(Dillingen / Deutschland) – Der Stahlhersteller Stahl-Holding-Saar GmbH&Co.KGaA (SHS) hat mit dem französischen Energieunternehmen Verso Energy SAS einen Vertrag über die jährliche Abnahme von mindestens 6.000 Tonnen grünem Wasserstoff geschlossen. Lieferbeginn ist 2029 für die Dauer von zehn Jahren. Dies sei der „Startschuss für die regionale grenzüberschreitende Wasserstoffwirtschaft“, so der Konzern. Daran beteiligt sind die zur SHS-Gruppe gehörenden Unternehmen AG der Dillinger Hüttenwerke, die Saarstahl AG sowie die ROGESA Roheisen- und Rohstoffgesellschaft Saar mbH.

Schließen Deutsch-Französische-Wasserstoffkooperation (v.l.): Romain Verdier (Verso Energy), Stefan Rauber (CEO SHS, Vorstand Saarstahl und Dillinger), Gitta Connemann (Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium), Jonathan Weber (CEO SHS, Vorstand Saarstahl und Dillinger), Jürgen Barke (Wirtschaftsminister des Saarlandes), Xavier Caïtucoli (Verso Energy), Frank Becker (ROGESA). © SHS-Gruppe

Verso Energy will den Energieträger im französischen Carling im Rahmen des Projekts „Carlhyng“ (Carling Hydrogen Next Generation) produzieren und dort mehr als 100 Millionen Euro in den Bau eines Elektrolyseurs investieren. Der Wasserstoff wird mittels Strom aus erneuerbaren Energien produziert und gemäß den EU-Vorgaben „Renewable Fuels of Non-Biological Origin“ (RFNBO) zertifiziert. Das Unternehmen hat eigenen Angaben zufolge Projekte im Bereich erneuerbare Energien mit einer Gesamtleistung von zwei Gigawatt in der Entwicklung, im Bau oder im Betrieb und plant sieben e-SAF-Produktionsanlagen in Frankreich, Finnland und den Vereinigten Staaten.

Der „Carlhyng“-Ertrag werde in das Leitungsnetz Moselle-Saar-Hydrogen-Conversion (mosaHYc) eingespeist. Die SHS-Gruppe hatte dies bereits im April 2024 mit den Netzbetreibern Creos Deutschland Wasserstoff GmbH und NaTran Deutschland SA (früher GRTgaz SA) vereinbart. Über das deutsch-französische Leitungsnetz werde der Wasserstoff in die Region und auch zum Standort Dillingen transportiert. In der Endausbaustufe plane SHS jährlich bis zu 120.000 Tonnen Wasserstoff einzusetzen. Damit sei man „perspektivisch der größte Abnehmer in der Region“.

Verlässliche Rahmenbedingungen aus Berlin notwendig

Über das deutsch-französische Leitungsnetz „mosaHYc“ wird der Wasserstoff zum SHS-Standort Dillingen transportiert und dort zur Stahlproduktion genutzt. © AG der Dillinger Hüttenwerke

Die Verfügbarkeit von erneuerbarem Wasserstoff sei „ein wichtiges Kriterium für den Erfolg unseres Dekarbonisierungsprojektes Power4Steel“, sagt Stefan Rauber, SHS-Geschäftsführer und Vorsitzender des Saarstahl- und Dillinger-Vorstandes. Man schreite in der Transformation „planmäßig voran“ und werde den Kunden „ein qualitativ hochwertiges Portfolio an CO2-reduzierten Stahlprodukten anbieten“. Nach Angaben des saarländischen Wirtschaftsministers Jürgen Barke sei die deutsch-französische Kooperation „ein starkes Signal an Brüssel und Berlin, für verlässliche Rahmenbedingungen zu sorgen“.

Stefan Rauber, SHS-Geschäftsführer und Saarstahl- und Dillinger-Vorstand: „Wir werden den Kunden ein qualitativ hochwertiges Portfolio an CO2-reduzierten Stahlprodukten anbieten“. (Foto: Konverter beim Befüllen mit Flüssigstahl) © AG der Dillinger Hüttenwerke

Die SHS-Gruppe ist einer der größten Stahlhersteller Deutschlands und produziert jährlich rund fünf Millionen Tonnen Stahl. Unter Verwendung der jetzt georderten ersten Wasserstoffmengen, Stahlschrott und einer neuen Direktreduktionsanlage (DRI) und Elektrolichtbogenofen (EAF) am Standort Dillingen sowie einem weiteren EAF in Völklingen will man bis Anfang der 30er Jahre eine Reduktion der CO2-Emissionen um bis zu 55 Prozent erreichen.

Die DRI versorgt künftig die beiden Produktionsstandorte mit Eisenpellets. Die eingesetzte Midrex-Flex-Technologie kann mit unterschiedlichen Mischungsverhältnissen von Erdgas und Wasserstoff arbeiten. Wie berichtet werden Primetals Technologies, Midrex Technologies Inc. und die DSD Steel Group mit dem Bau beauftragt. Der EAF für den Grobblechhersteller Dillinger wird demnach ebenfalls von Primetals Technologies und DSD Steel Group errichtet. Für den EAF des Walzdraht- und Stabherstellers Saarstahl fiel die Wahl auf die SMS Group. Die Inbetriebnahme der Anlagen ist für 2028/29 vorgesehen.

Grüner Stahl mit IPCEI-Milliarden

Skizze der DRI-Anlage in der Dillinger Hütte. © AG der Dillinger Hüttenwerke

Die Gesamtinvestitionssumme für den Umbau auf eine grüne Stahlproduktion mittels Wasserstoff nebst Infrastruktur und Logistik beträgt rund 4,6 Milliarden Euro. Das Dekarbonisierungsprojekt „Power4Steel“ von Dillinger, Saarstahl und der gemeinsamen Tochter ROGESA wird mit 2,6 Milliarden Euro vom Bund und dem Bundesland im Rahmen des IPCEI-Programms der EU gefördert.

Für ähnliche Projekte wurden die Salzgitter Flachstahl GmbH mit einer Milliarde und die Thyssenkrupp Steel Europe AG mit zwei Milliarden Euro gefördert. Der Konkurrent ArcelorMittal SA hatte im Juni kalte Füße bekommen und war aus seinen Vorhaben in Bremen und Brandenburg ausgestiegen. Der Luxemburger Konzern beanspruchte von der EU genehmigte Fördermittel in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro und wollte ebenfalls perspektivisch mit grünem Wasserstoff und Direktreduktionsanlagen das Eisen aus den Erzen filtern und die daraus resultierenden Pellets in einem Elektrolichtbogenofen zu Rohstahl verarbeiten.

Aus für PEM-Elektrolyseur von Iqony

Skizze der einst geplanten Elektrolysehallen (vorne) von Iqony sowie die Gasaufbereitung, die Wasserstoffspeicher und eine Trailerabfüllstation. © Iqony GmbH

Ein anderes Unternehmen, die Essener STEAG-Tochter Iqony GmbH, hatte sich mutmaßlich ebenfalls Hoffnungen auf einen Vertragsabschluss mit SHS gemacht. So sollte werksnah in Völklingen ein PEM-Elektrolyseur mit einer Leistung von 55 Megawatt und einem Output von jährlich 8.200 Tonnen Wasserstoff entstehen. Der „Hydrohub Fenne“ erhielt im Juli 2024 den Bescheid für Fördermittel in Höhe von 100 Millionen Euro von Bund und Land aus dem IPCEI-Programm der EU. Die Investitionsentscheidung sollte einer Mitteilung zufolge im August 2025 fallen.

Doch das Vorhaben ist wohl nun geplatzt – mutmaßlich wegen des Vertrages zwischen SHS und Verso. Von Iqony selber hatte man dazu nichts weiter gehört. In der vergangenen Woche berichtete allerdings der „Saarländische Rundfunk“ (SR) über das Aus des Elektrolyseurs. Hauptgrund sei „das Fehlen eines Ankerkunden“, so der Sender unter Berufung auf einen Iqony-Sprecher. Die wirtschaftlichen Risiken für das Projekt seien „trotz der Fördermillionen zu hoch“. Unklar sei indes, ob Iqony beim Vergabeverfahren mit dem Stahlkonzern „überhaupt ein finales Angebot“ abgegeben habe. Gegenüber dem SR wollten sich beide Unternehmen dazu nicht äußern.

Pipeline noch nicht in trockenen Tüchern

Doch auch die geplante Pipeline für den Transport des Verso-Wasserstoffs bis zum SHS-Stahlwerk ist noch nicht in trockenen Tüchern. Derzeit läuft das Planfeststellungsverfahren für einen Abschnitt zwischen dem Grenzort Leidingen und dem Stahlwerk Dillingen. Teil dieses Netzes ist die neu zu errichtende etwa 21 Kilometer lange Wasserstoffleitung, die Dillingen mit der bestehenden Pipeline Carling-Perl verbinden soll. Der Gasnetzbetreiber Creos plant und baut die etwa 16 Kilometer lange neue „mosaHYc“-Leitung auf deutscher Seite. Allerdings habe eine Bürgerinitiative, unterstützt vom Naturschutzbund BUND, Bedenken gegen das Infrastrukturprojekt des Gasnetzbetreibers Creos, berichtet der SR. Insofern ist der Zeitplan keineswegs gesichert.

Die Planungsunterlagen hat das saarländische Wirtschaftsministerium auf seiner Website veröffentlich und stehen dort noch bis zum 24. September 2025 zur Einsichtnahme. Wessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann bis einen Monat nach Ablauf der Auslegungsfrist Einwendungen  erheben. Die bis einschließlich zum 24. Oktober 2025 laufende gesetzliche Frist wird nicht verlängert.

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Mit grünem Wasserstoff, Direktreduktion und Elektrolichtbogenofen will SHS seine CO2-Emissionen bei der Stahlproduktion um bis zu 55 Prozent reduzieren. © AG der Dillinger Hüttenwerke