Umfang einnehmen als der mit reinem Wasserstoff“. Die Studien gehen von einer globalen Wasserstoffnachfrage bis 2050 von vier bis elf Prozent am Endenergiebedarf aus.

Schiffstransporte als Risikoabsicherung

Der Handel mit reinem Wasserstoff werde überwiegend in großräumigen regionalen Märkten mit einem Radius von 2.000 bis 3.000 Kilometern erfolgen, wobei „voraussichtlich der Pipelinetransport aufgrund von Kostenvorteilen die vorherrschende Transportoption“ darstelle. Schiffsimporte übernähmen „eher die Funktion einer Risikoabsicherung“.

Für Wasserstoffderivate entstehe demgegenüber eher ein internationaler Markt, bei dem der Schiffstransport, analog zu den heutigen Ölmärkten, eine entscheidende Rolle spiele. Besonders für grünes Ammoniak, grünes Methanol und eKerosine sei es denkbar, dass sich globale Märkte entwickelten. Größere Importmengen würden indes erst nach 2030 erwartet.

Besonders gute Voraussetzungen für die Herstellung von grünem Wasserstoff und den Export bestünden in sonnen- und windreichen Regionen, die auch noch niedrige Kapitalkosten aufwiesen. Außerdem beeinflussten Faktoren wie Wasserverfügbarkeit, geopolitische Stabilität und vorhandene Infrastrukturen die Attraktivität von Ländern für die Herstellung und den Export von Wasserstoff oder Derivaten.

Konkurrenz mit Japan und Südkorea

Eine „noch häufig unterschätzte Voraussetzung“ sei industrielle Expertise für die komplexe Produktionskette. „Hier kann Deutschland zu einem wichtigen Technologielieferanten werden“, so das Papier. Deutschland gehört neben Japan und Südkorea voraussichtlich zu den Ländern mit den größten Importbedarfen weltweit – konkurrierten mithin um den Energieträger. Durch verschiedene Lieferanten, Routen und Verkehrsträger sowie heimische Produktion gewisser Mengen werden Abhängigkeiten reduziert.

Preise für Wasserstoff und Derivate würden tendenziell unterschätzt. Deshalb sollte eine Fokussierung auf bestimmte Anwendungen erfolgen. Die drohende Verlagerung von größeren Anteilen der Wertschöpfung in Exportländer setze Deutschland unter Druck, biete aber auch Chancen. Weitere Erkenntnisse:

  • Bei der Entwicklung einer Importstrategie sollten zwischen Wasserstoff und Wasserstoffderivaten klar unterschieden und die jeweiligen Spezifika beachtet werden. Die Voraussetzungen zur Entwicklung regionaler Märkte für Wasserstoff sowie zur Entwicklung globaler Märkte für dessen Derivate sollten zeitnah geschaffen werden.
  • Eine Wasserstoffimportstrategie sollte aus den Erfahrungen beim Aufbau des europäischen Gashandels lernen. Fehler beim Auf- und Ausbau des Gasnetzes wie die starke Fokussierung auf wenige Anbieter wie Russland gelte es zu vermeiden. Daher sollte man nicht automatisch den kosteneffizientesten Importpfad wählen.
  • Bei Wasserstoffimporten sollte sich Deutschland auf die EU-Staaten mit guten Erneuerbaren-Potenzialen wie Spanien sowie EU-Anrainerstaaten wie Norwegen konzentrieren. Diese sind verlässliche Partner und die EU würde insgesamt gestärkt. Die EU sollte durch eine Wasserstoffallianz eine Marktmacht bilden. Die Integration der MENA-Länder in eine Wasserstoffimportstrategie benötige besondere Maßnahmen.

In ihrer überarbeiteten Wasserstoffstrategie geht die Bundesregierung davon aus, dass rund 50 bis 70 Prozent des für 2030 prognostizierten Wasserstoffbedarfs durch Importe aus dem Ausland gedeckt werden müssen.

Das HyPat-Impulspapier „Was wissen wir über Importe von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten und was lässt sich daraus für eine deutsche Importstrategie ableiten?“ gibt es kostenfrei als PDF (24 Seiten).

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Besonders gute Voraussetzungen für die Herstellung von grünem Wasserstoff und den Export bestehen in sonnen- und windreichen Regionen. So hatte etwa schon 2021 der Öl- und Chemiekonzern OQ des Sultanats Oman ein Großprojekt für grüne Kraftstoffe angekündigt. © OQ