(Melbourne / Australien) – Mit „beautiful, clean coal“ wollen die USA einer Executive Order von Präsident Trump zufolge Amerikas wirtschaftliches Wachstum sichern. US-Energieminister Christopher Wright setzt diesen Befehl von ganz oben zur Nutzung der „wunderschönen sauberen Kohle“ nun auftragsgemäß um und sicherte der Kohleindustrie Anfang Oktober Fördermittel in Höhe von 625 Millionen Dollar zu.

Das Imperium von Rio Tinto in Australien: Die Kohlemeiler in Gladstone an der Ostküste sollen alsbald stillgelegt werden. © Rio Tinto Group

Währenddessen schmiedet die Industrie gut 20 Flugstunden weiter südwestlich ganz andere Pläne. Der Bergbaumulti Rio Tinto verkündet eine „potenzielle vorzeitige Stilllegung“ seines Kohlekraftwerks „Gladstone Power Station“ (GPS) – mit 1,68 Gigawatt das größte im australischen Bundesstaat Queensland. Ursprünglich ist dessen Laufzeit bis 2035 vorgesehen. Nun könnte bereits 2029 das Aus für die sechs Meiler kommen. Begründung: Es lohnt sich einfach nicht mehr. „Traditionelle Energiequellen“ seien zu teuer, wird der Vorstandsvorsitzende von Rio Tinto, Kellie Parker, daraufhin in Medien zitiert.

Queenslands ältestes Kraftwerk wird von der Rolleston Coal Mine mit jährlich rund vier Millionen Tonnen Kohle gefüttert. Betreiber ist NRG Gladstone Operating Services, ein Joint Venture mit Rio Tinto Ltd. als größtem Anteilseigner (42,12 Prozent), gefolgt von Sunshine State Power, Tochter des US-Energieversorgers NRG Energy, Inc. (37,5 Prozent).

Rio Tinto ist selbst sein bester Kunde

Hauptabnehmer des Kohlestroms sind regionale konzerneigene Unternehmen: Australiens zweitgrößte Aluminiumhütte von Boyne Smelters Ltd. (BSL), die Aluminiumraffinerie Yarwun und die Aluminiumoxidraffinerie Queensland. Die Strombezugsverträge (Power Purchase Agreement, PPA) mit dem Kohlekraftwerk enden 2029.

Zwar ist mit der Ankündigung noch keine endgültige Entscheidung getroffen, das seit 1976 in Betrieb befindliche Kraftwerk tatsächlich sechs Jahre früher vom Netz zu nehmen. Der britisch-australische Multi hält damit lediglich die Vorschriften ein, wonach Energieerzeuger dem Strom- und Gasmarktbetreiber AEMO (Australian Energy Market Operator) eine erwogene Schließungen 3,5 Jahre im Voraus formell ankündigen müssen. Doch ist diese Tür nun aufgestoßen – und Rio Tinto arbeitet schon längst an Alternativen zum Kohlestrom.

Trump auf australisch

Bemerkenswert über den Inhalt hinaus ist jedoch der Zeitpunkt der Ankündigung: In wenigen Tagen, am 10. Oktober, will die in Queensland regierende Liberal National Party (LNP) ihren Fünf-Jahresplan „Energie-Road Map“ präsentieren. Inhalt: Die von der Labor-Partei in der Vorgängerregierung festgelegten und vom Parlament im letzten Jahr noch beschlossenen Ziele des Staates zur Reduzierung von CO2-Emissionen mittels erneuerbarer Energien sollen gestreckt werden, Wind- und Solarparks würden geblockt, Laufzeiten für Kohlekraftwerke verlängert – so jedenfalls mutmaßen in den letzten Wochen mit der Sache vertraute Fachleute in den australischen Medien.

Der Energie- und Finanzminister von Queensland, David Janetzki, zeigte sich nach Angaben des lokalen Nachrichtenportals „ABC News“ von der Konzernankündigung zwar nicht überrascht. „Rio Tinto arbeitet seit einiger Zeit an einem Plan für die Schließung des ältesten Kohlekraftwerks des Landes“, wird er zitiert. Allerdings werde Kohlekraft für die Prosperität seines Bundesstaates noch jahrzehntelang benötigt, sagte er dem Portal „Newswire“. Überrascht wurde allerdings Queenslands Premier und LNP-Chef David Frank Crisafull, der, am Morgen nach der Ankündigung von Journalisten dazu befragt, sich ahnungslos gab.

Rendering des geplanten „CQ-H2“-Projekts von Stanwell westlich von Gladstone im australischen Bundesstaat Queensland. Geplant war die Installation von Elektrolyseuren mit einer Leistung von 640 bis 720 Megawatt und einer Wasserstoffproduktion von täglich 200 Tonnen mittels Solarstrom. Der Energieträger sollte teils in Queensland selber genutzt, vor allem aber nach Japan und Singapur geliefert werden. Der Betriebsbeginn war für 2028 geplant und hätte auf eine Elektrolyseurleistung von etwa 2.240 bis 2.800 Megawatt hochgefahren werden sollen. Nachdem die NLP-Regierung ihre Unterstützung versagt hat und Investoren sich zurückzogen, steht das Vorhaben auf der Kippe. © Stanwell Corp.

Sollte es eine neue staatliche Förderwelle für fossile Energieträger geben, sind auch Projekte für grünen Wasserstoff gefährdet. Im Juni wurde bereits das eigentlich als Vorzeigeprojekt geplante „Central Queensland Hydrogen Project“ (CQ-H2) faktisch beerdigt. Nachdem lokalen Medien zufolge Energieminister Janetzki im Februar erklärte, das Projekt stehe nicht im Einklang mit den Prioritäten des Bundesstaates, bestehende Kohlekraftwerke zu nutzen, und die Regierung sich weigerte, zugesagte Mittel in Höhe von 1,4 Milliarden Dollar beizusteuern, verabschiedete sich wie berichtet die staatliche Stanwell Corporation im Sommer mit einem Zweizeiler aus dem Vorhaben: „Stanwell hat seine Beteiligung am Central Queensland Hydrogen-Projekt und anderen Wasserstoffentwicklungsaktivitäten eingestellt.“ Und: „Das CQ-H2-Projekt war eine wertvolle internationale Zusammenarbeit, die wichtiges technisches und kommerzielles Wissen zur Unterstützung der zukünftigen großflächigen Kommerzialisierung von erneuerbarem Wasserstoff geliefert hat.“ Deutlicher kann man Abschied nicht formulieren. Auch mehrere namhafte asiatische Projektpartner hatten ihren Rückzug erklärt.allerdings

Boyne Smelters ist die zweitgrößte Aluminiumhütte Australiens. Mehrheitseigentümer Rio Tinto (73,5 Prozent) will das Unternehmen auf Nutzung von erneuerbaren Energien umstellen. © Boyne Smelters Ltd.

Der Bürgermeister der Region Gladstone, Matt Burnett, will laut „ABC News“ allerdings dafür sorgen, dass das Rio-Tinto-Kraftwerk über 2029 hinaus in Betrieb bleibt. Fade Begründung: Es habe die Industrie dort vorangetrieben und seit fast fünf Jahrzehnten Tausende von Familien vor Ort unterstützt. Vereinfacht zusammengefasst: „Es war schon immer da“ – und über Alternativen möchte man gar nicht nachdenken. Demgegenüber sieht der Queensland Conservation Council (QCC), eine überparteiliche nichtstaatliche Umweltschutzvereinigung mehrerer Hundert Gruppen und Gemeinden, in der möglichen vorzeitigen Stilllegung einen Beweis dafür, dass die Schwerindustrie und auch der Privatsektor mit dem Übergang von fossilen zu billigeren erneuerbaren Energien gut vorankämen: „Rio Tinto ist der größte Energieverbraucher in Queensland und sie haben deutlich gemacht, dass sie ihre Gladstone-Betriebe nicht wettbewerbsfähig halten können, wenn sie sich auf teure Kohlekraft verlassen“, sagte QCC-Direktor Dave Copeman. Der Konzern sehe GPS folglich nicht als Teil eines zukünftigen Energiemixes.

„Wenn es Rio Tinto kann, können andere es auch“

„Rio Tinto hat diese Entscheidung auf Grundlage der Einschätzung getroffen, dass erneuerbare Energie mit Speicherung billiger und zuverlässiger ist als ein alterndes Kohlekraftwerk“, sagt Copeman. „Wir fordern die Landesregierung auf, am 10. Oktober einen Energieplan vorzulegen, der den Gemeinden und der Industrie Sicherheit bietet, indem er die rechtzeitige Schließung“ solcher Anlagen vorsehe. „Wenn Rio Tinto es kann, können andere es auch.“

Die Baugenehmigung wurde bereits erteilt: Hier soll in Queensland der Bungaban-Windpark entstehen. 80 Prozent des Ertrags kauft Rio Tino für seine Gladstone-Fabriken. © Windlab Pty Ltd.

Die Vorbereitungen zur „firmeninternen Energiewende“ laufen bereits seit geraumer Zeit. Im Februar 2024 hatte Rio Tinto mit dem Projektentwickler Windlab Pty Ltd. vereinbart, als Ankerkunde für eine Zeitraum von 25 Jahren 80 Prozent des Ertrages des sich in der Entwicklung befindenden 1,4 Gigawatt großen Windparks Bungaban abzunehmen, um damit seine Gladstone-Aktivitäten zu betreiben.

Die Vereinbarung folgte auf die Ankündigung eines PPA für den 1,1 Gigawatt großen Solarpark „Upper Calliope“ von European Energy im Monat zuvor. Damit wird Rio Tinto eigenen Angaben zufolge „zum größten industriellen Abnehmer von erneuerbarer Energie in Australien“. Der Ökostrom sei „ein weiterer wichtiger Schritt“ bei der Sanierung der Produktionsanlagen des Unternehmens im Raum Gladstone. Allerdings dürften die bisherigen Stromzukäufe noch nicht ausreichen, um den Energiehunger der drei Aluminiumanlagen zu stillen. Diese benötigen laut Rio Tinto nämlich den Output von etwa vier Gigawatt installierter Leistung von Wind- und Solarparks.

Edify Energy und Rio Tinto schließen ein PPA für zwei Solarkraftwerke und einen Stromspeicher in Queensland. Das Bild zeigt eine ähnliche Edify-Kombination mit einer installierten Solarleistung von 150 Megawatt nebst Speicher (320 Megawattstunden) in Darlington Point, New South Wales. © Edify Energy

Aber auch die noch bestehende Stromlücke wird sukzessive geschlossen. So unterzeichneten Rio Tinto und Edify Energy im März dieses Jahres weitere Verträge, um die Versorgung der Gladstone-Betriebe zuverlässig und wettbewerbsfähig zu sichern. Demnach nimmt Rio Tinto für 20 Jahre 90 Prozent der Stromerzeugungs- und Batteriespeicherkapazität von den künftig nebeneinander stehenden Solarkraftwerken Smoky Creek & Guthrie’s Gap ab. Edify Energy wird die Projekte bauen, besitzen und betreiben, wobei der Bau Ende 2025 beginnen und 2028 abgeschlossen sein soll. Würde GPS 2029 abgeschaltet, könnte im gleichen Jahr die Solarstromversorgung unverzüglich beginnen. Die PV-Anlagen haben kumuliert eine installierte Leistung von 720 Megawatt – der Ertrag wird auf 1,6 Millionen Megawattstunden prognostiziert – und sie verfügen über einen Energiespeicher mit 600 Megawatt (2.400 Megawattstunden).

Zusammen mit den bereits zuvor verkündeten PPA tragen diese Vereinbarungen dazu bei, den Ertrag von insgesamt 2,7 GW an Wind- und Solarparks in Queensland abzunehmen. Die Finanzierung von Smoky Creek & Guthrie’s Gap nebst Speicher ist jedenfalls gesichert: Edify wurde vor drei Wochen von der kanadischen Investmentgruppe La Caisse für 1,1 Milliarden australische Dollar übernommen. Dies ermögliche, so Edify, „die nächste Phase unseres Wachstums“. La Caisse bekenne sich zur Zukunft Australiens mit sauberen Energien, beteuert deren Executive Vice-President Emmanuel Jaclot – und damit auch zu Edifys Pipeline von elf Gigawatt erneuerbare Energien und Speicher auf dem Kontinent.

Rio Tinto auch mit Wasserstoffprojekt

Rio Tinto ist auch um Wasserstoffnutzung bemüht. So gab es im Sommer 2023 eine Vereinbarung mit dem japanischen Konglomerat Sumitomo Corporation, einen 2,5-Megawatt-Elektrolyseur nebst Speicher in Gladstone zu bauen, um zu testen, ob Wasserstoff das bisher genutzte Erdgas in Yarwun ersetzen kann. Durch die Umstellung der gesamten Anlage auf grünen Wasserstoff könnten letztendlich die Emissionen um 500.000 Tonnen pro Jahr gesenkt werden.

Der Baubeginn war einst für 2024 vorgesehen, die Anlage sollte bis 2025 mit einer Produktionskapazität von mehr als 250 Tonnen Wasserstoff pro Jahr in Betrieb gehen. Einer aktuellen Projektbeschreibung des staatlichen Forschungsinstituts Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) zufolge ist die Anlage noch im Bau. Die auf drei Jahre angelegte Erprobungsphase – also ebenfalls bis 2028 – solle noch in diesem Jahr mit einer Kapazität von vorerst 125 Tonnen beginnen, hieß es Anfang September.

Energiewende am 10. Oktober?

Somit dürfte die am 10. Oktober von der LNP vorgestellte Energy Road Map in jedweder Hinsicht über Queensland hinaus mit Spannung erwartet werden – entscheidet sich doch damit, ob der „Sunshine State“ weiterhin auf veraltete Energieproduktion setzt oder den Sprung zu den Erneuerbaren schafft. Und ob Rio Tinto einknickt, wenn es womöglich Staatsgelder zur Laufzeitverlängerung von GPS gibt. Bis März 2029 jedenfalls wollen sich alle Anteilseigner des Kohlekraftwerks Gladstone mit Interessengruppen über den Energiemarkt und Optionen für die zukünftige Nutzung des Standorts austauschen.

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Gladstone Power Station (GPS): Das größte Kraftwerk im Bundesstaat Queensland wird seit 1994 von NRG Gladstone Operating Services betrieben. © Wikimedia / Luis Bartolomé Marcos / CC Attribution-Share Alike 4.0 International license