(Oslo/Norwegen) – Die Pläne zur Produktion grünen Wasserstoffs nehmen weltweit zu. Nach Angaben von Rystadt Energy AS liegt die Pipeline von Projekten im Versorgungsbereich, das heißt mit einer Kapazität von mehr als einem Megawatt (MW), bei inzwischen mehr als 60 Gigawatt (GW). Das Consultingunternehmen ist allerdings der Auffassung, dass nur weniger als die Hälfte davon bis 2035 betriebsbereit sei, da die Projektentwickler zunächst die Produktionskosten senken müssten. „Um die Projekte schneller voranzubringen, ist die Unterstützung der Regierungen erforderlich, insbesondere bei den Entwicklungen, die mit dem Strom teurer Offshore-Windkraftanlagen betrieben werden“, sagt Gero Farruggio, Leiter des Bereichs Erneuerbare Energien bei Rystad Energy.
„Grüner Wasserstoff wird wichtiger Motor nach Covid-19-Pandemie“
Die Europäische Union hat im Sommer ihre Wasserstoffstrategie veröffentlicht, die bis 2030 eine Elektrolyseur-Kapazität von 40 GW sowie den Aufbau einer Import-Versorgungskette außerhalb Europas mit zusätzlichen 40 GW fordert. Einzelne EU-Mitglieder haben zudem bereits eigene Strategien mit Volumina von mehreren Milliarden Euro veröffentlicht, wobei Spanien, Deutschland und Frankreich 4 GW, 5 GW sowie 6,5 GW Erzeugungsleistung bis 2030 planen. Die derzeitige Pipeline angekündigter Elektrolyseur-Konzepte beläuft sich innerhalb der EU auf 27 GW.
In Asien würden die Wasserstoff-Roadmaps davon angetrieben, dass zunächst eine entsprechende Nachfrage geschaffen werde. Japan und Korea befassten sich mit dem Import von Wasserstoff und der Entwicklung internationaler Lieferketten insbesondere im Transportwesen. Rystad Energy erwartet, dass Wasserstoff in Chinas bevorstehendem Fünfjahres-Energieplan eine Rolle spiele. Die derzeitige Wasserstoffproduktion des Landes stamme aus fossilen Brennstoffen, aus staatlichen und staatlich unterstützten Unternehmen wie SPIC, Beijing Jingneng und CNOOC, die indes bereits Projekte zur umweltfreundlichen Wasserstoffproduktion begonnen hätten. Das erste Projekt im Gigawatt-Maßstab werde voraussichtlich im nächsten Jahr ans Netz gehen, meint das Beratungsunternehmen. Die 5-GW-Anlage von Beijing Jingneng in der Inneren Mongolei werde sowohl über einen Solarpark als auch einen Onshore-Windpark gespeist, was die Produktion von 400.000 bis 500.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr ermögliche.
Die australische Regierung habe sich hohe Ambitionen für den Export von Wasserstoff gesetzt, wobei Zuschüsse sowohl auf der Ebene der Bundesstaaten als auch auf Bundesebene zur Verfügung stehen. Die von der Regierung finanzierte Clean Energy Finance Corporation (CEFC) hat 300 Millionen australische Dollar (180 Millionen Euro) zugesagt. Weitere 70 Millionen australische Dollar von der australischen Agentur für erneuerbare Energien (ARENA) werden im nächsten Jahr für Wasserstoff-Elektrolyseur-Projekte über zehn Megawatt vergeben. ARENA habe bereits sieben Anträge in die engere Wahl gezogen, der Bau könne schon innerhalb der nächsten zwölf Monate beginnen. Überdies hat Australien vier große Elektrolyse-Projekte in der Pipeline: Asian Renewable Energy Hub in Western Australia mit einer Kapazität von anfangs 15 GW (im Endausbau 26 GW, wir berichteten), das Murchinson Renewable Hydrogen Project (fünf Gigawatt, Western Australia), Gladstone Hub (Queensland) und Pacific Solar Hydrogen (Queensland). Zudem habe Australien ein Abkommen mit Südkorea und Japan für den Aufbau einer internationalen Wasserstoffversorgungskette unterzeichnet.
Die USA verfügen noch nicht über eine klare nationale Wasserstoffstrategie, haben aber für die Forschung an und Entwicklung von Wasserstofftechnologien im Jahr 2020 64 Millionen Dollar (54 Millionen Euro) bereitgestellt, so der Report.
Saudi-Arabien festige seine Ambitionen mit einem grünen Wasserstoffprojekt in Neom – eine von der Regierung visionär neu geplante Metropole mit Hightech-Innovationen im Nordwesten des Landes, die komplett mit erneuerbaren Energien versorgt werden soll. In das Projekt investiert ein Joint Venture, angeführt von Air Products und ACWA Power, fünf Milliarden Dollar.
Europa liegt mit Megawatt-Projekten an der Spitze
Nach Angaben von Rystad Energy durchlaufen die meisten sich derzeit in Betrieb befindlichen Elektrolyseure eine Pilot- oder F&E-Phase mit geringen Kapazitäten. Europa sei hinsichtlich von Projekten im Versorgungsmaßstab mit mehr als einem Megawatt „klar an der Spitze“, wobei die Mehrheit der sich in Betrieb befindenden Projekte in Deutschland angesiedelt sei. Demgegenüber werde das Bauprojekt von Beijing Jingneng wahrscheinlich der erste Elektrolyseur im Gigawattmaßstab.
Die Mehrzahl der weltweiten Wasserstoffprojekte werde mit Sonnenenergie und Onshore-Windstrom betrieben, so die Analysten. Fünf geplante Großprojekte bezögen ihren Strom aus Offshore-Windparks. Das 10-GW-Projekt „Nord H2“, initiiert von einem von Shell geführten Konglomerat in den Niederlanden, gehöre zusammen mit dem 600-MW-Projekt „Westküste 100“ in Deutschland (entwickelt von Örsted und EDF) zu den größten Wasserstoff-Elektrolyseuren, die ihren Energiebedarf mit Offshore-Windenergie deckten. Ørsted habe ein weiteres Gigawattprojekt in Dänemark geplant, sollte es den Zuschlag für die Entwicklung eines Offshore-Windparks bei Bornholm erhalten.
Rystad Energy schätzt den Investitionsbedarf der Offshore-Windenergie auf mehr als das Doppelte der Onshore-Windenergie und auf das Vierfache der Onshore-Solartechnik, was sie für Standorte mit vernünftigen Onshore-Ressourcen weniger attraktiv macht. „Europa hat kaum eine andere Wahl, als die Offshore-Windenergie zu erforschen, um großmaßstäbliche Wasserstoff-Entwicklungen zu betreiben. Wie der breitere Offshore-Windsektor werden Wasserstoff-Elektrolyseur-Projekte wahrscheinlich für den Rest des Jahrzehnts weiterhin auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, um wirtschaftlich tragfähig zu sein“, so die Studie.
Foto
Die Mehrzahl der weltweiten Wasserstoff-Projekte werden mit Sonnenenergie und Onshore-Windstrom betrieben / © European Bank for Reconstruction and Development
Grafik
Projektpipeline grüner Wasserstoffprojekte / © Rystad Energy